Historische Verbindungen als Mittel der Wahl

Neues Domizil für einen Bauhof

Deutsches Ingenieurblatt 9/2021
Plazamedia GmbH
Baustoff Holz
Objekte

Immer häufiger interessieren sich Städte und Gemeinden für die Holzbauweise – beispielhaft hierfür steht der im Jahr 2017 eröffnete Bauhof Sengenthal im oberpfälzischen Landkreis Neumarkt. Als eine Vergrößerung und Modernisierung des alten Bauhofs nötig wurde, entschied sich die Gemeinde Sengenthal daher für einen modernen und nachhaltigen Neubau – für den sie mittlerweile viel Aufmerksamkeit bekommt.

So entstand 2017 ein ebenerdiges Gebäude, dessen abgestuftes Dach eine offene Lagerbühne sowie die durch Trennwände unterteilten Nutzräume beherbergt. Im Verwaltungsbereich wurden die Büros und Sozialräume der Mitarbeiter untergebracht. Für die betrieblichen Relevanzen entstanden im weiteren Gebäudetrakt eine Fahrzeughalle für Spezialfahrzeuge, Werkstätten, ein Technikraum und Magazine sowie das überdachte Lager, das gleichzeitig zur direkten Durchfahrt dient. Im hinteren Gebäudebereich wurde zusätzlich ein Streusalzdepot erstellt.

 

Die Dachkonstruktion ist ein schlankes Rippentragwerk, das mit einer darunter montierten Mehrschichtplatte verbunden ist. Durch das sich zum Hang hin erhöhende Dach passt sich der Komplex in seiner Form optimal in die umliegende Umgebung ein. Diese spannende Optik entspringt den Plänen von Architekt Michael Kühnlein jun. aus Berching in Zusammenarbeit mit Dr. Thomas Gollwitzer von Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Ingenieure mbB aus München.

Das überspannende Dach des Bauhofs hat eine Tragweite von insgesamt 25 Metern. Das Tragsystem aus Holzrippen wurde im Verbund mit Furnierschichtplatten entwickelt, was die statische Trägerhöhe im Vergleich zu konventionellen Brettschichtholzbindern erheblich reduziert. Auf diese Weise entstand eine durchgängig wirtschaftliche Konstruktion. Bis auf die integrierte Waschhalle wurde der gesamte Bauhof Sengenthal in massiver Holzbauweise errichtet.

Sinnvolle Umplanung ohne Mehrkosten
Während der Bauzeit gab es mehrere Herausforderungen zu bewältigen. Erst im Zuge der Aushubarbeiten war man auf nicht tragenden Untergrund – sogenannte Bodenlinsen – gestoßen. Durch diese nicht vorhersehbaren Bodenverhältnisse musste der Bauhof Sengerthal kurzfristig entgegen der Pläne umgestaltet werden.

Eigentlich hätte wegen des ungesicherten Untergrunds der im östlichen Bereich befindliche Hang zu einem Bahndamm hin stark erhöht werden müssen. Um die Erhöhung der Böschung auf maximal zwei Meter zu reduzieren, wurden einige Anlagenteile entsprechend umkonzipiert.

Der ursprünglich östlich der Salzhalle geplante Lagerplatz wurde an die Nordseite des Bauhofs verlegt. Zudem wurde die Durchfahrt von Bauhof und Salzhalle von zehn auf sieben Meter verringert. Gleichzeitig wurden die Säulen der Fahrzeughalle schmaler, aber dafür tiefer gestaltet und das gesamte Bauwerk ein Stück weiter in Richtung der alten Bundesstraße 299 verschoben. Das Resultat ist, dass der länglich gestaltete Bauhof nun ganze zwölf Meter aus dem Hang heraustritt.

Die zusätzlichen Kosten, die der nicht geplante Bodenaushub ausmachte, konnten durch die überlegte Umplanung vollständig ausgeglichen werden. Da die Salzhalle nun auf gleicher Höhe mit dem Hauptbau liegt, konnte die ursprünglich eingeplante Stützmauer hin zur Salzhalle entfallen, wodurch am Ende weniger Erde bewegt werden musste. Auf diese Weise blieb es bei den geplanten Gesamtbaukosten.

Tragwerk und Gestaltung clever verbunden
Entwurfsgrundgedanke und Herausforderung für die Tragwerksplanung war eine Fahrzeughalle mit 20 Metern Spannweite und weitem Vordach, die stützenfrei als Flachdecke und ohne Unterzüge mit raumhohen Toren entstehen sollte.

Keine kleine Aufgabe für die beteiligten Experten. In enger Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten von Kühnlein Architektur entwickelten die beauftragten beratenden Ingenieure Dr. Gollwitzer – Dr. Linse schließlich die heutige wirtschaftlich, optisch und technisch überzeugende Tragwerkslösung.

