Ein schlagartiges Absacken einer Hauptverkehrsachse in Dortmund-Huckarde erforderte sofortige Sicherungsmaßnahmen. Die Straße brach auf einer Länge von ca. 20 m bis zu etwa vier Meter tief ein. Die Ursache war zunächst völlig unklar.
Im Dortmunder Stadtbezirk Huckarde, unmittelbar nördlich der Straßenkreuzung Emscherallee/Lindberghstraße, wurden am 04.10.2018 gravierende Verformungen in der östlichen Fahrspur der Emscherallee festgestellt. Die Straße musste daraufhin für den öffentlichen Verkehr gesperrt werden. Aus den anfänglichen Setzungen der Straßenoberfläche entwickelte sich innerhalb weniger Tage ein regelrechter Erdfall mit Sackungen von mehreren Metern. Der Krater hat sich im Verlauf des Sackungsprozesses etwa ab Mittelachse der Straße in Richtung Ostseite zu einer angrenzenden Freifläche entwickelt und wies eine Grundfläche von ca. 500 m² auf (siehe Abb. 1).
In der Straße „Emscherallee“ befand sich an der Erdfallstelle ein Schachtbauwerk mit Grundrissabmessungen von ca. 3,50 m x 3,50 m und einer Tiefe von 9,50 m unter Straßenniveau.
An dieses Schachtbauwerk war ein Kanal DN 1600 KR in ca. 9 m Tiefe angeschlossen, der von Westen in Richtung Osten die Emscherallee unterquert. Das Kanalsystem wurde im Jahr 1996 in Betrieb genommen.
Bei späteren Nachuntersuchungen stellte sich heraus, dass die östlich verlegte Kanalhaltung an dem Schachtbauwerk abgeschert war und sich – wie sich im Nachhinein herausstellte – um ca. 1,3 m gesetzt hat.
Geologische Besonderheiten
Die geologische Situation stellt sich wie folgt dar: In dem betrachteten Streckenabschnitt befinden sich ca. fünf Meter mächtige Anschüttungen, die von Schluffen und mittelkörnigen Sanden bis in Tiefen von 16 bis 17 m unterlagert werden. Unmittelbar über dem kreidezeitlichen Grundgebirge stehen durchlässige Kieshorizonte mit Mächtigkeiten von 3 m bis zu 4 m an. Die Basis der Lockergesteinsdecke bildet ab ca. 20 m Tiefe der Sandmergel der Oberkreide. Die Grundwasserspiegellinie schwankt im Allgemeinen zwischen 3 m und 4 m unter der Geländeoberfläche.
Die Schluffe weisen i. d. R. Durchlässigkeiten von kf = 1 x 10-7 m/s bis kf = 1 x 10-8 m/s auf, während die mittelkörnigen, schwach schluffigen Sande über Durchlässigkeiten in Größenordnungen von kf = 5 x 10-5 m/s bis kf = 1 x 10-5 m/s verfügen. Die Kiesschichten sind als sehr durchlässig zu bezeichnen und weisen Durchlässigkeitskoeffizienten von kf = 5 x 10-4 m/s bis kf = 1 x 10-4 m/s auf.
Unter Grundwassereinfluss sind die Sande aufgrund ihrer enggestuften Korngrößenverteilung als stark fließgefährdet einzustufen.
Eindeutige Ursache für
Primärsetzung nicht nachweisbar
Auslöser für den entstandenen Schaden muss eine Spaltöffnung im Anschlussbereich von Kanalleitung und Schachtbauwerk gewesen sein. Durch den hydrostatischen Wasserdruck auf den Kanal wurde infolge der entstandenen Spaltöffnung am Kanalschacht – zunächst verursacht durch eine geringe Setzung der Kanalleitung – ein Strömungsdruck und ein Abtransport von Bodenpartikeln in den Kanal induziert. In der Folge entstanden ein massiver Bodenabfluss und ein tiefgreifender Bruch der Straßenoberfläche.
Eine eindeutige Ursache für die Primärsetzung des Kanals – das Entstehen einer anfangs kleinen Spaltöffnung – konnte nicht nachgewiesen werden. Die nach dem Freilegen angetroffene außergewöhnlich große Setzung von 1,3 m lässt sich durch das Entstehen eines hydrodynamischen Prozesses erklären.
Der anfangs geringe Wasserabfluss entwickelte sich mit größer werdender Spaltöffnung zu einer turbulenten Strömung, sodass die Rohrleitung unterspült wurde und sich auf diese Weise in den sandigen Untergrund „eingrub“.
