Nach 26 Monaten Bauzeit hat im Juni 2018 das Hotel Jakarta in Amestrdam seine Pforten geöffnet.
Das Vier-Sterne-Hotel erhebt sich in Form eines Kuchenstücks mit bis zu neun Geschossen an der Spitze von Java Island und ist neuestes Mitglied der WestCord Hotelgruppe.
Im Jahr 2014 hat die Stadt Amsterdam innerhalb eines Sanierungsprogramms die Entwicklung eines Hotel auf JavaIsland, demehmaligen Schiffsanlegesteg, nach Javas Hauptstadt Jakarta benannt, ausgeschrieben. WestCord Hotels präsentierte zusammen mit dem Architekturbüro SeArch und in Zusammenarbeit mit dem Tropenmuseum und dem Hortus Botanicus Amsterdam das Hotelkonzept für ein energieneutrales Gebäude aus Stahlbeton, Holz und Glas, das dann als Sieger aus dem Wettbewerb hervorging.
Das Hotel steht symbolisch für die historische maritime Verbindung mit Java. An diesem Kai kamen bis Mitte des 20. Jahrhunderts Einwanderer nach einer langen Reise aus Indonesien an. Für viele Familien war die Spitze von Java Island der erste oder letzte Blick auf Amsterdam. So soll das Hotel heute als eine Art zweites Zuhause für neugierige Weltreisende dienen, die den Austausch mit unbekannten Kulturen und Aktivitäten suchen. Erklärtes Ziel war und ist, das Hotel als lebendigen Teil der Stadt zu einem multikulturellen Schmelztiegel zu machen. Die anschließende Planung hatte sich darüber hinaus an ein außergewöhnlich ehrgeiziges und nachhaltiges Programm zu halten.
Raumkonzebt mit öffentlichen Räumen
Das Hotel ist ein Hybridbau aus Stahlbeton und Holz. Der Grundriss nimmt die Form der Insel auf und ist entsprechend dreieckig.
Das Erdgeschoss bietet eine große Freifläche mit einem Atrium in der Mitte. Auf dieser Ebne sind auch öffentliche Bereiche untergebracht. Dazu gehören ein großes Restaurant mit Bar und Terrasse zum Fluss IJ, eine Bäckerei und ein Wellnessbereich mit Schwimmbad. Diese Räume sind transparent gehalten und sollen zum Verweilen einladen.
Der erste Stock beherbergt drei Multifunktionsräume, die in einen großen Raum verwandelt werden können. Im zentralen Atrium gibt es einen subtropischen Garten, den die Planer in Zusammenarbeit mit dem Hortus Botanicus Amsterdam entworfen haben. So steht hier eine sorgfältige Auswahl an Bäumen, zehn Meter hohen Palmen und Pflanzen aus Asien. iIm obersten Stockwerk befindet sich außerdem die Skybar und bietet einen Panoramablick auf den IJ.
Statisches Rückgrat stützt zwei Tragstrukturen
Das dreiecksförmige Gebäude vereint zwei Haupttragstrukturen: einen Stahlbeton-Skelettbau und eine wabenähnliche Struktur aus Raummodulen in Holzmassivbauweise. Dabei entwickelt sich das an der wasserzugewandten Seite knapp 100 m lange Bauwerk von einem Stahlbeton-Sockelgeschoss aus in die Höhe. Drei Stahlbeton-Erschließungstürme mit Treppenhaus und Aufzug bilden das statische Rückgrat des Gebäudes. Sie wirken wie ins Fundament eingespannte Kragarme. An ihnen lehnt sich die Tragstruktur des gesamten Gebäudes an – sowohl der Stahlbetonskelettbau als auch der Holzbau aus gereihten und gestapelten Raummodulen.
Zimmer im Boutique-Stil in Holzmodulbauweise
Für 176 der 200 luxuriösen Hotelzimmer und Suiten im Boutique-Stil wählten die Planer 30 m² große, vorgefertigte Raummodule in Hybridbauweise aus Stahlbeton und Brettsperrholz (BSP).
