Trotz des Denkmalschutzes gelingt es nicht immer, erhaltenswerte Gebäude tatsächlich über die Zeit zu retten. Positives Gegenbeispiel ist die ehemalige Montagehalle des einstigen Maschinenherstellers IBAG in Neustadt an der Weinstraße. Das im Laufe der Jahre stark in Mitleidenschaft gezogene Gebäude startet jetzt nach umfassender Sanierung und dem Umbau zu Maisonettewohnungen in ein zweites Leben. Dabei wurden alle Betonteile instand gesetzt und teilweise auch ersetzt.
Wie kaum ein anderes Bauwerk steht die IBAG-Halle (Internationale Baumaschinenfabrik AG) für eine neue Ära im Bauwesen. Das 1911 in Neustadt a. d. Weinstraße von Wayss & Freytag nach dem Entwurf des Ingenieurs und Architekten Karl Fischer erstellte Gebäude ist eines der ersten Eisenbetonbauwerke in Deutschland, das in Skelettbauweise erstellt wurde – der treffendere Begriff „Stahlbeton“ wurde erst ab 1943 gebräuchlich. Die nach dem Vorbild einer dreischiffigen Basilika errichtete Halle verfügt bei einer Länge von 96 Metern über eine Breite von 25 Metern (Mittelschiff 13 Meter, Seitenschiffe je 6 Meter). Am südlichen Ende der eigentlichen Hallenkonstruktion schließt sich die frühere Schmiedehalle mit einer Länge von 24 Metern und einer Breite von ebenfalls 25 Metern an.
Kurz vor Kriegsende wurden im März 1945 große Bereiche auf dem Firmengelände der IBAG bei einem Bombenangriff zerstört. Auch die Produktions- und Montagehalle erhielt mehrere Treffer, konnte jedoch nach dem Krieg wiederaufgebaut und weiter genutzt werden. Seit 1997 stand die Halle leer. 2001 wurde sie als Kulturdenkmal eingestuft und stand seitdem unter Schutz. Ein Konzept für die Weiternutzung fand sich jedoch erst, als ein Investor die Halle 2015 erwarb. Nach denkmalgerechter Sanierung und einemUmbau sollte die ehemalige Maschinenhalle markantes Zentrum eines neuen Wohngebietes aus Reihen- und Doppelhäusern werden, die derzeit auf dem früheren Firmengelände gebaut werden.
Seit 2017 wird in der alten Maschinenhalle gebaut. Moderne Lofts mit großen Fenstern und lichtdurchfluteten Räumen sollen hier als zweigeschossige Maisonettewohnungen entstehen. Alle Einheiten sind mit Terrasse und einem kleinen Garten sowie einer Dachterrasse mit Panoramablick ausgestattet. Variable Grundrisse bieten den Eigentümern ein hohes Maß an Individualität. Ein Ausbau mit hochwertigen Materialien, der das historische Ambiente mit einbezieht, sorgt für eine einzigartige Atmosphäre. Sämtliche Wohnungen sind in Holzständerbauweise ausgeführt und in den Seitenschiffen der Halle angeordnet. Das Mittelschiff bleibt frei und weitgehend in seiner ursprünglichen Form erhalten.
Herstellen der Standsicherheit
Die in enger Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden durchgeführte Sanierung legt besonderen Wert darauf, das äußere Erscheinungsbild der Halle möglichst unverändert zu erhalten. Basis der Arbeiten war ein Instandsetzungskonzept von Dipl.-Ing. Edmund Ackermann von KuA-Consult Ingenieurgesellschaft aus Darmstadt. Grundlage war eine umfassende Kartierung und Beurteilung der vorhandenen Schäden (Feststellung des Ist-Zustandes) und die darauf basierende Festlegung des Soll-Zustandes. Die von der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e. V. empfohlene Vorgehensweise hat sich bewährt: Innerhalb von nur sechs Monaten konnte die mit einer Brutto-Auftragssumme von 1 Million Euro kalkulierte Instandsetzung abgeschlossen werden. Insgesamt bezog sich die Maßnahme auf drei große Bereiche: Brandschutz, Standsicherheit und Dauerhaftigkeit.
An Planer und Ausführende stellte die Instandsetzung der IBAG-Halle hohe Anforderungen. Krieg und 20 Jahre Leerstand hatten der Substanz zugesetzt. Das Gutachten zur Standsicherheit ergab, dass zahlreiche Bauteile standsicherheitsgefährdet waren und instandgesetzt bzw. ersetzt werden mussten. Grundlage der Beurteilung war eine materialtechnologische Untersuchung der Betonbauteile sowie die Bestandsstatik von 1910. Demnach war die Sanierung von drei Bögen im Dach nicht mehr möglich. Sie wurden komplett herausgenommen und neu betoniert. In em Zuge wurden auch die Saumträger mit den Zugbändern komplett erneuert. Auch hier erfolgte die Ausführung mit Beton der Güteklasse C20/25. Stützenköpfe und Unterzugenden waren abgeschert bzw. gerissen und somit nicht mehr tragfähig. Hier wurde die alte Substanz unter Beibehaltung der Bewehrung mit Höchstdruckwasserstrahlen abgetragen, verschalt und über Befülltrichter mit Vergussbeton der Schwindklasse SKVB0 neu betoniert. Die Fußpunkte zahlreicher Obergadenstützen wiesen an vielen Stellen beinahe hundertprozentige Querschnittsverluste der Bewehrung auf. Auch diese Stellen wurden analog zu den Unterzugsenden vollständig, einzelne Obergadenstützen sogar komplett erneuert.
In Teilbereichen war die Standsicherheit der Halle rechnerisch nicht mehr nachweisbar. So fehlten im Fassadenbereich teilweise die Stützen mit den dazwischenliegenden Querriegeln komplett. Sie waren zu einem früheren Zeitpunkt einfach herausgeschnitten worden. Der ursprünglichen Statik war jedoch zu entnehmen, dass die Außenstützen zusammen mit den Unterzügen, den Hängesäulen und dem Längsunterzug in der Außenachse einen aussteifenden Rahmen bildeten. Hier wurde die ursprüngliche Konstruktion wiederhergestellt. Ähnlich wurde im Innenbereich der Halle verfahren, wo in der Vergangenheit ebenfalls ein Unterzug entfernt und drei Hängestützen abgeschnitten worden waren. Zwar erfolgte seinerzeit der Einbau einer Stahlträgerkonstruktion als Ersatzmaßnahme, die Standsicherheit der Halle ließ sich in diesem Bereich dennoch rechnerisch nicht nachweisen, sodass auch hier der Unterzug und die Hängestützen in ihrer ursprünglichen Form wiederhergestellt wurden.
Herstellen der Dauerhaftigkeit
Neben der statischen Ertüchtigung des Objektes war die Herstellung der Dauerhaftigkeit die zweite große Herausforderung. Die im Vorfeld stichprobenartig durchgeführten materialtechnologischen Untersuchungen ergaben, dass der Beton an allen Bauteilen bis eutlich hinter die Bewehrung karbonatisiert war. Die Untersuchungen zeigten auch, dass der Schädigungsgrad an den Stahlbetonbauteilen der Fassadenflächen auf der Westseite deutlich stärker war, als der auf der Ost-, Nordoder Südseite. Die Betongüten der Stahlbetonbauteile variierten stark. Die Ursache dafür sehen die Konzeptersteller in der Betonherstellung und den 1911 üblichen Verdichtungsverfahren. An zahlreichen Stellen wurden großflächige Betonabplatzungen über korrodierter Bewehrung festgestellt.