Sicherung des beschädigten Kanals
Unmittelbar nach Eintreten des Schadens wurde zur Verhinderung eines weiteren Bodenabtransports als Sofortmaßnahme damit begonnen, hydraulisch abbindendes Füllgut im Bereich der Schadensstelle über Verpresslanzen zu injizieren und den Kanal kraftschlüssig zu verdämmen. In Abstimmung mit der Stadt Dortmund, Stadtentwässerung, wurde zur Umsetzung des Vorhabens eine rasche Abschottung des beschädigten Kanals durch Abmauern der umliegenden Schachtbauwerke eingeleitet und durchgeführt.
Insgesamt führten die Beteiligten im Bearbeitungszeitraum der Erststabilisierung im Zentrum des Schadens 30 Vollkronenbohrungen mit rd. 410 Bohrmetern aus. Nachfolgend wurden die Bohrungen mit Mehrfachpacker-Manschettenrohren für die Ausführung von Sicherungsarbeiten ausgebaut und für nachfolgende Verpressarbeiten genutzt.
Für die Stabilisierung der umliegenden Bodenpartien waren zusätzliche Bohrungen für das Einbringen von Kunststoffventilrohren erforderlich. Insgesamt wurden noch 23 Sicherungsbohrungen (VP = Verpressbohrungen) mit 320 Bohrmetern schräg in den Erdfall abgeteuft.
Damit sind bis zum Abschluss der Injektionsarbeiten rd. 57,47 m³ (48,85 t) Baustoff in den Bereich der Schadensstelle (Erdfall) injiziert worden. Hierbei erfolgte die Injektion überwiegend in einem Tiefenniveau von 7 m bis 11 m unter Geländeoberkante (GOK). Die Injektionsarbeiten wurden nach mehrfachem Baustoffaustritt, der sich lokal an der Geländeoberfläche eingestellt hat, abgeschlossen.
Nach Beendigung der ca. 14-tägigen Sicherungsmaßnahme konnte eine Stabilisierung der umliegenden Bodenzonen erreicht und ein Setzungsstillstand realisiert werden.
Erschwerter Baugrubenverbau
durch Restbestände
Zur Erneuerung des Schachtbauwerks mit den Anschlussleitungen musste zunächst ein Verbausystem konzipiert werden. Für die Sanierung des Erdfalls sowie der Kanalschächte und Kanalleitungen wurde eine Kombination aus einer zentral angeordneten kreisrunden Bohrpfahlwand sowie angrenzend aus zwei doppelt ausgesteiften Bohrpfahlwandbaugruben gewählt.
Vor dem Hintergrund eines nahegelegenen Zechengeländes musste während der Arbeiten auf eine dauerhafte Grundwasserabsenkung verzichtet werden. Es bestand grundsätzlich die Gefahr, durch den großräumigen Absenktrichter kontaminiertes Grundwasser aus dem Einflussbereich des Zechengeländes zu fördern und eine Grundwasserreinigungsanlage einsetzen zu müssen. Aus diesem Grund wurde eine Düsenstrahlinjektionssohle als Dichtungsschicht unter der Baugrubensohle ausgeführt, sodass eine langandauernde Grundwasserabsenkung unterbleiben konnte. Die im Düsenstrahlverfahren hergestellten Dichtwände waren zur Schließung der „Fensteröffnungen“ unterhalb der vorhandenen Kanäle erforderlich.
Für die Bohrpfahlwände wurden Pfahldurchmesser von 0,90 m gewählt. Die bewehrten und unbewehrten Bohrpfähle weisen Längen von 18,00 m auf. Für die zweilagige Aussteifung (Gurtung und Steifen) wurden HEM-300-Stahl-Profile eingesetzt.
Die im Düsenstrahlverfahren hergestellten Dichtsohlen und die Dichtwände weisen Durchlässigkeitskoeffizienten von kf ≤ 1,0 x 10-8 m/s auf. Somit wurde die Grundwasserzuflussrate nahezu vollständig reduziert, sodass die Restwassermengen mittels einer offenen Wasserhaltung abgepumpt werden konnten. Die Dichtsohlen besitzen eine Mächtigkeit von 2,00 m und befinden sich in einer Tiefenzone zwischen 16,00 m und 18,00 m. Die große Tiefenlage resultiert aus dem Nachweis zur Verhinderung eines hydraulischen Grundbruchs.
Zum besseren Verständnis über die Ausführung der Baugrubenumschließung dient Abbildung 2.
Die Herstellung des Pfahlwandverbaus war durch erhebliche Erschwernisse in Form von Restbeständen ehemaliger Spundwandverbauten geprägt, die durchbohrt werden mussten.
Die Baugrube konnte in trockenem Zustand ausgehoben und das neue Schachtbauwerk installiert und sicher gegründet werden. In den seitlich angrenzenden Baugruben konnten die bestehenden Kanalleitungen neu angeschlossen werden.