Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) birgt erhebliche Risiken für Arbeitgeber, erfolglose Bewerber wegen (vermeintlicher) Diskriminierung entschädigen zu müssen. Das BAG hat durch Urteil vom 23.11.2017 – AZ: 8 AZR 604/16 – aufgezeigt, dass es Arbeitgebern durchaus gelingen kann, die gefährlichen juristischen Klippen sicher zu „umschiffen“.
Eine 53-Jährige deutscher Staatsangehörigkeit und russischer Herkunft ist nach einem erfolgreichen Studium an einem Institut für Gerätebau und Luftfahrt Inhaberin eines Diploms als Systemtechnik-Ingenieurin, welches als dem Studium der Fachrichtung Informatikan einer deutschen Fachhochschule gleichwertig anerkannt ist. Außerdem hat sie erfolgreich mehrere Programmierungskurse abgeschlossen. Diese Bewerberin hat sich auf die Stellenanzeige eines vor zehn Jahren gegründeten Handelsunternehmens beworben, dessen Schwerpunkt im internationalen elektronischen Wertpapierhandel mit selbst entwickelter Software liegt. Die Bewerbung erfolgte auf eine Stellenanzeige, in der das Unternehmen sich als „junges und dynamisches Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“ dargestellt und zur Weiterentwicklung „mehrere (erfahrene) Softwareentwickler (Java) (m/w)“ gesucht hat.
Weiterhin hat das Unternehmen sich dahingehend präsentiert, „agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“ zu entwickeln, wobei „in dynamischen Teams … die Aufgabenbereiche gewechselt werden (können), sodass keine Langeweile aufkommt.“ Verlangt werden neben einem guten Hochschulabschluss in einem einschlägigen Fach „mehrere Jahre Erfahrung in der professionellen Softwareentwicklung“ sowie die Bereitschaft, „in einem ungezwungenen und entscheidungsfreudigen Umfeld“ Ideen umzusetzen. Ausgeschrieben wurde eine „Vollzeitstelle mit flexiblen Arbeitszeiten“. Die Bewerberin wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt per Mail eine Absage. Die Bewerberin hat daraufhin, zunächst vorgerichtlich, schließlich im Klageweg einen Entschädigungsanspruch in Höhe von € 10.000,00 (drei geschätzte Bruttomonatsverdienste) geltend gemacht mit der Behauptung, bei der Bewerbung sowohlwegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert worden zu sein als auch im Zusammenspiel dieser Merkmale eine sog. intersektionelle Benachteiligung erfahren zu haben.
Die Rechtslage
§ 7 AGG dient dem Schutz von Beschäftigten vor Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Unterschiedliche Behandlungen sind nur in begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Als „Beschäftigte“ gelten auch Stellenbewerber. Dieses Benachteiligungsverbot erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern verlangt eine Kausalität zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem einschlägigen Diskriminierungsmerkmal.
Dabei enthält § 22 AGG für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen eine Erleichterung der Darlegungslast bis zur Umkehr der Beweislast dahingehend, dass eine Partei zunächst nur Indizien darlegen muss, die eine Benachteiligung wegen eines der Diskriminierungsmerkmale mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vermuten lassen. Die andere Partei muss dann beweisen, dass ein Verstoß gegen Diskriminierungsverbote nicht vorgelegen hat.
? 11 AGG bestimmt ausdrücklich, dass ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ausgeschrieben werden darf. Eine diskriminierende Stellenausschreibung kann deshalb die Vermutung begründen, dass eine Bewerbung wegen eines Diskriminierungsgrunds erfolglos war. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot schuldet der Arbeitgeber gem. § 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von max. drei Monatsgehältern bei einer Nichteinstellung, sofern die Bewerbung nicht auch bei benachteiligungsfreier Auswahl erfolglos geblieben wäre. Ein derartiger Anspruch muss gem. § 15 Abs. 4 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht und danach innerhalb einer weiteren Frist von drei Monaten ggf. eingeklagt werden (§ 61b Abs. 1 ArbGG).
