Fall 1: Ein Auftraggeber erhält von seinem Tragwerksplaner ein Nachtragsangebot über Planungsänderungen. Ohne Beauftragung würde der Planer nicht weiterarbeiten. Der Auftraggeber möchte keinen Streit, die Baustelle soll vielmehr laufen, und verlangt dringend nach Schalplänen. Er selbst kann eine Tragwerksplanung, erst recht die angebotene Änderung, fachlich nicht bewerten.
Fall 2: Eine Auftraggeberin erhält während der Entwurfsplanung von ihrem Planer eine Kostenberechnung über rund 5,0 Mio. €, welche laut Vertrag Grundlage für die Honorarberechnung ist. Die Kostenfeststellung endet mit 3,5 Mio. €. Die Kostenberechnung erscheint somit überhöht. Es entsteht nach Baufertigstellung Streit über die Honorarermittlung.
Fall 3: Eine Bauherrin beauftragt nach einer Empfehlung eine Architektin mit der Planung ihres Einfamilienhauses. Man trifft sich zu den ersten Gesprächen und es entsteht Streit über die Wirtschaftlichkeit der Planung. Die Bauherrin meint, die Architektin habe nur die Optik, nicht aber die Kosten im Blick. Die Architektin meint, man könne auch schöne Gebäude kostengünstig planen.
Alle drei Streitigkeiten ließen sich mit hohem Aufwand und großer Zeitverzögerung auch vor Gericht lösen. Heute haben sich in solchen Fällen aber Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung bewährt. Im Fall 1 bietet sich eine Schlichtung, im Fall 2 ein Schiedsverfahren und im Fall 3 eine Mediation an. Alle Streitigkeiten wären so erfahrungsgemäß in kurzer Zeit mit geringem Aufwand lösbar.
Die Schwächen der staatlichen Gerichte (der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit) liegen darin begründet, dass Gerichtsprozesse starren Regeln und Formalien wie Fristen und Beweislast unterliegen. Schon das Versäumen von Fristen kann dazu führen, dass ein Prozess verloren geht. Gerichtsprozesse sind zudem von langer Dauer (selten unter einem Jahr, meist mehrere Jahre, schon für die erste Instanz) und die Parteien können diese Dauer nicht beeinflussen, sondern sind auf die Prozessführung des Richters angewiesen.
Auch die Kosten sind erheblich und die Parteien haben keinen Einfluss auf sie. Streiten die Parteien zum Beispiel über eine Honorarforderung in Höhe von 20.000,00 €, so liegen allein die Gerichtskosten bei 1.146 € für die 1. Instanz, die Kosten des eigenen Anwalts und des fremden Anwalts in Höhe von je 2.469 € kommen dazu. Das wären bereits Verfahrenskosten von 6.084 €. Darin sind noch keine Kosten für Sachverständige der Parteien und/oder des Gerichts enthalten, die ggf. eingeschaltet werden müssen.
Verträge zur außergerichtlichen Streitbeilegung
Damit die Parteien Streitigkeiten grundsätzlich außergerichtlich lösen, sollten sie dies bereits in ihrem Vertrag verankern. Die Umsetzung hat eine Arbeitsgruppe der DGA-Bau (Deutsche Gesellschaft für Außergerichtliche Streitbeilegung in der Bau- und Immobilienwirtschaft e. V.) – unter Mitwirkung der Autoren – für alle wesentlichen außergerichtlichen Verfahren in einem Merkblatt beschrieben.
Das Merkblatt heißt „ADR-Verfahren in Verträgen über Planungs- und Überwachungsleistungen“ und ist auf der Website der DGA-Bau frei erhältlich. Dabei steht ADR für Alternative-Dispute-Resolution als gängige Abkürzung für die außergerichtliche Streitbeilegung.
Sollten sich die Parteien vertraglich noch nicht auf ein bestimmtes Verfahren festlegen wollen, so ist es hilfreich, wenn zumindest folgende Klausel im Vertrag aufgenommen wird:
„Die Parteien vereinbaren eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und lösen Konflikte zeitnah und zunächst außergerichtlich.“
Mit einer solchen Klausel verpflichten sich die Parteien grundsätzlich zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit, erkennen an, dass es Konflikte geben kann, und versprechen sich, diese zeitnah und zunächst außergerichtlich lösen zu wollen. Will man die außergerichtliche Streitbeilegung verbindlich vereinbaren, könnte diese „weiche“ Klausel wie folgt ergänzt werden:
„Bei Streitigkeiten aus diesem Vertrag soll vor Klageerhebung bei Gericht zunächst bei der vorgesetzten Stelle zusammen mit einem unabhängigen und neutralen Streitlöser (der von beiden Parteien gemeinsam zu wählen ist) der Versuch einer gütlichen Einigung im Weg einer Streitlösung unternommen werden. Ohne vorherigen Streitlösungsversuch eingeleitete Klagen oder Verfahren sind unzulässig. Gibt es keine vorgesetzte Stelle, so haben die Parteien einen Streitlöser zu wählen. Kann keine Lösung gefunden werden, sollen die einschlägigen Kammern und Verbände den Streitlöser bestimmen, bei Schiedsgutachten auch die IHK.“
Mit diesen Klauseln können die Parteien bei Streitigkeiten aus den üblichen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung wählen und ihren Streit beilegen.
