Es wurde am 18. Juli 1926 eröffnet und ist das betriebsälteste Planetarium weltweit: Mit der Titelverleihung „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ haben die Bundesingenieurkammer und die Ingenieurkammer Thüringen gemeinsam am 25. April 2019 das Zeiss-Planetarium in Jena als historisch bedeutendes Ingenieurbauwerk geehrt.
Sowohl die revolutionäre Projektionstechnologie als auch die damit zusammenhängende Stahlbeton-Schalenbauweise „System Zeiss-Dywidag“ sind mit dem Namen des Ingenieurs Walther Bauersfeld (1879-1959) verbunden. Die Herausforderung bei der Planung des Planetariums bestand darin, Projektionsapparat und Kuppel ideal aufeinander abzustimmen. Bauersfeld hatte daher im Auftrag des Deutschen Museums nicht nur eine neuartige Maschine zur Projektion des Sternenhimmels entwickelt, sondern auch ein räumliches Stabnetzwerk als Projektionsfläche. In Zusammenarbeit mit dem Dywidag-Oberingenieur August Mergler entstand schließlich eine Kuppel mit einem Durchmesser von 25 m und einer Oberfläche von 981 m2. Das Eisenfachwerk wurde mit einer 6 cm starken Betonschicht ausgefüllt und umkleidet. Der moderne Schalenbau war damit erfunden und stellte eine bahnbrechende Entwicklung in der Geschichte des Stahlbetonbaus im 20. Jahrhundert dar.
Der Publikumserfolg des Zeiss-Planetariums war groß. Innerhalb von zehn Jahren wurden weltweit zahlreiche ähnliche Bauten errichtet, beispielsweise die Planetarien in Berlin (1926), Mailand (1930) oder New York (1934). Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen, betonte in seinem Grußwort: „Die Initiative der Ingenieurkammern, eine besondere Auszeichnung zu verleihen für „Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“, stärkt nicht nur das öffentliche Bewusstsein für die Ingenieurbaukunst. Sie leistet damit zugleich einen wichtigen Beitrag, gerade auch junge Menschen für entsprechende berufliche Laufbahnen zu begeistern. Auch deshalb gilt den Kammern mein Dank für dieses Engagement.“
Der Präsident der Ingenieurkammer Thüringen, Dipl.- Ing. Elmar Dräger, erläuterte den Grundgedanken der Titelverleihung: „Der historische Solitär Zeiss-Planetarium ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass anwendungsbereites und belastbares Ingenieur-Knowhow die Grundlage für die Realisierung komplexer und funktional anspruchsvoller Bauvorhaben ist. Ich würde mich freuen, wenn mit der Würdigung derartiger Bauwerke dazu beigetragen werden kann, die Bedeutung des Ingenieurberufs in der Gesellschaft wahrnehmbarer zu positionieren. Mit dem Schlagen von Brücken aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft wird deutlich, welchen Einfluss Ingenieurinnen und Ingenieure auf die Ausgestaltung unserer Welt haben.“
Auch Dipl.-Ing. Hans-Ullrich Kammeyer, Präsident der Bundesingenieurkammer, unterstrich in seiner Rede die Einzigartigkeit des Zeiss-Planetariums und sagte: „Die Bauwerke vergangener Zeiten verhelfen uns zu interessanten Erkenntnissen über die damalige Ingenieurbaukunst. Durch ihre Einzigartigkeit ermöglichen sie uns aber auch, bei der jüngeren Generation für den verantwortungsvollen und vielseitigen Beruf der Bauingenieurinnen und Bauingenieure zu werben. In Zeiten von großem Fachkräftemangel ist uns das ein besonderes Anliegen.“
Entwicklung der Schalenkuppeln „System Zeiss-Dywidag“
Der entscheidende Impuls für den Durchbruch des Betonschalenbaus ging von dem in Diensten des Jenaer Unternehmens Carl Zeiss stehenden Maschinenbauingenieur Walther Bauersfeld aus. Für die Kuppel im Deutschen Museum schlug der Nürnberger Dywidag-Oberingenieur August Mergler (1889 – mind. 1964) bei der Planung eines wetterfesten Versuchsbaus vor, dieses Netzwerk mit einem Drahtgeflecht zu ergänzen und dann ringweise in Beton einzuhüllen. Hierbei sollte das sogenannte Torkret-Verfahren eingesetzt werden, bei dem der Beton mit hohem Druck gegen eine innen angebrachte Wanderschalung gespritzt wurde. Noch im Winter 1922/23 wurde gemäß dieser Idee auf dem Dach des Gebäudes 11 im Zeiss-Hauptwerk ein 16 m weit gespanntes Versuchsplanetarium errichtet. Der gerade erst zum Oberingenieur beförderte Franz Dischinger erkannte rasch das Potenzial des wenig ansehnlichen Bauwerks: Einerseits ermöglichte das neue Torkretverfahren in Verbindung mit schnell erhärtendem Ze ment eine wirtschaftliche Herstellung der Betonhaut, andererseits bot das Zeiss-Netzwerk die für dünne Schalenbauten nötige Gewähr einer mathematisch genauen Form.