Die Raummodule sind 10,10 m lang, 3,46 m breit und 2,88 m hoch. Sie haben eine Bodenplatte aus Stahlbeton inklusive Betonkernaktivierung zum Heizen und Kühlen. Die Platte hat ober- und unterseitig Aufkantungen. Auf die oberen Aufkantungen wurden die 14 cm dicken BSP-Wände platziert. Der Anschluss an die Bodenplatte erfolgte über Gewindestangen, die senkrecht in die Aufkantungen eingelassen sind und dann in die vorgebohrten Löcher an den Unterkanten der Wandscheiben eingefädelt wurden. Auf Höhe der Gewindestangenenden erhielten die BSPWände seitlich eingefräste Löcher, sodass die Enden in diesen „Taschen“ über eine Stahlplatte und Kontermutter dagegen geschraubt werden konnten.
Die 10 cm dicken BSP-Decken-Elemente wurden zum Schluss mit Hilfe von Ausfälzungen der Wandkronen zwischen die Wände eingelegt und mit diesen verschraubt.
Die Raummodule erhielten zudem einen überdachten Außenraum (Loggia), der als bauliche Verschattung fungiert, aber auch als Innenbalkon dient. Dieser entsteht,indem die stirnseitige Verglasung mit Schiebeelement um einen Meter zurückgesetzt wird. Die Bodenplatte erhielt im Bereich der Loggia eine Art Isokorb, der werkseitig ab em Schiebeelement eingebaut wurde. Der Innenbalkon kann komplett mit Glas verschlossen werden, wodurch ein zusätzlicher Wärmepuffer bzw. ein Puffer gegen Schallimmissionen (Schalleintrag von außen) entsteht. Dieser lasvorhang der Balkone schützt darüber hinaus vor rauen Winden bei exponierten standorten an offenen Gewässern.
Auch die Entwässerungs- und Installationsleitungen sind ab Werk Bestandteil jedes Moduls. Zur Leitungsführung wurden die Innenwandseiten entsprechend ausgefräst. Die Leitungen verschwinden später hinter einer Decklage aus Weißtanne.
Montage: Wand an Wand und Boden über Decke
Die 176 Raummodule gliederten sich in sechs verschiedene Modultypen. Dabei sind jeweils 75 Module von Typ A und Typ B. Die restlichen 26 Raummodule unterteilten sich noch einmal in vier weitere Modul-Typen. Im Scheitelpunkt und in Eckbereichen hat man die Hotel-Zimmer aufgrund ihrer individuellen Form allerdings ganz klassisch vor Ort aus Einzel-Elementen errichten müssen.
Die Dimensionierung, Werkplanung sowie der Abbund der 2.100 m³ BSP-Elemente mit allen Ausfräsungen für Verbindungsmittel, Entwässerungs- und Installationsleitungen erfolgte bei Derix in Niederkrüchten. Von dort gingen die Holzbausätze ins Werk von Ursem Modulaire Bouwsysteme nach Wognum in den Niederlanden, wo sie zu fixfertigen Modulen samt Installationen und Bädern vorgefertigt wurden. Für den Transport zur 15 km entfernten Baustelle hat man sie zum Schutz vor Regen in Plastikfolie gehüllt, nach Ankunft sofort entpackt und gleich per Kran an Ort und Stelle gehoben, das heiWßt, auf dem Stahlbeton- Sockelgeschoss aneinander gereiht und bis zu acht Stockwerke hoch gestapelt. Dabei liegt das achte Geschoss auf einer Höhe von 30 m über den Kais von Java Island.
Zur exakten Platzierung und Justierung erhielten die Eck- und Randbereiche der Bodenplatten Löcher auf der Unterseite bzw. Bleche mit konisch geformten Stahldornen auf der Oberseite der BSP-Moduldecke, sodass diese beim Einheben und Ablassen wie eine Steckverbindung ineinandergreifen, dadurch exakt platziert und die Module unverschieblich gehalten sind.
Aus Schall- und Brandschutzgründen (Holzmodule: F90) sind die Fugen zwischen den doppelten Wänden bzw. den doppelten Böden (Modul-Decken und darüber liegende Modul-Böden) mit einer 4 cm dicken Lage Mineralwolldämmunggefüllt. Dabei fasst die unterseitige Aufkantung die Dämmlage wie ein Rahmen. So hat dieeigentliche Bodenplatte eine Dicke von 14 cm, erscheint aber im Randbereich durch die 4,5 cm hohen Aufkantungenviel dicker. Hier misst sie 23 cm.
