Muschel mit Strahlkraft

Sendehalle in Berus ist Historisches Wahrzeichen

Deutsches Ingenieurblatt 12/2021
Bildung, Forschung und Kultur
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Am 24. September 2021 wurde die Sendehalle von Radio Europe 1 (Berus) in Anwesenheit von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer von der Bundesingenieurkammer und der Ingenieurkammer des Saarlands mit dem Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet.

Mit ihren mehr als 2.500 Quadratmetern ohne jede Stütze ist die Halle ein ganz besonderes Bauwerk. Über dem Glasbau scheint die über 80 m weit gespannte geschwungene Schale, deren Beton gerade einmal fünf, sechs Zentimeter dick ist, zu schweben.

Kein anderes der „Historischen Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ liegt derart weit am Rand der Republik. Gerade einmal ein paar hundert Meter sind es bis nach Frankreich. Warum errichtete man ein Sendezentrum für Radio und Fernsehen mit allem Drumherum ausgerechnet hier, im Niemandsland dieser Hochebene am Sauberg? Hier wo sie eigentlich niemand sieht – obwohl sie nicht weniger ist als eine Sensation.

Unabhängig vom spektakulären Bauwerk sind mit der Sendehalle die Namen der beiden bedeutendsten Persönlichkeiten des französischen Schalenbaus, Bernard Laffaille und Eugène Freyssinet, verbunden. Und ihre (Bau-)Geschichte ist so wechselhaft und teilweise tragisch, dass sie auch im übertragenen Sinn an der Grenze, am Limit gebaut ist: Noch während des Baus zerriss die Dachschale zum ersten Mal und 25 Jahre später stand sie neuerlich kurz vor dem Versagen.

„Gerade wegen ihrer dramatischen Baugeschichte ist sie nicht nur ein faszinierendes, sondern auch facettenreiches Wahrzeichen modernen Konstruierens in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie steht aber auch für die Verführungskraft des Leitbilds absoluter Leichtigkeit und die verstörende Hybris, sich allzu sicher und frei von Fehlern zu wähnen“, erklärte Dr.-Ing. Frank Rogmann, Ehrenpräsident der Ingenieurkammer des Saarlands, in seiner Begrüßungsrede vor den ca. 90 geladenen Gästen. Und er sagte auch, dass er hoch erfreut sei, dass die Kathedrale der Wellen, wie die Sendehalle auch genannt wird, nun ausgezeichnet wird.

„Ingenieurbauwerke gibt es in der Regel nicht von der Stange. Das sind Unikate, an denen Ingenieurinnen und Ingenieure oftmals sehr lange tüfteln, um die bestmögliche Lösung zu finden. Das macht unseren Beruf auch so besonders und so spannend. Die Sendehalle in Berus ist das beste Beispiel dafür und die Titelverleihung ein guter Anlass, um für unseren tollen Beruf zu werben“, erläuterte der Vize-Präsident der Bundesingenieurkammer, Dipl.-Ing. Ingolf Kluge, warum vieles für die Auszeichnung der Halle sprach.

In großen Dimensionen gedacht
Geplant auf der grünen Wiese inmitten der Hochebene am Sauberg war der Name des Senders Programm: Das „Centre émetteur de radio-télévision Europe no 1“ hatte den visionären Anspruch, die Nummer Eins und eine der größten Rundfunkanstalten zu werden. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen auch an die Sendehalle, die zum architektonischen Aushängeschild dieser visionären Idee werden sollte. Wie die Wellen des Senders über Europa, so sollte auch die Dachschale völlig frei über der 86,5 x 46 Meter großen Sendehalle schweben. Die Herausforderung des Projekts zeigt sich auch daran, dass in den drei Bauphasen höchst prominente Bauingenieure ihrer Zeit für die Konstruktion verantwortlich zeichneten: Neben Bernard Laffaille und Eugène Freyssinet schließlich auch Pierre Xercavins, der als einer der angesehensten französischen Bauingenieure der 1980er Jahre gelten kann. Heute ist es still geworden in dem einstigen Sendezentrum, aber die große herzmuschelförmige Halle hat nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt.

