Gemeinsam die Zukunft planen und gestalten

Strategiearbeit als Teamaufgabe

Deutsches Ingenieurblatt 9/2019
Management

Als mittelständisches Ingenieurbüro mit dem Anspruch, deutschlandweit seine Leistungen anbieten zu können, hat sich die Konstruktionsgruppe Bauen AG aus Kempten (Allgäu) intensiv mit dem Thema Strategie und Change-Management beschäftigt. Mit Unterstützung einer Unternehmensberatung wurde mit dem notwendigen „Handwerkszeug“ ein Veränderungsprozess in Gang gesetzt, der neben klassischer Strategiearbeit auch die Themen „Leitbild“ und „Unternehmenskultur“ mit neuem Leben erfüllt. Ein Erfahrungsbericht.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Unternehmen deutlich verändert: Das Auftragsvolumen stieg aufgrund der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Bedürfnisse und einer hohen Kundenzufriedenheit in den Bereichen Hoch- und Ingenieurbau aufgeteilt in sieben Geschäftsbereichen deutlich an. Dies führte in der Konsequenz zu einem zunehmenden Personalbedarf. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und die Effizienz auszubauen, wuchs das Unternehmen, das 2015 sein 40-jähriges Bestehen feierte, in den vergangenen Jahren stark. Die stetige Digitalisierung, etwa durch die Einführung eines neuen CRM-Systems und die Implementierung von BIM in die gesamten Prozessstrukturen, beanspruchte viele Kapazitäten über längere Zeiträume sehr stark.

Gelingendes Wachstum braucht veränderte Management-Prozesse
Dieses personelle, digitale und auch administrative Wachstum hinterließ Spuren. Die Auswertung einer ausführlichen Mitarbeiterbefragung im Jahr 2016 zeigte, dass sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren und grundsätzlich hinter den getroffenen Entscheidungen und Veränderungen stehen. Alle Bemühungen um ein gutes und konstruktives Betriebsklima, etwa durch gemeinsame Aktivitäten, Veranstaltungen oder den Firmen-Sportverein, stießen auf gute Resonanz. Dennoch kamen auch kritische Äußerungen zum Vorschein, die der Führungsebene zeigten, dass eine „gesunde“ Weiterentwicklung nur gelingen wird, wenn auch die Mitarbeiter stärker in die Denkstrukturen und Strategieüberlegungen einbezogen und noch stärker als in der Vergangenheit „mitgenommen“ werden.

In Absprache mit dem Aufsichtsrat wurde die Entscheidung getroffen, die mittel- und längerfristigen Strategien nicht mehr rein „vorstands-/aufsichtsratsgesteuert“ zu erarbeiten, sondern den Strategie-Entwicklungsprozess mit einem genauer definierten Zukunftsbild im Team, mit den Bereichs- und Teamleitern, mit administrativen Führungskräften und mit unterschiedlichen Denkansätzen auf eine breitere Basis zu stellen. Darüber hinaus sollten innerhalb dieses neuen Prozesses aus jeder Mitarbeiterebene Anregungen, Impulse und klar formulierte Meinungen aufgenommen und weiterentwickelt werden. Zusätzlich zu diesen Überlegungen bezüglich der klassischen Strategiearbeit sollten der Bereich der Kommunikation nach innen zu allen Mitarbeitern neu organisiert und die Beziehungen zu den Auftraggebern und Geschäftspartnern noch intensiver gepflegt werden. Daraus ergab sich das zweite Ziel: ein klar definiertes Leitbild mit Leitsätzen, die von allen Mitarbeitern mitentwickelt und mitgetragen werden, zu erarbeiten. Leitsätze, die verbindlich gültig sind und die das Fundament eines gelingenden Miteinanders sowie einer gemeinsamen Identität darstellen und die Unternehmenskultur repräsentieren.

Beratungskompetenz suchen und nutzen
Allen Beteiligten war klar, dass solch ein gravierender Change-Management- bzw. Strategieprozess nicht alleine zu stemmen ist. Auf der Suche nach einem „Ingenieure-Versteher“, der die Denkweise, den zielgerichteten Arbeitsstil und die ganz speziellen Bedürfnisse und Eigenheiten berücksichtigte, wurde mit „Kunigham Beratung & Training“ aus Wangen im Allgäu der für das Unternehmen perfekten Begleiter gefunden. Mit der Unterstützung dieser Beratungsgesellschaft, deren Geschäftsführer selbst Ingenieur ist, begann im Januar 2017 die Erarbeitung eines klassischen Strategiekonzepts. Daraus haben sich konkrete Maßnahmen mit einer zeitlich definierten (und auf ihre Durchführung überprüften) Roadmap angeschlossen. Insgesamt haben sich die Ingenieure der Konstruktionsgruppe Bauen AG über 12 Monate und 25 Beratertage in Form von Briefings, Meetings und Workshops beraten und begleiten lassen. Der gemeinsame Change-Prozess begann mit der Festlegung der Projektziele, die die drei Schwerpunkte Unternehmensziele/Märkte/ Produkte/Werte, Firmenorganisation sowie Inhaber-/Nachfolgeregelung umfassten. Das Thema Werte und Leitbild wurde als ergänzendes Projektziel definiert.

Wer sind wir? Die Identität klären
Mit den Fragen nach dem „Wer sind wir?/Wo kommen wir her?/Was hat uns zu dem gemacht, was wir sind?“ wurden die Entwicklung, das Geschäftsmodell und die Unternehmensstruktur über die vergangenen Jahrzehnte reflektiert und dokumentiert. Daraus konnten wichtige Erkenntnisse gezogen werden, die den Beteiligten die Stärken und auch die Merkmale ihrer Unverwechselbarkeit am Markt erkennen ließen. Welche Haltungen und Einstellungen prägen das Unternehmen und haben es geprägt? Durch diesen Benchmark wurde natürlich auch deutlich, in welchen Bereichen Nachholbedarf besteht.

