Mit seiner geschlossenen, massiven Außenwand erinnert das neue Landratsamt in Neustadt an der Waldnaab bewusst an die historische Stadtmauer. Auf der Innenseite präsentiert es sich dagegen als offenes, lichtes Verwaltungsgebäude, das sich über vier Stockwerke zum ebenfalls neu geschaffenen Innenhof öffnet.
Das Ziel des 2016 geplanten Erweiterungsbaus für das Landratsamt Neustadt an der Waldnaab war klar formuliert: Direkt neben dem historischen Stadtschloss sollte ein neuer Verwaltungsbau mit rund 100 Arbeitsplätzen entstehen, der die Enge und überalterte Ausstattung des bestehenden Kreiskassengebäudes beendet und die gesamte Landkreisverwaltung wieder in der Ortsmitte von Neustadt vereint. Der im Wettbewerb siegreiche Entwurf von Bruno Fioretti Marquez aus Berlin sah keinen eigenständigen Baukörper, sondern einen C-förmigen Erweiterungsbau vor, der über zwei seitliche Durchgangsfugen bzw. Glasbrücken direkt an die Längsseite des Schlosses anbindet. Der Anbau reicht in seiner Höhe dabei lediglich bis zu dessen Sockelgeschossdecke und lässt so den respektvollen Blick auf die oberen beiden Stockwerke des Baudenkmals frei. Gleichzeitig nutzt der Neubau geschickt die bestehende Topografie und entwickelt sich – von außen betrachtet – von einem eingeschossigen zu einem viergeschossigen Baukörper. Extrem unterschiedlich erscheinen deshalb auch die Innen- und Außenseiten des Gebäudes. So präsentiert sich auf der Innenseite der Erweiterungsbau mit der viergeschossigen leichten Holzfassade und den raumhohen Verglasungen als moderner, nachhaltiger und heller Verwaltungsbau. Dank seines Grundrisses bildet er gleichzeitig einen atriumartigen Innenhof mit großer Freitreppe aus. Durch die beiden seitlichen Durchgänge an den Schlossseiten ist dieser Raum öffentlich zugänglich und vielseitig für unterschiedlichste Veranstaltungen nutzbar.
Vorbild Burganlage
Im Gegensatz zur Offenheit im Inneren zeigt sich die Außenseite des Neubaus als geschlossene, massive Wand, monolithisch errichtet aus 60 Zentimeter starkem Liapor-Leichtbeton. Unregelmäßig gesetzte große Fenster sowie eine Eingangstür lockern die Fläche zwar auf, doch bestimmt die Präsenz des Materials bewusst den ersten Eindruck. „In Anlehnung an das Schloss sowie als Reminiszenz an die historische, einst hier verlaufende Stadtmauer wählten wir straßenseitig eine geschlossene, schlichte Fassade“, erklärt Planer Piero Bruno. „Ähnlich einer Burganlage, deren meterdicke Wände genutzt wurden, um Alkoven und Raumnischen zu bilden, nimmt das massive Wandelement hier die Treppe und die notwendigen Nebenräume auf, was den Eindruck einer massiven Stützmauer als wesentlicher Bestandteil des Konzepts verstärkt.“ Die Außenwand dient gleichzeitig den Deckenbalken der hofseitigen Holzskelettkonstruktion als Auflager. Daneben begünstigt sie als Speichermasse das Raumklima und strahlt ein hohes Maß an Beständigkeit aus. Und nicht zuletzt lehnt sich die Außenwand in ihrer beige-grauen Farbigkeit und ihrer homogenen Oberfläche gezielt an das Sockelgeschoss des Schlosses an.
Farbige Sichtbetonqualität
Für die monolithische Außenwand kamen knapp 600 Kubikmeter Leichtbeton (Liapor LC12/13 D1.2) mit Liapor 3 4-8 mm als leichter Gesteinskörnung und Leichtsand F 0-3 zum Einsatz. Alle Leichtbetonoberflächen sollten glatt und ohne Hohlstellen in Sichtbetonqualität ausgeführt werden. Vorab erstellte Musterwände zeigten, dass sich alle Anforderungen wie gewünscht umsetzen ließen. So konnten sämtliche Leichtbetonflächen in hoher Sichtbetonqualität in Orientierung an der Sichtbetonklasse SB3 ausgeführt werden. Außen kamen bei der Betonage mittels Schüttkübeln zusätzlich Dreikantleisten zum Einsatz, um die Fensterlaibungen besonders präzise auszubilden. Nach neun Monaten war der Rohbau errichtet und Ende Mai 2019 erfolgte nach zweijähriger Gesamtbauzeit die offizielle Einweihungsfeier des neuen Dienstgebäudes.