„Think big“ durchzog als Programm nicht nur Konzeption und Finanzierung des Senders, sondern auch die Vorgaben der Akteure für die Gestaltung des Gebäudes: Gefordert war ein neuer und neuartiger, wohldurchdachter Gebäudekomplex, der die verschiedenen Betriebsbereiche funktional miteinander in Verbindung setzen und dessen avantgardistisch gestaltete Kernbauten als „architecture parlante“ jenes Neuland betreten sollte, dem sich die Radiomacher mit dem gesamten Projekt verpflichtet fühlten. Die Bedingungen dafür waren ideal: Bauen auf der grünen Wiese.

Warum die Entscheidung auf den eher unbekannten Pariser Architekten Jean-François Guédy (1908–1995) fiel, ist nicht mehr bekannt. Er dürfte den Auftrag für das Sendezentrum im Winter 1953/54 erhalten haben. Einen Eindruck von der ursprünglich geplanten, aber nicht vollständig verwirklichten Gesamtanlage geben zwei Zeichnungen, die im Februarheft 1955 der renommierten französischen Architekturzeitschrift L’architecture d’aujourd’hui publiziert wurden. Ein in der Publikation ergänzend veröffentlichter Grundriss der Sendehalle entspricht bereits weitgehend der Ausführung. Er verdeutlicht, dass die Halle weitaus größer angelegt war als eigentlich erforderlich, insbesondere, da hier ja überhaupt kein Rundfunk produziert werden sollte. Die eigentlichen Studios von Europe no 1 befanden sich von Anfang an in Paris; dort wurde das tägliche Programm produziert und dem Sender über eine Rundfunkleitung zugespielt. Der Anlage in Berus kam allein der Rang einer Sendestation zu; der Rundfunk wurde dort nur ausgestrahlt, aber nicht „gemacht“. Und so blieb der größte Teil der weitläufigen Halle leer.

Von einer flügelgleichen Halle zur Kathedrale
Die ersten bekannten Entwurfszeichnungen Guédys für die Halle datieren vom 23. März 1954. Sie dokumentieren die Grundidee des Raums, die der Architekt entwickelt hat, in konstruktiver Hinsicht aber lassen sie das Tragkonzept allenfalls erahnen: ein flügelgleiches Dach, das sich vom rückseitigen Tiefpunkt aus auf insgesamt vier weit auskragenden Stahlbetonscheiben beidseits der Symmetrieachse entfaltet, im vorderen Hochpunkt durch einen Stahlbetonbock gesichert ist und rundum durch zwei spiegelgleiche, flach geneigte Randbögen stabilisiert wird. Ob die schlanken Fassadenstützen mithelfen sollten, das Dach zu tragen, bleibt offen. Mit Sicherheit wäre die Halle so nicht standsicher gewesen, doch wenige Wochen später legte Guédy einen überarbeiteten Entwurf vor, der hinsichtlich des Tragwerks präziser und schlüssiger war.

Die stützenden Stahlbetonscheiben waren verschwunden, die Randbögen dafür wesentlich kräftiger geworden, in der Fassade hoben sich nun tragende Stützen von den einfachen Fenstergliederungen ab und vor allem war die Betonschale nun deutlich doppelt gekrümmt. 

Der Plankopf zeigt, dass der markante Entwicklungsschritt der zwischenzeitlichen Einbindung mehrerer Partner geschuldet ist, darunter das Büro C.A.P.E.M.– ein Pariser Ingenieurbüro, das 1949 von Bernard Laffaille gegründet worden war. Vor allem ihm und wohl auch einem langjährigen Mitarbeiter ist es zu verdanken, dass sich in der Konkretisierung der Pläne nun jene „Kathedrale der Wellen“ abzeichnete, die nur wenige Monate später gebaut werden sollte.

Bernard Laffaille und Eugène Freyssinet zählen zu den wenigen Pionieren, die bereits in den 1920er-Jahren in Frankreich das Potenzial dünnwandiger Betonschalen für weit gespannte Tragwerke ausloteten; darüber hinaus gilt Freyssinet als Begründer der Spannbetontechnik. Im Ergebnis sind es also die verantwortlichen Planer der Sendehalle selbst, die den Weg zu ihrer dünnwandigen, doppelt gekrümmten und vorgespannten Betonschale ebneten.