Rund ein Jahr später begannen im Versuchsplanetarium erste öffentliche Vorführungen von Bauersfelds künstlichem Sternhimmel.
Das Zeiss-Planetarium Jena Die Resonanz war so überwältigend, dass die Firma Carl Zeiss noch im Herbst 1924 den Bau eines dauerhaften Planetariums in Jena veranlasste. Walter Bauersfeld und die Astro-Ingenieure forschten intensiv; sie brauchten für das neue Gerät aber länger, als zunächst angenommen. Auch die Baugeschichte des speziell dafür errichteten Jenaer Planetariums war die eines Experimentalbaus und eines völlig neuen Typus von Gesellschaftsbau. Zeiss wollte technisch, konstruktiv und architektonisch einen Musterbau für die nationale und internationale Öffentlichkeit. Die Ausführungsentwürfe für das weltweit erste Großplanetarium lieferte hierfür das Architekturbüro Schreiter & Schlag.
Die Vergabe erfolgte ohne Ausschreibung, ein bei Zeiss ganz pragmatisches und absolut übliches Verfahren.
Ein Bauplatz für das Planetarium
Für den künftigen Standort – den Prinzessinnengarten – gab es eine klare Präferenz seitens Zeiss. Nördlich der Altstadt neben dem Botanischen Garten gelegen, gehört der Prinzessinnengarten zu den Gartendenkmalen der Stadt. 1784 erwarb der Theologe Johann Griesbach das Land, ließ sich dort ein Sommerhaus errichten und den ersten Landschaftsgarten nach „neuester Mode“ anlegen. Zahlreiche Gelehrte und Literaten wie Johann Wolfgang v. Goethe, Schiller und andere waren dort häufig zu Gast. Um 1819 erwarb es die Weimarer Großherzogin Anna Pawlowna, Anfang des 20. Jahrhunderts dann die Carl-Zeiss-Stiftung. Südöstlich des Schlösschens wollte Zeiss das Planetarium errichten und bat am 26. September 1924 um eine vorläufige Bauerlaubnis für den Beginn der Erd- und Fundamentierungsarbeiten zur Errichtung einer „Planetarium- Kuppel“.
Auf Grund der historischen Bedeutung des Prinzessinnengartens hatte jedoch die Thüringische Beratungsstelle für Heimatschutz und Denkmalpflege in Weimar (das damalige Landesdenkmalamt) gegen die Baupläne Einspruch bei der Stadt und der Carl-Zeiss-Stiftungsverwaltung erhoben. Alternative Bauplätze wurden vorgeschlagen, die allerdings verworfen wurden.
Der Bauplatz am Prinzessinnengarten schien am besten geeignet zu sein – jedoch wurden einige Bedingungen gegenüber Zeiss formuliert. Am 16. Oktober 1924 erfolgte die Baugenehmigung. Das war die Grundlage zur Errichtung des künftigen ersten Großplanetariums der Welt.
