Wenn die Mitarbeiter den Chefsessel übernehmen

Deutsches Ingenieurblatt 9/2019
Management

Für eine besondere Alternative der Unternehmensübernahme haben sich die Inhaber des mittelständischen hannoverschen Unternehmens umwelttechnik & ingenieure GmbH – kurz: u&i entschieden: Sie verkauften ihr Unternehmen an die eigenen Mitarbeiter – um dessen unabhängigen Charakter zu wahren und es nicht in einem Großkonzern verschwinden zu lassen.

Die Diplomingenieure Manfred Schubert, Thomas Schücke und Nils Oldhafer gründeten 1993 das Ingenieurbüro umwelttechnik & ingenieure GmbH, auch, weil sie sich nicht den Regeln und Befindlichkeiten in zentral organisierten Unternehmen beugen wollten. Mit dieser geschaffenen Unabhängigkeit standen die drei Gründer 25 Jahre später vor der Aufgabe „ihr“ Unternehmen nach und nach fit für einen Generationenwechsel zu machen. Über zwei Jahre wurden Verhandlungen mit diversen Konzernen geführt, die reges Interesse am Kauf der umwelttechnik & ingenieure GmbH zeigten. Mit einem Käufer standen sie bereits kurz vor der Vertragsunterzeichnung. Dann machten die drei Gründer allerdings einen Rückzieher, weil sie ihr „Baby“ nicht in fremde Hände geben wollten. Denn wie die meisten mittelständischen Unternehmer haben Schubert, Schücke und Oldhafer sehr viel Herzblut in ihr Unternehmen gesteckt und den Wunsch, dass das Ingenieurbüro mit der gleichen Unabhängigkeit und Leidenschaft in die Zukunft geht. 

Die drei Gründer standen also erneut vor der Frage der Unternehmensnachfolge: Wer ist geeignet, die umwelttechnik & ingenieure GmbH weiterzuführen? Die Antwort darauf war der Verkauf des Unternehmens an die Mitarbeiter von u&i. Diese hatten – auch wenn alle Ersparnisse zusammengelegt worden wären – nicht die finanziellen Mittel, ein Unternehmen zu kaufen, dessen Wert sich im Millionenbereich befindet. Inhaber und Mitarbeiter, allen voran Thomas Schücke, stellten sich dennoch der Aufgabe und entwickelten ein Modell, mit dem es funktioniert: Jeder der 40 u&i-Mitarbeiter hat die Chance, sich mit einer Einlage von mindestens 5.000 € zu beteiligen. Durch die Beteiligung von 20 Mitarbeitern, Thomas Schücke und Nils Oldhafer kam ein beträchtliches Stammkapital zusammen. Mit diesem Stammkapital wurde die ui Mitarbeiterbeteiligungs-GmbH gegründet, welche durch die drei geschäftsführenden Gesellschafter Mirella Kahn, Margret Rauschnabel und Dr. Tammo Rebling vertreten wird. 

Am 20.12.2018 wurde durch die Mitarbeiterbeteiligungs- GmbH der Kaufvertrag über 85 % der Geschäftsanteile der umwelttechnik & ingenieure GmbH unterschrieben. Finanziert wird der Kauf durch einen Kredit der Hausbank, der durch die Gewinnausschüttungen von u&i an die ui Mitarbeiterbeteiligungs-GmbH zurückgezahlt wird. Die übrigen 15 % werden nun von einem langjährigen Geschäftspartner aus Hong Kong gehalten. Dieser Verkauf an einen Partner aus Hong Kong unterstreicht die zunehmend internationale Ausrichtung von u&i.

Die umwelttechnik & ingenieure GmbH hat nun also zwei Gesellschafter – die ui Mitarbeiterbeteiligungs-GmbH und den Geschäftspartner aus Hong Kong. Manfred Schubert ist mit Gründung der ui Mitarbeiterbeteiligungs- GmbH aus dem Unternehmen ausgeschieden. Thomas Schücke und Nils Oldhafer sind weiterhin die operativen Geschäftsführer von u&i und gleichzeitig Gesellschafter der ui Mitarbeiterbeteiligungs- GmbH, werden sich jedoch nun in vielen Entscheidungen eng mit ihren neuen Gesellschaftern abstimmen. In dieser neuen Struktur soll ein Management entstehen, welches den Anforderungen von Führung in einer globalisierten Welt gerecht wird, in der das Unternehmen mittel- und langfristig eine Selbstorganisation mit einer extrem flachen Hierarchie wird. Entscheidungsstrukturen und Verantwortung werden auf die Schultern Vieler verteilt, ohne dass die Schnelligkeit und Flexibilität, die u&i ausmachen, verloren gehen. Aus Sicht der alten und neuen Gesellschafter sind hierdurch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der umwelttechnik & ingenieure GmbH erfüllt. Mit einem großen Schritt geht u&i auf diese Weise in Richtung eines modernen und zukunftsorientierten Unternehmens, in welchem Mitarbeiter aktiv an Entscheidungsprozessen und auch am Erfolg des Unternehmens beteiligt werden. Gleichzeitig bleibt die bewährte Unabhängigkeit des Unternehmens von Großkonzernen und die damit verbundene Unternehmenskultur erhalten – denn wer kennt und lebt das Unternehmen besser als die eigenen Mitarbeiter?

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