Die konstruktiven und gestalterischen Vorgaben in einem Projekt sind stets einzigartig. Das gilt insbesondere auch für größere Bauvorhaben, bei denen der Baufortschritt durch serielles und modulares Bauen enorm beschleunigt wird. Denn allein der Umstand, dass zwei benachbarte Gebäude gleich aussehen, heißt nicht, dass sie über eine identische Tragkonstruktion verfügen oderaus denselben Wandbaustoffen erstellt wurden. So haben Grundrissgestaltung, Untergrund und örtliche Lage entscheidenden Einfluss auf die Statik und damit auch auf das Konstruktionssystem der tragenden Innen- und Außenwände.
Die konstruktive Planung stellt hohe Anforderungen an die statischen Eigenschaften von Baustoffen. Denn mit möglichst wenig Materialeinsatz und schlanken Bauteilen soll eine nachweisbar stabile Konstruktion entstehen.Massives Mauerwerk hat eindeutige Vorteile gegenüber anderen Wandbausystemen. Das ist unter anderem auf seine strukturell bedingte hohe Tragfähigkeit zurückzuführen. Der Baustoff Kalksandstein ist ein gutes Beispielhierfür. Seine Rohstoffe Kalk und Sand werden trocken im Mischungsverhältnis von 1 : 12 (Kalk : Sand) miteinander vermengt und in einem Reaktor unter Zugabe von Wasser abgelöscht. Dabei entstehen Kalkhydrat und Wärme. Das Mischgut wird anschließend zu Steinrohlingen gepresst und bei einer Temperatur von ca. 200° C unter Wasserdampfdruck vier bis acht Stunden lang gehärtet. Kieselsäure, die dabei an der Oberfläche der Quarzsandkörnerausfällt, und Kalkhydrat verbinden sich zu festen, miteinander verzahnten Kristallstrukturen, die die Grundhärte und Festigkeit des Steins ausmachen. Ein Vorgang, der im Groben bei jeder Kristallisation, z. B. von Wasser zu Eis, ähnlich verläuft. Das Gemenge von Quarzsand und Kalkhydrat ist im Kalksandstein also dreidimensional verzahnt, fest gefügt und zeigt ein absolut zuverlässiges Tragverhalten.
Vielfältige Anforderungen sind abzubilden
Die Homogenität und statische Eignung für fast jede Tragstruktur bedeutet eine große gestalterische und konstruktive Freiheit in Planung und Bauausführung. Hinzu kommt, dass zahlreiche Sonderformate und Sonderbauteile wie Fertigteilstürze, Flachstürze, U-Schalen oder E-Steine mit Installationskanälen zur Verfügung stehen. Sie ermöglichen es, die zahlreichen Anforderungen an Mauerwerkskonstruktionen auf einfache Art und Weise abzubilden. Aufwändige Zulassungen oder gar Sonderstatiken entfallen, da KS nach DIN EN 771-2 mit der deutschen Anwendungsnorm DIN 20000-402 ohne weiteren Verwendungsnachweis nach EC 6 bemessen und verwendet werden dürfen.
Für den planenden Architekten, Bauingenieur oder auch Bauunternehmer ist es eine wichtige Entscheidung, welche Wandtragkonstruktion er wählt. Die Gründe dafür sind bekannt: Kosten, Werkstoffqualität und Standzeit, Wartung, gestalterische und konstruktive Bandbreite oder Wohnklima und Recyclingfähigkeit sind unter anderem zu bedenken. Hinzu kommt, dass schlanke und trotzdem tragfähige Wandkonstruktionen einen Wohnflächengewinn und Kosteneinsparungen bedeuten. Selbst, wenn man wirtschaftliche (Materialkosten und Erstellung) und ökologische Aspekte (Schadstoffausstoß in der Herstellung und über die Nutzungsdauer) außen vorlässt, bietet eine KS-Wand noch Mehrwert. Vor allem im Geschosswohnungsbau kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Nachhaltige Wohnkonzepte mit flexiblen Nachnutzungsoptionen gewinnen immer mehr an Bedeutung. Der demografische Wandel und neue Lebens- und Arbeitsformen sind zwei der Gründe hierfür. Eine Nachverdichtung in den gefragten Städten oder Regionen ist nur ein Szenario. Der Bestandsersatz, mit zukunftsfähigen Wohngrundrissen und nachhaltigen Baustoffen, ein weiteres. Die Gesamtenergiebetrachtung bei der Berechnung der Gebäudelebenszykluskosten lässt den Bestandsersatz dann zur Alternative werden, wenn ein Gebäude sich nicht wirtschaftlich energetisch und vor allem: nachhaltig sanieren lässt. Denn Aufwand und Nutzen sollen stets in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen.