Von den beiden Längswänden eines Moduls erhielt jeweils nur eine Wand eine werkseitig aufgebrachte Dämmlage. Diese füllt jeweils eine Fuge bei der Reihung.
Die in sich stabilen, selbsttragenden Module übertragen die Vertikallasten über die Wände nach unten in die Fundamente bzw. die Horizontallasten – die Module sind auch untereinander über Stahlbleche verbunden – auf die drei Stahlbeton Erschließungstürme.
Atriumdach: Gitterartiges Tragwerg als Unterkonstruktion fürs Gladach
Der zentrale Innenhof des Hotels erhielt als Überdachung eine Art Gitterrost aus Brettschichtholz mit darauf aufgelegtem Glasdach. Dabei überspannt ein 26 m langer Hauptträger (b/h = 33,5 cm x 90 cm) einen Teil des Atriums in Längsrichtung und fugiert als Mitittelauflager für die von den Längswänden kommenden Querträger (b/h = 26 cm x 76 cm, e = 3,30 m, l1 = 7,50 m bzw. lmax: 8,75 m und kleiner – gegenüber). Diese schließen an den unterspannten Hauptträger wie Sparren an eine Firstpfette an. Weitere Querbalken zwischen den Sparren (b/h = 12 cm x 36 cm) stabilisieren deren obere Ränder und bilden oberkanten- bündig mit der restlichen Dachkonstruktion einen Auflager - rost für das Glasdach.
Im Glasdach sind BIPV-Zellen (Building Integrated Photovoltaics) sowie 430 Photovoltaik(PV)-Paneele integriert. Sie sammeln gleichzeitig Energie und dienen als Sonnenschutz für den subtropischen Innengarten. Letzterer wirkt im Sommer wie im Winter als Temperaturregler.
Energetisch genutzte Fassaden
Die Süd- und Ostfassade des Gebäudes sind ebenfalls mit BIPV-Paneelen bekleidet. Die 350 PV-Paneele – insgesamt über 700 m² – sind vollständig in das Loggia-Design integriert. Die Gesamtenergieproduktion des Hotels Jakarta liegt bei rund 260.000 WP.
Die Nord- und Ostfassade des Hotels erhielten außerdem eine Bekleidung aus eloxierten Aluminium-Paneelen.
Sie sind jeweils mit einem speziellen Perforationsmuster versehen, das antike Illustrationen von Handelsschiffen aus dem „Goldenen Zeitalter“ Amsterdams kombiniert.
Langlebigkeit als Maßstab für nachhaltiges Bauen
Das Hotel Jakarta ist ein außergewöhnliches Gebäude an der Spitze von Java Island. Die gewählten Materialien sind laut Bauherrn so hochwertig und langlebig, dass die oberflächen der wände und Decken ohne weitere Beschichtungen oder Beplankungen auskommen und so das Massivholz sichtbar bleibt. Nicht recycelbare Ausbaumaterialien wurden kaum eingesetzt; fast alle Elemente können nach einer Demontage wiederverwendet werden.
Darüber hinaus kommen viele weitere energiesparende Maßnahmen zum Einsatz, wie zum Beispiel das Sammeln von Regenwasser zur Bewässerung des Hofgartens. Die PV-Paneele in Fassade und im Dach des Atriums speichern Sonnenenergie und wandeln sie in Strom um, um das Duschwasser zu erwärmen. Das Hotel selbst wird mittels eines Wärme- und Kältespeichersystems gekühlt und beheizt. Selbst die Mitarbeiter erhalten nachhaltige Arbeitskleidung, entworfen von einem speziellen Modelabel. Aufgrund dieser Nachhaltigkeitsleistungen wird das Hotel als energieneutrales Gebäude eingestuft. Mit dem Breeam Excellent Zertifikat ist es schließlich sogar zum nachhaltigsten Hotel der Niederlande geworden.