Wo wollen wir in Zukunft stehen?
Ziele definieren

Die eigentliche Strategiearbeit begann dann mit den Kernfragen: Wo wollen wir hin – welche Ziele und welchen Veränderungsbedarf haben wir in der Zukunft? Wie werden wir zu einem wahrnehmbaren und unverwechselbaren Ingenieurbüro, das sich durch seine Leistungsfähigkeit, seine vielschichtigen Kompetenzen, vor allem aber durch eine transparente, menschliche und spürbare Unternehmenskultur auszeichnet und sich dadurch von anderen Büros unterscheidet? In welchen Geschäftsbereichen wollen wir welche Ziele erreichen? Welche Märkte wollen wir ansprechen? Welche Inhalte bzw. (neue) Leistungen bieten wir? Wohin führt uns unsere unternehmerische „Reise“ in jedem einzelnen Bereich in drei, fünf und in zehn Jahren? Diese Fragen stellen sich nun nicht mehr nur die Vorstände. Die strategische Ausrichtung basiert mit Beginn des Change-Management-Prozesses auf einem gemeinsamen Verständnis aller Führungsund Leitungsebenen und unter ganz gezielter Einbeziehung aller nachfolgenden Verantwortungsstufen. Die Antwort darauf lautete: „Wir wollen ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen sein, in dem es Freude macht zu arbeiten. In dem sich jeder einzelne mit seiner Arbeit und der Gemeinschaft identifiziert und gleichzeitig die eigene Persönlichkeit geschätzt, die individuelle Kompetenz gesehen und die Weiterentwicklung gefördert wird. Gleichzeitig soll es auch möglich sein, eine klare Grenze zwischen Arbeit und Privatleben zu ziehen. 

Darüber hinaus wollen wir die Konstruktionsgruppe Bauen AG als „unverwechselbare Marke“ positionieren, um Aufträge und die notwendigen Umsätze zu generieren und auch durch ein konsequentes Employer Branding neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen und diese langfristig an das Unternehmen, das sich durch eine offene, wertschätzende und respektvolle Unternehmenskultur definiert, zu binden.“

Was müssen wir leisten? Konkrete Maßnahmen definieren, umsetzen, kontrollieren
Im dritten Schritt der Strategiekonzeption beschäftigten sich die Beteiligten mit der Frage: „Was müssen wir konkret tun, um unsere im Schritt zwei festgelegten Ziele zu erreichen?“ Für jeden einzelnen Geschäftsbereich und auch für die administrativen Abteilungen wurden kurz-, mittel- und langfristige Schritte, Maßnahmen und Aufgabenstellungen erarbeitet, für deren Umsetzung dann konkrete Zeitpläne und auch die entsprechenden Überprüfungs- und Kontrollmechanismen in einer sog. Roadmap hinterlegt wurden. An dieser Arbeit waren neben dem Berater, der hier eine moderierende Aufgabe übernahm, die Vorstände, die jeweiligen Bereichs- und Teamleiter und auch einzelne Mitarbeiter aus den jeweiligen Geschäftsbereichen beteiligt. Wichtig bei diesem Schritt sind immer die Durchführbarkeit, Kosten-Nutzen-Aspekte und die Überprüfung, ob die Maßnahme auch tatsächlich zum gewünschten Ergebnis bzw. zur geplanten Veränderung führen kann. In der Regel übernimmt der Bereichsleiter die Verantwortung für die Nachverfolgung und Ko trolle der Umsetzung. Hier ist es deshalb wichtig, das gesamte Team eines Bereichs in Form einer offenen und konstruktiven Kommunikation in die geplanten Maßnahmen mit einzubeziehen und somit die Akzeptanz und die grundsätzlich positive Einstellung zu den Veränderungen zu schaffen – und gegebenenfalls auch entsprechenden Diskussionsbedarf zuzulassen.

Veränderungen, die spürbar sind
Das Unternehmen befindet sich jetzt im zweiten Jahr dieser „Maßnahmen-Phase“ und es lässt sich feststellen, dass viele der eingeleiteten Maßnahmen bereits erfolgreich umgesetzt wurden. Dieser Change-Management- Prozess ist in seiner Dynamik für alle – vom Auszubildenden bis zum Vorstand – spürbar. Die bisher erzielten Veränderungen nehmen alle als überwiegend positiv und nachhaltig wirkend auf. Das ist die Motivation, um an diesem Prozess festzuhalten und ihn weiter voranzutreiben. Alle Beteiligten sind über zeugt, auf dem richtigen Weg zu sein, um ein gemeinsames und von allen Mitarbeitern mitgetragenes Verständnis für die Aufgaben der Zukunft zu implementieren. Unternehmenskultur auf dem Prüfstand. Leitsätze definieren Wie eingangs erwähnt, sollte neben der Optimierung des operativen Geschäfts auch die Unternehmenskultur auf den Prüfstand gestellt werden. Gemeinsam mit allen Mitarbeitern setzten sich die Verantwortlichen in größeren und kleineren Gruppen aktiv mit den Werten, die für das Unternehmen wichtig  sind, auseinander. In einem im Winter 2018 durchgeführten Wochenend-Workshop, zu dem alle Mitarbeiter eingeladen waren, wurde im gemeinsamen Diskurs festgelegt, welche Werte in Zukunft handlungsleitend für das ganze Unternehmen sein sollen. Im firmeninternen Austausch sind sie aktuell dabei, die gemeinsame Identität weiterzuentwickeln, in der die vorhandenen Arbeits- und Lebenskulturen auf ein gemeinsames Ziel hin ausgerichtet werden.

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