Bedingt durch die hohe Drucktragfähigkeit von Kalksandsteinmauerwerk sind Wohngebäudekonstruktionen mit bis zu zehn Geschossen möglich.
Sicherheit durch Normenkonformität beachten Bauteile oder Baumaterial, die in einer Norm geregelt sind, haben eine höhere Planungsund Ausführungssicherheit für Ingenieure,Architekten, Verarbeiter und Bauherren: Ihr Tragverhalten, die Werkstoffzusammensetzung und die baustofftechnischen Eigenschaftensind geregelt und unterliegen einer trengen Produktionsüberwachung. Ein Umstand, der sich mit der Fertigstellung des Gebäudes und in der anschließenden Nutzungsphase als Vorteil erweist. Materialbedingte Baufehler sind somit ausgeschlossen.
Konstruktionen wie Betonaußenwände oder die schon angeführten KS-Außenwände erlauben statisch große Spannweiten ohneergänzenden Deckenunterzug oder tragende Wände – stets in Abhängigkeit von Auflagertiefe und Wandstärke. Hierbei ist zu bemerken, dass auch bei Stützweiten von über 6,0 m das vereinfachte Berechnungsverfahren nach DIN EN 1996-3 angewendet werden darf.
Schlitze oder Durchdringungen in tragenden Wänden
Schlitze, Durchdringungen oder Hohlräume stellen stets eine Schwächung des Wandquerschnitts dar und bedingen eine Kerbwirkung. Vor allem Schlitze unbegrenzter Länge, beispielsweise Schlitze, die über eine gesamte Wandlänge verlaufen, dürfen bestimmte Breiten und Tiefen grundsätzlich nicht überschreiten. Je nach Ausführung der Wandkonstruktion sind sie nach DIN EN 1996-1-1 geregelt und dürfen bei Einhaltung der maximalenSchlitzgrößen auf der Baustelle ohne weiteren statischen Nachweis hergestellt werden. Bei Kalksandstein kann auf einen rechnerischen Nachweis verzichtet werden. Das spart Arbeitszeit beim Statiker, erhöhte Aufmerksamkeit beim Schlitzen und damit Geld beim Architekten und Bauherrn.
Lebensrettende Konstruktion für den Brandfall
Eine Situation, die hoffentlich niemals eintritt: ein Feuer in den eigenen vier Wänden oder am Arbeitsplatz. Im Jahr 2015 rückten die Feuerwehren in Deutschland über 192.000 Mal zu Bränden oder Explosionen aus1. Hauptbrandursachen sind seit vielen Jahren defekte Elektrogeräte, offenes Feuer und menschliches Fehlverhalten. Im Jahr 2016 waren sie für über 70 % aller protokollierten Brände verantwortlich2. Zahlreiche technische Helfer wie Brandschutzmelder, CO-Melder oder Sprinkleranlagen dienen dem Schutz der Bewohner und ermöglichen die rechtzeitige Flucht. Sie verringern die Gefahr, verhindern den Brand jedoch nicht. Wichtig ist dann der Feuerwiderstand tragender Bauteile wie Wände und Decken. Er muss 90 Minuten betragen, wenn z. B. der Treppenraum als Rettungsweg genutzt wird. Verschiedene gewährte Wandkonstruktionen ermöglichen den notwendigen Feuerwiderstand von F90 AB (Feuerbeständig 90, in den wesentlichen Teilen aus nicht brennbaren Baustoffen). Der Feuerw iderstand von Kalksandstein ist, wie für alle DINkonformen Bauteile, in der DIN EN 13501-2 geregelt.
F90 A lässt sich für den Baustoff bereits ab einer Wandstärke von 11,5 cm nachweisen – ein lebenswichtiges Argument, denn damit bleibt mehr wertvolle Zeit für Bergung, Rettung und Brandbekämpfung.
Fazit
Gestalterische Freiheit und konstruktive Sicherheit in Einklang zu bringen, ist wichtig für Architekten, Bauherrn und Fachplaner. Denn das Gebäude soll nicht nur den technischen Anforderungen entsprechen, sondern auch höchsten ästhetischen Ansprüchen genügen. Für die Realisierung dieser Ziele sind Bauteile und Werkstoffe unverzichtbar, die in Normen und Richtlinien geregelt und beschrieben sind. Damit haben alle am Bau Beteiligten Rechtssicherheit und Streitigkeiten sowie Baumängel sind nahezu ausgeschlossen.