Das Drama der Dachschale
Der Bau der Sendehalle für Europe no 1 war alles andere als eine einfache Erfolgsgeschichte. Es lohnt sich, die rätselhafte Dachschale und ihre Geometrie genauer untersuchen, um dann ihren Metamorphosen nachzugehen – wie ihr statisches Konzept bereits von Laffaille im Lauf der Planung verändert wurde, wie es zu ihrem Versagen im September 1954 kam, wie Freyssinet sie zur Vollendung brachte, und was danach noch geschah.

Das erste Dach: Als Laffaille und sein Pariser Büro C.A.P.E.M. irgendwann zwischen März und April 1954 in das Projekt Sendezentrum Europe no 1 einbezogen wurden, ist angesichts der vorgesehenen Aufnahme des Sendebetriebs zum 1. Januar 1955 vor allem eines klar: Planung, Bemessung und Ausführung standen von Anfang an unter einem kaum vorstellbaren Zeitdruck. Nur acht Monate nach Planungsbeginn sollte ein Gebäude mit einem umbauten Raum von 30.000 m3 übergabereif sein, dessen Konstruktion nicht nur durch eine enorme Spannweite, sondern auch durch ihre bis dahin vorbildlose Einzigartigkeit gekennzeichnet war: Eine freitragende, doppelt gekrümmte Dachschale mit größten Weiten von 86,50 m in Längs- und 46 m in Querrichtung war in zwei flach geneigten Randbögen aufgehängt. Sie nahmen die horizontalen Lastanteile aus der Schale auf und trugen sie zu Bogenkämpfern ab, wo sie sich gegenseitig aufhoben. Die vertikalen Lastanteile setzten sie kontinuierlich auf die im Abstand von 3,40 m angeordneten Stahlstützen der Fassade ab; diese wiederum wurden gelenkig auf den als Fundament dienenden Stahlbeton-Winkelstützwänden gelagert. Den Abtrag der Windlasten übernahmen Stahlbeton-Stützböcke in der Mitte der beiden Längsseiten – in der Hauptfassade ein markanter X-förmiger Bock und auf der Rückseite beidseits des Eingangs zwei einzelne Windböcke. Schwierig und noch beispiellos wurde das Tragwerk jedoch durch die konstruktive Entwicklung dieses Grundkonzepts hin zu einer komplexen Geometrie. In Berus erlaubte der vom Architekten vorgegebene herzförmige Grundriss nur die spiegelbildliche Anordnung der doppelten Krümmung der Dachschalen entlang einer – der kurzen – Achse. Darüber hinaus war diese Symmetrieachse, und damit die gesamte Dachfläche, hier geneigt; von etwa 9,50 m auf der Vorderseite der Halle fiel sie mit einer Neigung von etwa 13 Prozent auf eine Höhe von 4,50 m in der „Herzspitze” auf der Rückseite ab. Außerdem ließ sich die Geometrie des Dachs ungeachtet der allgemeinen Charakterisierung als gegenläufig gekrümmte Sattelfläche bei genauerer Analyse weder als hyperbolisches Paraboloid noch als eine Translationsfläche beschreiben. Dazu kam noch die einseitige Beschneidung der Grundform zur Herzform sowie die zusätzliche Neigung des gesamten Systems entlang der einzig verbliebenen Symmetrieachse.

Das Ergebnis war eine in statischer Hinsicht eher unglückliche Geometrie, die zwei wesentliche Konsequenzen mit sich brachte: Zum einen verlor der Lastfluss deutlich an Klarheit. Die beiden unsymmetrischen Randbögen entsprachen auch nicht mehr der günstigen „Stützlinie“ und wurden durch die eingehängte Schale nicht mehr nur durch Druck, sondern auch durch Biegung beansprucht. Um dem entgegenzuwirken, musste Laffaille die nach außen ausweichenden Bogenbereiche durch jeweils drei mächtige Zugbänder zurückbinden. Darüber hinaus resultierten aus den Knickpunkten in den Stößen der beiden Druckbögen ergänzend abzuleitende Kräfte, die die Windböcke zusätzlich belasteten.