Die Entscheidung des BAG
Die Klage war – wie in den Vorinstanzen – auch beim Bundesarbeitsgericht (BAG) erfolglos. Das BAG hat einen Entschädigungsanspruch aus allen von der Bewerberin geltend gemachten Aspekten verneint. Der Klammerzusatz „w/m“ in der Überschrift sowie im Text der Stellenanzeige hinter der Tätigkeitsbezeichnung mache hinreichend und abschließend deutlich, dass mit der Stellenausschreibung Frauen wie Männer gleichermaßen angesprochen werden sollten. Die Formulierung „Unternehmen mit 65 Mitarbeitern“ sei deshalb geschlechtsneutral zu verstehen. Auch die Ausschreibung der Stelle als „Vollzeitstelle“ stelle kein Indiz für eine Geschlechtsdiskriminierung dar und signalisiere nicht, an der Einstellung von Frauen nicht interessiert zu sein oder männliche Bewerber zu bevorzugen ungeachtet des Umstands, dass Frauen möglicherweise häufiger an einer Teilzeitstelle interessiert seien und häufiger in Teilzeit arbeiteten als Männer. Die Ausschreibung einer Vollzeitstelle erlaube keinen Rückschluss auf ein Präferenz des Arbeitgebers für männliche Bewerber.
Eine Diskriminierung wegen des Alters verneint das BAG, weil in der Stellenausschreibung nicht mit einem „jungen/dynamischen Team“ geworben werde, sondern das Unternehmen selbst sich als „jung“ darstelle, wobei das Alter von zehn Jahren auch in der IT-Branche generell als jung zu qualifizieren sei. Darüber hinaus sei die Bezeichnung als „dynamisches“ Unternehmen nur ein Hinweis darauf, beweglich und wandlungsfähig zu sein und entsprechend dem jeweiligen Entwicklungsstand der Technik und den jeweiligen Erfordernissen des Markts zu agieren. Insoweit werde mit der Formulierung „agil mit modernen Werkzeugen und Methoden“ auch lediglich – altersunabhängig – die Arbeitsweise in der Softwareentwicklung beschrieben und keine Präferenz für ein bestimmtes (junges) Alter zum Ausdruck gebracht. Auch der Hinweis auf „dynamische Teams“ begründe kein Indiz für eine altersspezifische Benachteiligung, da in der Stellenausschreibung ausdrücklich klargestellt werde, dass die Aufgabenbereiche gewechselt werden können. Damit sei ausschließlich die innere Dynamik des Teams angesprochen. Im Übrigen hat das BAG berücksichtigt, dass in der Stellenausschreibung ausdrücklich „erfahrene“ Softwareentwickler gesucht worden seien, mithin eher lebensältere Bewerber.
Schließlich verneint das BAG auch Anhaltspunkte für eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft. Aus der fraglichen Stellenausschreibung ergäbe sich hierfür keinerlei Indizien. Das BAG lehnt es dabei ausdrücklich ab, weitere Stellenausschreibungen der Beklagten zu berücksichtigen, in denen gute oder sogar sehr gute Deutschkenntnisse verlangt worden seien. Ein Zusammenhang dieser anderen Auswahlverfahren mit dem Streitfall sei nicht zu erkennen. Das BAG verneint schließlich auch eine sog. intersektionelle Benachteiligung bzw. Mehrfachdiskriminierung, da keines der einzelnen Diskriminierungsmerkmale hinreichend nachgewiesen sei.
Fazit
Die – im Ergebnis richtige – Entscheidung zeigt einmal mehr, auf welchem schmalen Grat sich Arbeitgeber bei der Abfassung von Stellenbeschreibungen bewegen. Immerhin hat der gleiche 8. Senat des BAG das Anforderungskriterium eines Hochschulabschlusses, der „nicht länger als ein Jahr zurückliegt oder innerhalb der nächsten Monate erfolgt“ ebenso als altersdiskriminierend angesehen wie die Formulierung, mit der eine Person gesucht wurde, die „gerade frisch gebacken aus einer kaufmännischen Ausbildung“ komme. Auch in den Begriffen „Berufsanfänger“ bzw. „mit erster Berufserfahrung“ sieht der 8. Senat Indizien für eine Altersdiskriminierung. Das Gleiche gilt für die Formulierung einer Stellenausschreibung für eine Tätigkeit „mit einem jungen dynamischen Team“. Dabei lehnt es das BAG ausdrücklich ab, die massenhafte Bewerbung auf diskriminierungsverdächtige Stellenausschreibungen als rechtsmissbräuchliches „Geschäftsmodell“ zu beanstanden, vielmehr bedarf es jeweils der Prüfung des individuellen Einzelfalls. Unter diesem Aspekt erlaubt sich der Verfasser den Pra istipp, Stellenausschreibungen vor ihrer Veröffentlichung durch einen rechtlichen Berater qualifiziert überprüfen zu lassen. Dies verursacht zwar Honorarkosten, immerhin würde dieser für seine Bewertung jedoch haften müssen, wenn diese sich im Nachhinein als fehlerhaft herausstellen sollte.