Wollen – können – dürfen

Eigenmotivation und -verantwortung der Mitarbeiter fördern

Deutsches Ingenieurblatt 6/2019
Management

Unternehmen benötigen zunehmend Mitarbeiter, die hochmotiviert auch neue, komplexe Aufgaben angehen und aus den bei deren Bewältigung gesammelten Erfahrungen für die Zukunft lernen. Diese Kompetenz gilt es, bei ihnen zu fördern.

In unserer Arbeitswelt stehen die Mitarbeiter der Unternehmen häufig vor neuen Herausforderungen und Aufgaben. Also benötigen die Unternehmen zunehmend Mitarbeiter, die diese beherzt angehen – und zwar eigeninitiativ. Deshalb achten viele schon beim Einstellen neuer Mitarbeiter verstärkt darauf, wie diese als Person agieren: Ergreifen sie zum Beispiel gerne selbst die Initiativeoder arbeiten sie lieber Aufgaben gemäß den Vorgaben systematisch ab? Ein Werturteil ist hiermit nicht verknüpft, denn letztlich benötigen (fast) alle Unternehmen beide Mitarbeitertypen.

Doch sind die Mitarbeiter mit dem gewünschten Persönlichkeitsprofil an Bord, ist das keine Garantie dafür, dass diese im Betriebsalltag tatsächlich das gewünschte Verhalten zeigen, denn neben dem „Wollen“ ist hierfür auch das „Können“ und „Dürfen“ wichtig.

Also müssen die Unternehmen für die nötigen Rahmenbedingungen für ein eigenständiges und -verantwortliches Arbeiten sorgen. Hierzu zählt es, den Mitarbeitern die erforderlichen Entscheidungs- und Handlungsspielräume einzuräumen. Außerdem muss in der Organisation eine Kultur bestehen, in der das Machen von Fehlern erlaubt ist – zumindest, solange man hieraus lernt. Einmal angenommen, die Mitarbeiter sammeln die Erfahrung, dass sie bei Fehlversuchen sofort am Pranger stehen. Dann versuchen sie die nächste schwierige Aufgabe erst gar nicht selbst zu lösen. Sie gehen vielmehr gleich zu ihrem Chef und fragen ihn: „Was soll ich tun?“ Das führt letztlich zu einer Mehrbelastung der Führungskräfte. Es liegt also in ihrem Eigeninteresse, eine Kultur zu schaffen, die ihre Mitarbeiter zu einem eigenständigen und -verantwortlichen Handeln motiviert.

Existiert diese, benötigen die Mitarbeiter allerdings auch das erforderliche Können – also die Kompetenz, die Herausforderung oder das Problem zunächst wahrzunehmen, dann zu analysieren und schließlich zu lösen.

Die Mitarbeiter befähigen und ermächtigen  Doch wie lässt sich die Motivation und Kompetenz  der Mitarbeiter fördern und sie zusätzlich dazu auffordern, stark fordernde Aufgaben anzugehen, um daraus zu lernen? Der kanadische Lerntheoretiker Albert Bandura hat dazu einige Untersuchungen angestellt. Ihm zufolge speist sich die Selbstwirksamkeit einer Person aus folgenden vier Quellen:
1. Eigene Erfahrungen im Meistern schwieriger Situationen: Sie sind für den Ausbau der Selbstwirksamkeit sehr wichtig. Denn wer schon wiederholt die Erfahrung gesammelt hat „Ich kann schwierige Aufgaben lösen“, traut sich dies auch künftig zu. Von besonderer Bedeutung sind dabei sogenannte „mastery experiences“. Sie entstehen, wenn eine Person eine Aufgabe meistert, von der sie zunächst nicht wusste: Wie löse ich sie? 

2. Lernen an Modellen und von Vorbildern: Beobachtet eine Person eine andere beim Lösen einer schwierigen Aufgabe, dann kann dies ebenfalls ihr Selbstvertrauen  stärken – getreu der Maxime: „Wenn der oder die das kann, dann kann ich das auch!“ Eine Voraussetzung hierfür ist: Zwischen den beiden Personen muss eine gewisse Ähnlichkeit bestehen. Sie müssen zum Beispiel eine ähnliche Biografie oder Persönlichkeitsstruktur haben.