Die üblichen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung
Schlichtung: Beim Schlichtungsverfahren handelt es sich um ein freiwilliges, auf einer privatrechtlichen Übereinkunft beruhendes nichtöffentliches Verfahren, das keinem starren Schema unterliegt und in seiner näheren Ausgestaltung frei vereinbart werden kann. Als Schlichtung im engeren Sinn wird im Streitfall die aktiv vermittelnde einigungsorientierte Tätigkeit einer nicht entscheidungsbefugten, unabhängigen und am konkreten Streit nicht beteiligten Person bezeichnet, die die Erörterung der Streitpunkte zielorientiert leitet und einen konkreten Lösungsvorschlag unterbreiten kann.
Mediation: Bei dem vertraulichen und strukturierten Mediationsverfahren versuchen die streitenden Parteien, im Verhandlungsweg mit Unterstützung eines Dritten (Mediator) auf freiwilliger Basis eigenverantwortlich eine Vereinbarung über die Beilegung oder auch Vermeidung von Streitigkeiten zu erzielen. Der Mediator hat keinerlei Entscheidungsbefugnis. Er unterstützt die Parteien bei der eigenständigen Klärung des Konfliktstoffs, der individuellen Interessenlagen sowie bei der Entwicklung und Vereinbarung gütlicher Einigungsmöglichkeiten.
Dispute Board (DB): Als Dispute Board (DB) bezeichnet man ein planungs- und baubegleitendes Gremium, das die Parteien gemeinsam mit planungs- und bauerfahrenen sowie unabhängigen und neutralen Mitgliedern besetzen. Diese werden verpflichtet, sich von Planungsbeginn bis Ende der Objekt- bzw. Bauüberwachung fortlaufend und umfänglich über sämtliche vertraglich relevante Umstände und Entwicklungen sowie den bisherigen und zu erwartenden Planungs- und Baufortschritt informiert zu halten. Das DB sollte in regelmäßigen Abständen an den zentralen Projektbesprechungen teilnehmen. Zu den dabei vorgetragenen Konflikten (z. B. hinsichtlich Qualitäten, Kosten und Terminen) gewährt das DB den Parteien Gehör und bietet bei Bedarf fachtechnisch und vertragsrechtlich fundierte Lösungen an.
Adjudikation: Die Adjudikation ist ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren, das während der Planungs- und Bauphase, insbesondere bei Großbauvorhaben, zum Einsatz kommt. Beim Adjudikationsverfahren werden – auf Antrag einer Partei – unabhängige und neutrale Fachleute berufen, um auftretende Konflikte innerhalb kurzer Verfahrensfristen fachtechnisch und ggf. rechtlich zu klären sowie vorläufig verbindlich zu entscheiden. Beim Adjudikationsverfahrens verpflichten sich die Parteien, der Entscheidung des Adjudikators zunächst Folge zu leisten. Es steht ihnen jedoch frei, der Entscheidung zu widersprechen, um eine ggf. von der Entscheidung abweichende gütliche Einigung zu treffen oder den Streitfall in einem (Schieds-)Gerichtsverfahren abschließend klären zu lassen.
Schiedsgutachten: Schiedsgutachten dienen i. d. R. der Entscheidung über eine bestimmte Sachfrage, z. B. bei Streitigkeiten über Mängel, Schäden, Mehrkosten und Verlängerungen aus Planungs- und/oder Bauablaufstörungen. Durch Vereinbarung zwischen den Parteien wird ein gemeinsam ausgewählter Sachverständiger beauftragt, den strittigen Sachverhalt zutreffend, im Zweifel nach „billigem Ermessen“, gemäß § 317 Abs. 1 BGB festzustellen. Dabei bestimmt der Sachverständige selbst die hierfür notwendigen Schritte, analysiert und bewertet den Streitgegenstand und klärt diesen. Die Ergebnisse des Schiedsgutachtens sind kraft Vereinbarung für die Parteien bindend.
Schiedsgerichtsverfahren: Schiedsgerichte sind vertraglich vereinbarte, private Spruchkörper zur Beilegung vermögensrechtlicher Streitigkeiten. Die von den Parteien zu treffende Schiedsvereinbarung bedeutet damit den ausdrücklichen Verzicht auf das Recht, vor staatlichen Gerichten Klage zu erheben. Das Schiedsverfahren findet demnach vor einem oder mehreren privat ernannten Schiedsrichtern statt. Der Schiedsspruch hat gemäß § 1055 ZPO unter den Parteien die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils und ist in aller Regel ebenso unausweichlich und nahezu weltweit vollstreckbar.
Das Merkblatt erläutert, wie diese Verfahren, allein oder in Kombination miteinander, vertraglich vereinbart werden können.
Fazit
Planen ohne zu richten! Will man nicht vor Gericht streiten, bieten sich bewährte Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung an. Diese sollten grundsätzlich oder spezifisch bereits bei Vertragsschluss berücksichtigt und im Vertrag verankert werden. Das neue Merkblatt über ADR-Verfahren der DGA-Bau zeigt, was und wie das geht. Damit kommt man schnell und mit wenig Aufwand zu einer nachhaltigen Lösung eines Konflikts.