Am 04. Juli 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil im Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze der Honorar- und Gebührenordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gesprochen. Darin kommt der EuGH zu dem Schluss, dass diese nicht mit EU-Recht vereinbar seien. Die Bundesregierung ist jetzt verpflichtet, das Urteil umzusetzen.
„Es ist sehr bedauerlich, dass der EuGH den Preisrahmen, den die HOAI vorgibt, gekippt hat. Denn der Ausgang des Verfahrens ist weder im Sinne der Planerinnen und Planer noch im Sinne des Verbraucherschutzes“, kommentierte der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer, das Urteil. „Es ist allgemein bekannt, dass für einen zu niedrigen Preis keine hinreichende Qualität geliefert werden kann – das gilt auch für Ingenieurleistungen.“ Daher habe die Bundesingenieurkammer gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und dem AHO stellvertretend für die Planerorganisationen in Deutschland in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung alles dafür getan, um die HOAI in ihrer bisherigen Form zu erhalten.
Eine erste Betrachtung
Der Geschäftsführer der Bundesingenieurkammer, Martin Falenski, gab im Anschluss an die Urteilsverkündung eine erste kurze Analyse dazu. Danach sind folgende Punkte relevant:
- Der EuGH ist den Schlussanträgen des Generalanwalts Szpunar nur im Hinblick auf die Entscheidungsempfehlung gefolgt. Inhaltlich setzt er sich mit dessen Argumentation – genausowie zum größten Teil mit der der Kommission – eher kritisch auseinander.
- Explizit hebt der EuGH hervor, dass die durch die Bundesregierung vorgelegten Gutachten den Standpunkt der Bundesregierung untermauern, wonach „in einem Markt wie dem deutschen, der durch eine große Zahl kleiner und mittlerer Unternehmen gekennzeichnet ist, die Festsetzung von Mindestpreisen für Planungsleistungen eine geeignete Maßnahme sein kann, um eine hohe Qualität der erbrachten Leistungen sicherzustellen.“ (Rn. 83)
- Auch übrigen Argumenten und Darlegungen der Kommission ist der EuGH i. Ü. nicht gefolgt, etwa dem Versuch, über die in Deutschland im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten deutlich höhere Bruttobetriebsrate den Nachweis zu führen, dass kein Zusammenhang zwischen Mindestsatz und Qualität bestehen könne (R. 86. F.)
Inkohärenz im deutschen Regelungswerk festgestellt
Nach alledem ist der EuGH als Zwischenergebnis zu der Erkenntnis gelangt, „dass die Existenz von Mindestsätzen für die Planungsleistungen im Hinblick auf die Beschaffenheit des deutschen Markts grundsätzlich dazu beitragen kann, eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten, und folglich dazu, die von der Bundesrepublik Deutschland angestrebten Ziele zu erreichen.“ (Rn. 88).
Dennoch kommt der EuGH schlussendlich für Deutschland zu keinem positiven Urteil. Seiner Ansicht nach ist der Umstand, dass in Deutschland Planungsleistungen auch von Dienstleistern erbracht werden können, die ihre entsprechende fachliche Eignung nicht nachgewiesen haben, mit dem Ziel nicht vereinbar, durch die Mindestsätze eine hohe Qualität der Planungsleistungen zu erhalten. Denn für die Vornahme der Leistungen, die diesen Mindestsätzen unterliegen, würden keine Mindestgarantien gelten, weil sie von jedermann erbracht werden können. (Rn. 92).
Fazit
Anders, als zu erwarten war, ist der EuGH der Kommission und auch dem Generalanwalt zumindest argumentativ nicht gefolgt. Insofern waren die Mühe und der Aufwand (etwa die Studien) keinesfalls umsonst. Verloren hat Deutschland dennoch – aber wären Planungsleistungen ausschließlich Architekten und Ingenieuren, die ja aufgrund ihrer Ausbildung (et al.) für eine „Grundqualität“ bürgen, vorbehalten, hätte der EuGH u. U. sogar anders entschieden. „Aber alles Wenn und Aber hilft jetzt nicht. Nun muss es darum gehen, den Verbrauchern Sicherheit und den planenden Berufen in Deutschland eine verlässliche und handhabbare Grundlage an die Hand zu geben. Aus diesem Grund werden wir nun gemeinsam mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung an einer Lösung arbeiten“, so Bundesingenieurkammerpräsident Kammeyer. Denkbar wäre ein Ansatz analog dem der Steuerberater, wonach statt eines Mindestsatzes von einem Regelsatz auszugehen ist und ein Angemessenheitsvorbehalt im Hinblick auf die zu erbringende Leistung gilt.
„Natürlich ist das Modell kein vollwertiger Ersatz für die Mindestsätze. Aber es könnte helfen, Preisdumping, das am Ende allen schadet, zu verhindern. Denn eins ist ganz klar: Qualität hat ihren Preis. Wer beim Planen spart, zahlt hinterher beim Bauen drauf!“, erklärte er abschließend.