Zum anderen ließ sich für diese transzendente Fläche – anders, als es etwa bei einer Hyparschale gewesen wäre – keine relativ einfache mathematische Darstellung des Kraftzustands mehr entwickeln. Eben deshalb konnte die statische Berechnung der Schale in der kurzen Zeit nur als grobe Näherungslösung erstellt werden.

Damit wurde das eigentlich räumliche Problem zu einem ebenen vereinfacht, doch dies hatte seinen Preis: Es ließ jedweden Lastabtrag in Querrichtung außer Acht.

Mit lautem Knall zerriss die Schale
Laffaille griff den Vorschlag auf, die Bewehrung durch deutlich höherfeste Spannstähle zu ersetzen. Die Idee dahinter war einfach: Nicht durch Absenken der Schalung, sondern durch Anspannen der Bewehrung sollte sich die betonierte Schale von der Rüstung abheben und frei zu schweben beginnen.

Auf einer 8 cm starken Heraklith-Dämmschicht lagen die Spannglieder mit je zwölf Drähten à 5 mm und darüber eine nur minimale Querbewehrung; beides umgeben von einer 5 cm dicken und oberseitig abgedichteten Betonschicht. Am 8. Juni begann der Bau, alles ging weitgehend nach Plan, schon Anfang August konnte mit den Schalungsarbeiten für die Randbögen sowie die Schale begonnen werden; zum Ende des Monats waren Bögen und Schale betoniert. Nachdem dem noch jungen Beton durch das Materialprüfungsamt (MPA) Saarland eine ausreichende Druckfestigkeit attestiert worden war, begann am 7. September 1954 das Anspannen der Spannglieder.

Die Verformungen der Dachschale wurden von einem eigens dafür errichteten Turm aus kontinuierlich trigonometrisch gemessen. Nachdem ein Drittel der Spannglieder angezogen war, hatte sich die Schale bereits fast überall geringfügig von der Schalung gehoben ; man erkannte es am Klang der Schale, die Messung gaben eine Hebung von etwa 2mm an.

Wie vorgesehen, wurden nun auch die Horizontalverformungen der Randbögen in die Messungen mit einbezogen – und bald darauf wurden auffällige Abweichungen zwischen den tatsächlichen und den zuvor von Laffaille dafür kalkulierten Werten festgestellt. Entgegen den Erwartungen verformten sich die Bögen kaum, und auch die sechs Zugbänder zeigten durch Klangproben an, dass sie noch immer nicht unter Spannung standen. Laffaille erklärte dies mit der übermäßigen Dimensionierung sowie einer gewissen Trägheit der Randbögen und ordnete – angeblich gegen die Bedenken der Baufirma und der anwesenden Ingenieure – die Fortführung der Arbeiten an. Nachdem etwa 80 Prozent der Gesamt-Vorspannung aufgebracht waren, kam es in der Nacht vom 8. zum 9. September beim Anspannen des 104. Spannglieds (von insgesamt 126) zum schlagartigen Versagen: Mit einem lauten Knall und einer kurzen Erschütterung zerriss die Schale durch mehrere Längs- und Querrisse in einzelne Teile.

Unübersehbare Mängel und grundlegende Veränderungen
In der Folge wurden mehrere renommierte Pariser Experten mit der Untersuchung und Bewertung der Versagensursachen betraut. Entscheidend war das Engagement des inzwischen 75-jährigen Altmeisters Freyssinet, der sich bereit erklärte, das Projekt zum erfolgreichen Abschluss zu führen. Er forderte „völlige Handlungsfreiheit ohne Terminbindung gegen das Versprechen der äußersten Beschleunigung seiner Arbeit“ und damit verbunden den sofortigen und vollständigen Ausschluss Laffailles aus der weiteren Planung. Der Bauherr stimmte zu.

