„The war for talents“ klingt etwas martialisch, ist in der Baubranche aber schon länger ein gängiger Begriff, um die verzweifelte Suche nach qualifizierten Mitarbeitern zu beschreiben. Egal, ob Ingenieurbüro, Verwaltung oder Bauindustrie – wer gut ausgebildetes, motiviertes Personal gefunden hat, darf sich glücklich schätzen. Und sollte ihm etwas bieten, um es langfristig halten und zu Leistungsträgern aufbauen zu können.
Gerade junge Berufseinsteiger wollen heute ein selbstbestimmtes Arbeitsumfeld – und das in schnellen, agilen, innovativen und weniger förmlichen Unternehmen. Wer das nicht bieten kann, wird es schwer haben bei der Mitarbeitersuche am Arbeitsmarkt. Worte und Vorhaben zur Zukunftsfähigkeit des eigenen Büros alleine reichen da nicht aus. Den Absichtsbekundungen müssen Taten folgen. Gerade in Zeiten voller Auftragsbücher ist es allerdings nicht leicht, sich dieser Herausforderung auch noch anzunehmen. Ein wirksames Instrument, um junge Talente zu motivieren, zu fördern und zu binden, hat die Bayerische Ingenieurekammer-Bau mit ihrem Traineeprogramm entwickelt.
Das Traineeprogramm richtet sich an Ingenieurinnen und Ingenieure, die die ersten Berufsjahre hinter sich haben und bereits Praxiserfahrung sammeln konnten. Die bundesweit bislang einzige derartige Weiterbildung macht die Jungingenieure fit für alle anspruchsvollen Herausforderungen des Berufsalltags. Entscheidend für den Lernerfolg ist auch die Begrenzung der Teilnehmerzahl auf 20 Personen, sodass sich jederTeilnehmer intensiv einbringen kann. Durch die kleine Gruppengröße können die Referenten ihre Inhalte speziell auf die Teilnehmer und ihre Fachbereiche ausrichten.
Konsequent praxisorientiert Das Traineeprogramm beinhaltet 21 Präsenztage nd ein Online-Training über eine Gesamtdauer von neun Monaten. Der Fortbildungserfolg der Trainees wird für den Arbeitgeber durch Leistungsnachweise über Projekt- und Gruppenaufgaben ersichtlich – und vor allem natürlich durch eine stetig steigende Fachkompetenz und persönliche Sicherheit im konkreten Arbeitsalltag.
Konsequent praxisorientiert gliedert sich die berufsbegleitende Weiterbildung in die vier Module „Vernetztes Planen und Bauen“, „Objekt- und Fachplanung“, „Planungs- und Bauordnungsrecht“ sowie „Planen – Ausschreiben – Baustelle“. Die fachliche Fortbildung wird ergänzt durch ein fundiertes Soft- Skills-Training. Dazu zählen Trainingstage zu „Präsentieren und Präsentationstechniken“, „Gelungene Kommunikation in Projekten“ sowie „Zielgruppengerechtes Schreiben für Ingenieure“.
Partnerschaftlich planen und bauen Jedes Thema wird aus dem Blickwinkel eines Praxisexperten vermittelt. Damit werden Erfahrungs- und Schnittstellenkompetenzen an die Trainees weitergeben, die sonst erstnach vielen Jahren im Beruf erlangt werden. Durch den Austausch der verschiedenen Fachbereiche erhalten die Teilnehmer ein erhöhtes Wissen und ein umfassendes Verständnis für die Abläufe der anderen am Bauprojekt Beteiligten.
Max Weiß, Trainee-Teilnehmer des Jahrgangs 017/2018, der bei der ISP Scholz Beratende Ingenieure AG beschäftigt ist, hat mit dem Traineeprogramm folgende Erfahrung gemacht: „Die Referenten vermittelten wichtiges Expertenwissen und ich lernte die Sichtweise der anderen Trainees kennen. Bauamt trifft Planer trifft Ausführenden. Die Referenten nehmen sich Zeit und erklären Themen, die im Büroalltag untergehen.Dazu eine tolle Gruppe aus Kollegen aus verschiedenen Bereichen des Bauwesens in Bayern. So macht Weiterbildung Spaß.“ Erfahrung der vergangenen Jahrgänge zeigt, dass auch ausländische Fachkräfte sehr vom Traineeprogramm profieren. Gerade für diese Personengruppe ist der Nutzen des Traineeprogramms besonders hoch. „Jedes Land hat seine eigenen Regeln, Gesetze und Abläufe im Bau“, erklärt Antonio Vera Molina, Trainee- Absolvent des Jahrgangs 2017/2018, Mitarbeiterbei Blankenhagen + Cohrs Ingenieure. „Um diese ausführlich kennenzulernen, ist das Traineeprogramm sehr hilfreich für Menschen, die aus einem anderen Land kommen und hier arbeiten. Ich habe dadurch ein besseres Verständnis für die Baubranche und deren Abläufe bekommen. Besonders die Ausführungen zur HOAI und VOB waren sehr hilfreich und ich weiß jetzt, wie man am besten an ein Bauvorhaben herangeht. Jetzt kann ich einen Bauvertrag lesen und richtig einordnen.“
Sein Chef Norbert Blankenhagen ist ebenfalls zufrieden. „Durch das Traineeprogramm konnte Herr Vera Molina seine Wissenslücken bezüglich der spezifisch deutschen Themen schließen. Außerdem hat er einen guten Überblick über die Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, wie z. B. der Technischen Gebäudeausrüstung, bekommen. Ganz nebenbei hat er auch Kollegen kennengelernt, mit denen er bei Fragen und Problemen einen guten Austausch pflegen kann. Er hat sich durch das Programm nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weiterentwickelt und tritt nun selbstbewusster auf. Wegen seiner spanischen Herkunft und den damit verbundenen Sprachproblemen war das Sprechen vor der Gruppe immer ein Thema. Dieshat sich durch das Traineeprogramm wesentlich verbessert.“
Die Investition von 8.400 Euro und die Freistellung für die Präsenzveranstaltungenempfindet Blankenhagen als lohnenswerte Investition. Gut möglich, dass er auch in Zukunft einem Mitarbeiter die Teilnahme am Programm ermöglicht.
Netzwerke knüpfen
Neben der fachlichen Weiterentwicklung ist für die Trainees auch die Vernetzung untereinander ein wichtiger Aspekt. Es ist im Ingenieurwesen unerlässlich, dass sich die Fachgebiete untereinander vernetzen. Dazu gehört auch, sich neuen Arbeits- und Kommunikationsformen zu öffnen. Es hat sich auch gezeigt: Wer wirklich Innovation fördern will, der muss eine eigene Fehlerkultur entwickeln und aus Fehlern lernen. Genau dies passiert im Traineeprogramm:vernetzen, kommunizieren, aus Fehlern lernen und neue Arbeitsweisen kennenlernen. Dazu gehört natürlich auch das Planen und Bauen mit BIM. Für Elisabeth Kammerer, Trainee-Absolventin des Jahrgangs 2016/2017 von Fire & Timber.Ing, bleibt das Gefühl, ein berufliches Netzwerk fürs Leben gefunden zu haben. „Dadurch, dass die Seminare die unterschiedlichsten Fachrichtungen abdecken und wir als Trainees auch eigene, verschiedene Schwerpunkte setzen, erhalten wir Einblicke in viele Prozesse, Denkweisen und Problematiken, die man sonst nicht bekommt“, so Kammerer. Ihr Fazit: „Ein ausgezeichnetes Handwerkszeug für die Zukunft.“