Die Bauausführung und die Eröffnung
Die eingereichte Baustatik von Dywidag formulierte zur Bauaufgabe in ihrer Einleitung: „Die Kuppel hat einen Durchmesser von 25 m und die Form einer Halbkugel, somit eine Oberfläche von [...] 981 qm. Das Eisenfachwerk wird mit einer 6 cm starken Betonschicht ausgefüllt und umkleidet. Um späterer Rißbildung im Beton infolge Temperaturschwankungen [...] vorzubeugen, ist über und unter dem eigentlichen Stabgerüst eine kreuzweise Armierung mit 5 mm Rundeisen mit einem Eisenabstand von 25 cm vorgesehen. Es treffen also auf 1 qm Oberfläche noch 16 m Rundeisen mit 16 x 0,154 = 2,46 kg. Hiervon wird dann erst das zum Torkretieren notwendige Drahtgeflecht befestigt. Gedeckt wird die Kuppel mit Ruberoid und zur Isolierung mit einem Belag von 3 cm starken Korkplatten...“.
Für die Kuppelkonstruktion nahm man ein Gewicht von 160,20 kg/m2 an, insgesamt also 157,140 t. Die Kuppel im Deutschen Museum München mit 10 m und die erste Jenaer Kuppel mit 16 m hatten die Konstrukteure bereits gelehrt, dass die Zuschauer den künstlichen Himmel in seiner „Unendlichkeit“ mit der Vergrößerung der Kuppel viel besser wahrnehmen konnten. Im Ergebnis wurden für das Jenaer Planetarium 25 m festgelegt, wohl abwägend, dass eine weitere Vergrößerung Projektionsschwierigkeiten und eine Verteuerung der Kuppelkonstruktion nach sich gezogen hätte.
Die Gründung des Planetariums erfolgte auf Streifenfundamenten. Außerdem sind weitere diverse Entwässerungs-, Heizungs- bzw. Lüftungskanäle im Erdreich betoniert worden. Interessant ist, dass auf den Plänen zur Entwässerung vom November 1924 bereits das zunächst ittig vorgesehene Betonfundamt für den Planetariumsapparat erster Bauart entfallen war! 20 Stahlbeton- Pendelstützen tragen den niedrig umlaufenden Ringanker für die Kuppelkonstruktion. Diese wurden wohl bis EndeNovember fertig gestellt. Die Außenwände dazwischen wurden später monolithisch ausgefacht. Auf dem Ringanker wurde das Netzwerk aus 7.992 Flachstählen (8 x 22 mm) unterschiedlicher Länge montiert. Bemerkenswert ist die Montageweise, die nämlich von unten nach oben erfolgte. Dafür diente ein innen aufgestelltes, radial drehbares Holzgerüst.
Etwa Mitte Dezember 1924 muss der komplette Kuppeltambour im Rohbau fertig, der Säulenportikus betoniert, dessen Dachkonstruktion in Arbeit und das Zeiss- Netzwerk komplett montiert gewesen sein. Bis zum 10. März 1925 gelang es Dywidag, bedingt wohl durch einen milden Winter und teils zweischichtige Arbeitszeit, die komplette Kuppelkonstruktion zu betonieren und den Rohbau der anderen Bauabschnitte weitgehend fertigzustellen. Zur Torkretierung der Kuppel bediente man sich unten der Schalung für das umlaufende Kolonnadendach, für die oberen Schichten eines an der Außenseite freitragenden Klettergerüsts. Auf der Kuppel ist eine filigrane Betonlaterne mit einem Durchmesser von 3,90 m (Lüftungsöffnung Ø ca.1,80 m) aufgesetzt. Innen ist ein Holzdeckel vorgesehen worden, der mittels elektrischer Spindel geöffnet bzw. geschlossen werden konnte.