Soweit es sich aus heutiger Sicht beurteilen lässt, waren Laffaille gleich mehrere schwere Fehler anzulasten. So rächte sich die mangelnde Untersuchung des Lastabtrags in Querrichtung bitter, den er zumindest durch eine kräftige Querbewehrung „konstruktiv” (auch ohne nähere Berechnung) hätte absichern sollen, um möglichen (und dann tatsächlich eingetretenen) Längsrissen entgegenzuwirken.

Zudem versäumte er es, im Gleichtakt mit der Schale auch die sechs Zugbänder anzuspannen und dadurch überhaupt erst als Verformungssicherung zu aktivieren. Nicht zuletzt verzichtete er offenbar weitgehend auf eine genauere Untersuchung der Zwischenzustände und Lastumlagerungen während des Spannvorgangs, was unter anderem dazu führte, dass die Spannkräfte weniger von den Randträgern, als vielmehr vom Schalenbeton aufgenommen wurden und zu dessen Überlastung führten.

Eben diese Defizite erkannte rasch auch Freyssinet. Den Laffaille‘schen Deckenaufbau behielt er zwar im Grundsatz bei, modifizierte ihn aber entscheidend im Detail. So lagen die Spannglieder jetzt in kleinen Betonstegen zwischen einer zweiten Heraklith-Lage; erst darüber begann die eigentliche, nun 6 cm starke Betonschicht. Sie wurde nicht mehr durch die Spannglieder geschmälert und war zudem mit einer kräftigen Quer- sowie einer weiteren Längsbewehrung versehen. Minutiös wurden der Spannvorgang und die wechselseitige Abstimmung zwischen Schale und Zugbändern geplant; in der teilweise erhaltenen neuen Statik waren unter anderem eine räumliche Erfassung des Spannungszustands sowie genauere Untersuchungen über die zu erwartenden Verformungen und den Kraftfluss dokumentiert.

Ergänzend zum Neubau der Schale veranlasste Freyssinet eine Reihe von zum Teil weitreichenden Ertüchtigungen im Gesamttragwerk. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf die kritischen Anschlüsse der Schale und der Zugbänder an den Randträger.

Die gestalterisch am weitesten gehenden Änderungen betrafen die Windböcke an den beiden Enden der Traufe: Der X-Bock in der Hauptfassade musste einem deutlich kräftigeren Bock in Form eines umgekehrten V weichen, und die rückseitigen Stützböcke wurden zu massiven Widerlagerkörpern verbreitert. 

Sukzessive wurden die verschiedenen Ertüchtigungsmaßnahmen umgesetzt, die neue Dachschale aber konnte wegen des sehr kalten Winters erst im Frühjahr 1955 vollendet werden. Und doch hat fast nichts von dem, was heute in der Halle trägt, noch mit Freyssinet zu tun.

Ein neuerlicher Ersatz nach schweren Schäden
Der Einsturz des südlichen Randbogens der Dachschale der (West-)Berliner Kongresshalle am 21. Mai 1980 führte weltweit zur Überprüfung vergleichbarer Konstruktionen. Auch in Berus untersuchten daraufhin im September 1980 zwei Sachverständige aus Frankfurt am Main, Eberhard Schaeffer und Ludwig Cezanne, den baulichen Zustand des Dachs und kontrollierten neuerlich auch die statische Berechnung; schon zuvor hatten sich einzelne Heraklith-Platten von der Decke gelöst und waren heruntergefallen. Im November legten die Gutachter ihren Bericht vor, der grundsätzlich die statische Berechnung von 1954/55 bestätigte, jedoch nahezu dramatische Schäden am realen Tragwerk offenbarte.

