Wasserturm wird Energiesparhotel

Monitoring bestätigt Energieeffizienz des Nullenergiehochhauses

Deutsches Ingenieurblatt 9/2019
Objekte

In Radolfzell am Bodensee haben Bauherren einen 34 Meter hohen Wasserturm in ein Nullenergiehotel verwandelt. Die Energieversorgung des 2017 in Betrieb gegangenen Gebäudes erfolgt über 1.000 Photovoltaikmodule,  54 Quadratmeter Solarthermiekollektoren, einekleine Windenergieanlage auf dem Dach und eine Wärmepumpe im Keller. Eine sehr gute Dämmung sorgt für einen geringen Heizenergiebedarf. Das Monitoring des vergangenen Jahres bestätigt nun die besondere Energiebilanz des Hotels: Die Gebäudetechnik verbraucht  mit 31 Kilowattstunden Strom pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) nur rund 45 Prozent des vor Ort produzierten Ökostroms. Die CO2-Emissionen liegen dank der ausschließlichen Nutzung selbsterzeugter erneuerbarer Energien und der geringen Verbrauchswerte bei null. Auf das Sanierungsprojekt mit seinem hohen Nutzerkomfort weist auch Zukunft Altbau hin, ein vom Umweltministerium gefördertes Informationsprogramm.

Bereits mit 17 Jahren interessierte sich Norman Räffle für den alten Wasserturm in Radolfzell. Nach Lehre und Studium wagte er sich im Jahr 2008 schließlich an den Umbau des außergewöhnlichen Gebäudes. Gemeinsam mit Vater, Mutter, Bruder und den Mitarbeitern einer eigens für das Projekt gegründeten Baufirma wollte der Architekt dem Turm neues Leben einhauchen. In der achtjährigen Umbauphase hat das Team die unterschiedlichsten Arbeiten ausgeführt: Dazu gehörten Tiefbau, Abbruch, Rohbau, Fassade und Dämmung, Fenstermontage sowie die Heizungs-, Sanitär- und Elektroarbeiten. 

Eine Vision wird Wirklichkeit
Einfach war die Sanierung nicht. „Für den komplexen, achteckigen Baukörper mussten wir einige Speziallösungen erfinden, um das Gebäude mit Passivhaustechnologie auszustatten“, sagt Planer Norman Räffle. Da es beispielsweise keine geeigneten Passivhausfenster für Hochhäuser gab, entwickelte Räffle mit einem Fensterhersteller Doppelfenster mit einer Holz-Alu-Konstruktion: außen zweifach und innen dreifach verglast, mit einer speziellen Zwischenraumbelüftung über Thermoschieber. In diesen Zwischenraum ist auch der Sonnenschutz integriert – außen angebracht würde er durch die stärkere Windlast in der Höhe rasch beschädigt werden. Beim Umbau legten die Bauherren zudem großen Wert auf ressourcenschonende und ökologische Maßnahmen. So erfolgte die Dämmung der Fassade und des Dachs mit Steinwolle in Stärken zwischen 20 und 36 cm. Die Kellerdecke erhielt eine Steinwolledämmung mit 20 Zentimetern Stärke. Für frische Raumluft sorgen dezentrale Lüftungsanlagen. 

Diese verfügen über eine Wärmerückgewinnung mit einem Effizienzgrad von über 90 Prozent und Feinstaub- sowie Pollenfilter. Damit gelingt ohne nennenswerte Energieverluste der kontrollierte Austausch von verbrauchter mit frischer, sauberer und sauerstoffreicher Außenluft.

Erheblicher Anteil erneuerbarer Energien
Der umgebaute Turm verfügt über ein innovatives Energiesystem aus Sonnen- und Windenergie sowie Geothermie. Zur Nutzung der Sonnenenergie wurden Photovoltaikmodule mit einer installierten Leistung von fast 70 Kilowatt windsicher und wärmebrückenarm befestigt. Die Solarthermiekollektoren sind an einen Wärmespeicher gekoppelt und decken rund 45 Prozent des Heizwärmebedarfs sowie 80 Prozent des Warmwasserbedarfs. Der Restenergiebedarf wird mit einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe gedeckt. 

Eine kleine Windkraftanlage mit 5,5 Kilowatt installierter Leistung auf dem Dach und ein Stromspeicher ergänzen das Energiekonzept. Bei seiner Fertigstellung war das Hotel das weltweit erste Hochhaus mit Passivhaustechnologie, das mindestens so viel Energie erzeugt, wie es für die gesamte Gebäudetechnik benötigt. So liegt der Stromverbrauch für Beheizung, Warmwasser, Kühlung, Lüftung, Aufzug, Pumpen und Hilfsstrom bei 31 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a). Ihm stehen 48 kWh/m2a vor Ort produzierten Ökostroms gegenüber. 

Inklusive Wellness, Küche und Elektroladestationen liegt der Gesamtenergiebedarf des Hotels bei 58 kWh/m2a. Durch diverse Optimierungsmaßnahmen konnte er in den ersten Monaten dieses Jahres um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesenkt werden. Verstetigt sich die Tendenz im Jahr 2019, erreicht das Gebäude auch unter Einbeziehung dieser zusätzlichen Energieverbrauchsposten eine ausgeglichene Energiebilanz beim Gesamtverbrauch. Nachhaltige Innenausstattung Auch bei der Innenausstattung legten die Bauherren Wert auf regionale Wertschöpfung und ökologische Materialien wie Holz, recycelte Holzwerkstoffe, Natursteinböden sowie Kalkund Tonputz. Letzterer besteht aus natürlichen Rohstoffen und verbessert die Behaglichkeit und Luftqualität durch seine Eigenschaften wie Schad- und Geruchsstoffabbau sowie seine antistatische Wirkung. Der Turm verfügt außerdem über den sparsamsten Wasserhahn der Welt, der den Wasserverbrauch auf nur 0,7 Liter pro Minute reduziert. Frank Hettler von Zukunft Altbau lobt, dass das entstandene Plusenergiehotel mit hervorragender Ökobilanz ein einzigartiges Bauwerk mit energetischem Vorbildcharakter ist.

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