Erster Tragwerksentwurf war ein „verleimter Hohlkasten mit Furnierplatten oben und unten“, berichtet Projektleiter Dr. Thomas Gollwitzer. „In einer Dachsituation ist aber eine diffusionsdichte Furnierplatte auf der Außenseite wegen der behinderten Austrocknungsmöglichkeit bauphysikalisch problematisch.“

Die Lösung war schließlich ein „aufgeschnittener Hohlkasten“ mit nur einer Furnierplatte auf der Innenseite. Auf eine 3,3 cm starke Holz-Furnierplatte wurden oberseitig Rippen im starren Verbund mittels Schraubpressverleimung in der Zimmereiwerkstatt aufgeleimt.

Die Rippen sind dem Momentenverlauf folgend gevoutet von 28 cm am Rand bis auf 70 cm in Feldmitte und stellen so gleichzeitig das Gefälle von 4% für die Dachentwässerung her. Der Zwischenraum ist teilgedämmt und sonst großzügig hinterlüftet.

„Bei der Dimensionierung von Holztragwerken in derart großen Spannweiten ist nicht die Standsicherheit das maßgebende Kriterium, sondern die Verformungsgrenzwerte von L/200 nach erfolgter Kriechverformung“, so Gollwitzer.

Das zusätzlich mit Gehwegplatten beschwerte und von ursprünglich 4 Meter auf 5 Meter erweiterte Vordach ermöglichte eine ungewöhnlich schlanke Ausbildung des Dachs. Das hierbei erzeugte Stützmoment reduziert die Verformungen auf ein zulässiges, gebrauchstaugliches Niveau.

Die raumhohen Tore ohne störende Stürze ließen sich durch einen Überzug realisieren, der teilweise doppelt angeordnet im Querschnitt 24/60 in Gl28 c als Durchlaufsystem trägt. Die Auflagerkräfte werden über 16 mm starke Holzbaugewindestangen in den Überzug hochgehängt. Üblicherweise werden im Gewerbebau die Stützen zwischen den Toren mit Anprallpoldern geschützt. Hier konnte die geforderte Anpralllast durch die massiven 32 x 80 cm starken 8-lagigen Brettsperrholzstützen statisch nachgewiesen werden. Konstruktiv entscheidend war hierbei aber die Lasteinleitung in den Betonsockel, der durch einbetonierte „Stahlschuhe“ gelöst wurde.

Eine 30 cm dicke – nur kunststofffaserarmierte, sonst unbewehrte – Betonplatte wurde als Hallenboden eingebaut.

Salzlagerhalle in widerstandsfähiger Konstruktion
Für eine Salzlagerhalle muss eine angemessene und widerstandsfähige Konstruktion geplant werden. Das klingt einfach – ist es aber nicht. Die hauptsächliche Herausforderung von Salzlagerhallen ist die hohe Aggressivität des Salzes. Holz ist der einzige Werkstoff, der dieser besonderen Atmosphäre gewachsen ist.

Das Tragwerk der Halle mit innerer Hülle, Wänden und Dach besteht nun aus vorelementierten Rippenelementen von 2,5 Metern Länge. Diese sogenannten Furnierschichtplatten mit drei werkseitig aufgeleimten Stegen wurden sowohl für die Wände als auch für das Flachdach der Halle gefertigt. Für das Salz selbst wurde ein trogartiger Baukörper mit 25 Grad geneigten Innenwänden aus Kiefer-Brettsperrholzplatten in das Innere der Salzlagerhalle eingebaut.

Historische Verbindungsmittel als erste Wahl
„Im klassischen Ingenieurholzbau nutzen wir eigentlich – im Gegensatz zum üblichen zimmermannsmäßigen Holzbau – die Verwendung von metallischen Dübeln und Blechen. Das war hier jedoch nicht zielführend“, erklärt Gollwitzer weitere Herausforderungen.

Beim Bau der Salzlagerhalle griffen die Experten auf historische Verbindungmittel wie Eichendübel, Eichenholznägel und Holzzapfenverbindungen in Verbindung mit moderner Schraubpressverleimung zurück. Der Einbau der achteckigen Holzdübel erfolgte händisch mit dem Vorschlaghammer.

Die für die Ableitung des hohen horizontalen Salzdrucks entscheidenden Dreiecksschotte aus Furnierschichtholz (FSH) im Trogbereich wurden über die Wandstege gesteckt und seitlich mit Eichenholznägeln verdübelt.

Der Knotenbereich Wand/Dach ist ebenfalls gelenkig mit Zapfung und Eiche-Dübeln ausgeführt. Einzig die Verbindungen zum Beton sind aus Edelstahl. Diese sind jedoch sowohl im Beton als auch im Holzquerschnitt zusätzlich durch Quellmörtel geschützt.

Fassadenverkleidung aus Lärche
Die Außenhaut des Bauhofs in Sengenthal wurde mit Lärche-Kanthölzern von 8 x 8 cm beplankt. Durch diese Fassadenverkleidung aus kräftigen, unbehandelten Lärchenhölzern ergibt sich ein angemessenes Erscheinungsbild in der Landschaft.