Als Ursachen identifizierten die Gutachter vor allem gravierende Mängel der Bauausführung, die weit über die seinerzeit üblichen, aus heutiger Sicht zu geringen Betondeckungen hinausgingen. Besonders bedenklich war zum einen, dass die Spannglieder in der Dachschale oft nicht, wie erforderlich, von korrosionsschützendem Beton umgeben waren und in den Hohlräumen direkt auf den Heraklith-Platten auflagen. Zum anderen offenbarte die Befundung der Zugbänder, dass deren Spannglieder seinerzeit nur mangelhaft verpresst worden waren. Angesichts der Schwere der Schäden wurden unter anderem der Einbau einer völlig neuen Stützkonstruktion unterhalb der Dachschale und zwischenzeitlich sogar der vollständige Abriss der Sendehalle erwogen. Im Dezember 1980 übertrug der Bauherr daraufhin die Verantwortung für das weitere Vorgehen neuerlich an die von Eugéne Freyssinet begründete Baufirma, die sich 1976 in Freyssinet International umbenannt hatte.

Das final fest gelegte Sanierungskonzept sah vor, vom ursprünglichen Gesamtaufbau der Freyssinet-Schale lediglich die obere, etwa 5 cm starke Betonschale mit ihrer schlaffen Bewehrung zu erhalten. Beide Heraklith-Lagen wurden entfernt, die alten Spannglieder vollständig demontiert. Den Lastabtrag übernahmen – nun zu 100 Prozent – Vorspanneinheiten aus paarweise angeordneten gefetteten Litzen in Plastikumhüllung. Eine außenliegende Wärmedämmung komplettierte den neuen Dachaufbau.

Der Prüf- und Überwachungsbericht aus dem Dezember 1982 bescheinigte der Instandsetzung eine besondere „Qualität der ausgeführten technischen Untersuchungen“ und betont explizit „die besondere Sorgfalt, die das Unternehmen auf die Ausführung der Arbeiten verwendet hat“. Und damit kehrte Ruhe rund um die außergewöhnliche Dachschale ein.

Das Sendezentrum heute
Am 31. Dezember 2019 schaltete Europe 1 seine Langwelle endgültig ab. Die Ära des Senders Berus ging zu Ende – nicht aber die von Europe 1: In Frankreich ist er nach wie vor als UKW-Sender (und zwischenzeitlich auch über das Internet) etabliert.  

Nur ein Jahr später hat sich das Sendezentrum in Teilen bereits maßgeblich verändert.

Die große Sendehalle entspricht noch weitgehend dem Zustand, in dem sie 2015 von Europe 1 hinterlassen wurde. Die Dachkonstruktion mit externer Unterspannung und neuen Zugbändern in der letzten Fassung von 1982/83 lässt visuell keine nennenswerten Schädigungen erkennen; auch eine 2017 erfolgte Durchsicht der statischen Berechnungen und Prüfberichte gab keinen Anlass, an ihrer Solidität zu zweifeln. Ungeachtet dessen steht eine genauere Verifizierung, die auch örtliche Freilegungen und Probenentnahmen sowie einen Scan zur Erfassung der heutigen Schalengeometrie beinhalten sollte, noch aus; die Zustandsbewertung der durch zwei kräftige Stahlrohre abgeschirmten Spannglieder in den Zugbändern dürfte sich dabei als die größte Herausforderung erweisen.

Nicht einfach ist auch die brandschutztechnische Situation in Hinblick auf eine mögliche künftige Nutzung als Versammlungsstätte. Die großartigen Glasfassaden lassen den Raum, der früher allein durch die Abwärme der Sendeeinheiten beheizt wurde, in Herbst und Winter gegenwärtig unbespielbar werden.

Viele weitere Schwierigkeiten ließen sich nennen, vor allem aber: Dieses Denkmal ist richtig groß. Jedwede Planung für seine Zukunft muss groß denken, sowohl hinsichtlich der Nutzungsperspektiven als auch der finanziellen Ressourcen, die es dafür zu aktivieren gilt. Die Gemeinde Überherrn als gegenwärtiger Eigentümer wird all dies nicht alleine schultern können.

So unklar die konkrete Zukunft der großartigen Sendehalle von Europe 1 auch gegenwärtig noch ist, so gewiss ist doch: Sie wird sich zu einem attraktiven Juwel des Saargaus entwickeln, das als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst“ nicht nur zu begeistern vermag, sondern in ganz eigener Weise auch die dunklen, ungeliebten Seiten der Ingenieurbaukunst nicht zu verhehlen sucht.

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