Für die Dachdeckung der Kuppel ist folgender Schichtenaufbau zu rekonstruieren: dünnes Mörtelbett als Ausgleichsschicht, teergetränkte Korkplatten zur Wärmedämmung zwischen dünner Holzlattung, heiß verklebte Bitumendachbahnen und erst als Abschluss die von der Firma gelieferte grüne bituminöse Faseranstrichmasse. Es handelte sich dabei um einen mit grünem mineralischem Splitt gefüllten Öllack.
Da man bei der ersten Planetariumskuppel auf dem Fabrikdach die Betoninnenwände lediglich weiß gestrichen hatte, wusste man um die eher schlechten akusti schen Eigenschaften des Raums. Ende 1924 wandte sich daher Walter Bauersfeld an die Herren Prof. Michel und Precht von der TH Hannover, um deren Versuche zu Reflexions- und Absorptionseigenschaften von Baustoffen hinsichtlich der Anforderungen für die Planetariumskuppeln zu erweitern. Dywidag hatte zunächst eine 15 mm starke Gipsschicht an der Innenkuppel vorgeschlagen, wovon Michel dringend abriet. Nach diversen Materialprüfungen in Hannover und vor allem eigenen Überlegungen ließ Bauersfeld konzentrisch zur Außenkuppel innen eine zweite mit Ø 23,5 m aus Zeiss-Netzwerk auf Eisenkonsolen montieren. Dazwischen wurden 800 Eisenbleche von ca. 2 m2 Größe zur Schallstreuung unregelmäßig eingehängt und das innere Netzwerk mit Leinenbahnen verkleidet. Im Mai/Juni 1925 wurde diese Lösung endgültig von Bauersfeld entwickelt, die komplette Ausführung im Planetarium Jena erst bis Ende Februar 1926 realisiert. Zwei Dinge ließen sich außerdem sofort ableiten: Für künftige Planetariums-
Neubauten gab es nun die Möglichkeit, die innere Projektionskuppel relativ preiswert und separat von der Konstruktion und Architektur der äußeren baulichen Hülle herzustellen, und man konnte die grundlegenden schalltechnischen Erkenntnisse noch vor dem Bau weiterer Planetarien praktisch auswerten. Die ursprüngliche, nicht feste Bestuhlung mit Bugholzmöbeln war flexibel für 400 Zuschauer ausgelegt.
Das neue Projektionsplanetarium Modell II unterschied sich schon äußerlich sehr vom ersten. Nunmehr zwei imposante Bildwerfergeräte, in Trommeln und Kugeln angeordnet, waren drehbar auf ein fahrbares Gestell montiert. Es war so konstruiert, dass die tieferliegenden Bildwerfer hierdurch nicht abgeblendet worden sind. Durch die zweite Bildwerferkugel war es nunmehr möglich, auch den südlichen Fixsternhimmel darzustellen. Durch die waagerechte Drehbarkeit der Apparate konnte die geografische Breite beliebig veränderlich eingestellt werden und ermöglichte nun den Anblick des Himmels von jedem Standort auf der Erde. Im Gegensatz zum ersten Projektionsplanetarium mit seinen rund 80 Bildwerfern verfügte das neue über 119. Außerdem konnten sämtliche Funktionen von einem separaten Steuerpult angewählt werden. Das Gewicht des Geräts belief sich auf knapp 2 t. Es konnte auf im Fußboden eingelassenen Schienen bewegt werden. Obwohl die Rohbauarbeiten für das Jenaer Planetarium schon im Frühjahr 1925 weit gediehen waren u nd die äußere Hülle einschließlich der Außenanlagen bis zum Sommer fertiggestellt werden konnten, hatten die Entwicklung des neuen Planetariumsapparats und die schalltechnische Innenausstattung noch nahezu ein Jahr länger in Anspruch genommen.
Am 17. Juli 1926 war es soweit: Walter Bauersfeld hielt vor 600 geladenen Gästen den Festvortrag und die erste Vorführung. Und am nächsten Tag öffnete das Zeiss-Planetarium seine Pforten für die Öffentlichkeit.