Die tragende Wandkonstruktion besteht aus 12 cm starken 5-lagigen Massivholzelementen der heimischen Fichte, die im weiten Teilen des Gebäudes komplett sichtbar bleiben.

Die mögliche Vorfertigung der Holzkonstruktion erlaubte eine rasche und witterungsunabhängige Montage. Bei der in weiten Teilen sichtbaren Rohbaukonstruktion aus Betonwänden und Decken aus Brettsperrholz wurde auch im Inneren ein Schwerpunkt auf Ästhetik gelegt. Die großflächigen Verglasungen der Fahrzeughalle tragen durch viel Lichteinfall ebenfalls zum Wohlbefinden der Bauhofmitarbeiter bei.

Um eine große Menge an Kunststoffen zu vermeiden, wurden für die Dämmung unter der Bodenplatte Glasschaumschotter und für die Wände und Decken Holzfaserdämmung gewählt. Dadurch sowie durch die Holzbauteile selbst, die als CO2-Speicher dienen, konnte eine temperierte Fahrzeughalle entstehen.

25 Meter Spannweite fürs Satteldach
Das beteiligte Holzsystembau-Unternehmen war in der Lage, Tragwerkskonstruktionen für große Spannweiten herzustellen. So entstehen – wie im Bauhof Sengenthal – wirtschaftliche Hallen, die vielfach ohne Stützen und Pfeiler auskommen. Dabei spielen neben den energetischen Vorzügen auch die Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit eine Rolle. Beim Bauhof Sengenthal erhielt die Konstruktion des leichten Satteldachs mit seiner Tragwerksspannweite von 25 Metern eine Hinterlüftungsebene. Die Zimmerer fertigten insgesamt 23 Elemente aus Brettschichtholzträgern und Furnierschichtholzplatten und fügten sie mit einer Schraubpressverleimung zusammen. Die Höhe der Trägerelemente kommt auf 30 bis 70 cm. Eingedeckt wurde die Dachkonstruktion mit einer verschweißten Flachdachfolie. So ist die große Dachfläche bestens vorbereitet, um in Zukunft mit Photovoltaikmodulen zur regenerativen Stromgewinnung bestückt zu werden.

In der Produktion des Holzsystembauers vorgefertigt wurden auch die Rippenelemente aus Furnierschichtplatten (Kerto-Q) für die Salzhalle. Sie dienen mit den zwei in Schraubpressverleimung verbundenen Randstegen als Grundelemente des Tragwerks aus Wänden, innerer Hülle und dem Dach.

Die Untersicht der fertigen sichtbaren Deckenkonstruktion wurde umfassend mit Energie einsparender LED-Beleuchtung im Innen- und im Außenbereich ausgestattet. Aber auch sonst ist man langfristig energetisch gut aufgestellt.

Für Wärme im Innenraum sorgt eine Fußbodenheizung – die durch eine Luft-Wärmepumpe betrieben wird. Der sommerlichen Überhitzung des Gebäudes beugt das fünf Meter auskragende Vordach vor.

Die große Fahrzeughalle wurde mit Sektionaltoren ausgestattet. Diese doppelwandigen Tore sind im Hinblick auf die Wärmedämmung keine Schwachstelle mehr – im Gegenteil: Sie bieten erhebliche Vorteile durch ihre Robustheit, den Einbruchschutz und die guten Dämmwerte. Hinzu kommt die natürliche Belichtung. Zusätzlich hat man mit einer Zisterne die Regenwassernutzung für die Waschhalle, Reinigung der Fahrzeuge und Geräte gesichert.

Die Energieeinsparverordnung – der Energiestandard nach EnEV 2016 – wurde bei diesem Projekt erfüllt. Dennoch wurde für das Flachdach die Aufrüstung einer PV-Anlage geplant.

Daten und Fakten

Standort: 92369 Sengenthal, Neumarkt, Alte Bundesstraße 1
Bauherr: Gemeinde Sengenthal
Architektur: Kühnlein Architektur, Michael Kühnlein jun., Michael Kühnlein sen.; www.kuehnlein-architektur.de
Tragwerksplanung: Dr. Gollwitzer - Dr. Linse Beratende Ingenieure mbB; www.drgollwitzer-ing.de
Holzbau: Hecker Holzsystembau GmbH; www.hecker-hsb.de
Fertigstellung: April 2018
Bauweise: Holzmassivbauweise
Bruttogrundfläche (BGF) in m2: 5316
Nutzfläche in m2: 1435
Kosten: 4,2 Millionen für Gebäude und Außenanlagen, ohne Fremdmittel finanziert.
Grundstück: 15 000 Quadratmeter am 23. Januar von der Fa. Heidelberger Zement erworben.
Bauart: Massive Holzbauweise mit positiver Ökobilanz, einheimische Fichte und Lärche. Beheizt wird das Gebäude über eine Luftwärmepumpe.
Bauherr: Gemeinde Sengenthal (Landkreis Neumarkt i.d.Opf.), 1. Bgm. Werner Brandenburger

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