3. Soziale und emotionale Unterstützung: Auch durch ermutigenden Zuspruch gewinnen Menschen Vertrauen in ihre Fähigkeiten  – jedoch nur, wenn sie der Person, die sie anspornt, die Kompetenz zum Beurteilen ihres Könnens zuschreiben. Ebenfalls 4. Emotionale Zustände und Reaktionen: Menschen schließen von ihren Emotionen und körperlichen Reaktionen auf ihre Fähigkeiten. Verspüren sie zum Beispiel Herzrasen bei einer Aufgabe, dann denken sie meist unmittelbar „Ich kann das nicht.“ – oft noch bevor sie die Machbarkeit geprüft haben. Deshalb ist es wichtig, die Ursachen der eigenen Emotionen und physiologischen Reaktionen analysieren zu können. Ist die Reaktion der Aufgabe angemessen oder handelt es sich um eine erste Schreckreaktion?

4. Emotionale Zustände und Reaktionen: Menschen schließen von ihren Emotionen und körperlichen Reaktionen auf ihre Fähigkeiten. Verspüren sie zum Beispiel Herzrasen bei einer Aufgabe, dann denken sie meist unmittelbar „Ich kann das nicht.“ – oft noch bevor sie die Machbarkeit geprüft haben. Deshalb ist es wichtig, die Ursachen der eigenen Emotionen und physiologischen Reaktionen analysieren zu können. Ist die Reaktion der Aufgabe angemessen oder handelt es sich um eine erste Schreckreaktion?

Die Mitarbeiter im Betriebsalltag coachen Die Kenntnis dieser Quellen ermöglicht es Führungskräften, im Arbeitsalltag Lernumgebungen für ihre Mitarbeiter zu kreieren, die deren Selbstwirksamkeit fördern. Unabdingbar hierfür ist es, sich regelmäßig Herausforderungen zu stellen, bei denen man zunächst vermutet: „Diese Aufgabe könnte mich überfordern“. Denn an solchen Aufgaben wachsen wir.

Beim Versuch, solche Aufgaben zu lösen, ist es sinnvoll, diese als Projekt zu sehen. Das heißt, die Führungskraft sollte mit ihrem Mitarbeiter, wenn dieser vor einer komplexen Aufgabe steht, zunächst zum Beispiel analysieren: Welche Teilaufgaben sind damit verbunden? In einem zweiten Schritt kann dann ermittelt werden, ob den Mitarbeiter die Gesamtaufgabe oder nur Teilaufgaben vor ihr erschauern lassen. Ist dies klar, kann analysiert werden, warum der Mitarbeiter zurückschreckt. Zum Beispiel, weil ihm Ressourcen und Kenntnisse fehlen? Oder weil beim Lösen der Aufgabe Konflikte mit anderen Personen entstehen können?

Ist dies ermittelt, können im Dialog mit dem Mitarbeiter ein vorläufiger Aktionsplan erstellt und aus den Teilaufgaben Teilziele ableitet werden, die es auf dem Weg zum großen Ziel zu erreichen gilt. Zudem kann die nötige Unterstützung organisiert werden. Dabei darf die Führungskraft jedoch nicht vergessen, dass das Bewältigen der Herausforderung auch dem Steigern der Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter dient. Deshalb sollte sie mit dem Mitarbeiter auch Lernfelder definieren, in denen dieser seine Kompetenz erhöhen möchte. Außerdem sollten sie mit ihm Kriterien vereinbaren, woran das Erreichen der Lernziele gemessen wird.

Sich in eine Lernspirale begeben Die für das Bewältigen der neuen, komplexen Aufgabe definierten Teil- und Lernziele haben unterschiedliche Funktionen. Das Definieren von Teilaufgaben und -zielen soll dem Mitarbeiter helfen, einen realistischen Aktionsplan zu erstellen, sodass er nach dem Projekt mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen kann: „Das war zwar schwierig, doch ich habe es geschafft.“ Und wenn er das Projektziel nicht oder nur teilweise erreichte? Dann ermöglichen ihm die definierten Teilziele, im Rückblick – alleine oder mit seiner Führungskraft – zu analysieren: Welche Teilaufgaben löste ich mit Bravour und wo traten Schwierigkeiten auf? Das heißt, er kann sein „Scheitern“ relativieren. Das ist wichtig für sein Selbstvertrauen. Außerdem kann er dann neue Lernfelder und -ziele für sich definieren.

Das Definieren von Lernzielen hat die Funktion, dass der Mitarbeiter, wenn die komplexe Aufgabe gelöst ist, ermitteln kann, welche neuen Kompetenzen er erwarb und welche vergleichbaren Aufgaben er deshalb künftig meistern kann. Außerdem  kann er seinen noch bestehenden Entwicklungsbedarf ermitteln.

Unterstützen Führungskräfte ihre Mitarbeiter so beim Bewältigen herausfordernder Aufgaben, begeben diese sich in eine Lernspirale. Das führt zu einem systematischen Ausbau ihrer Kompetenz. Also steigen auch ihre Fähigkeit und ihr Selbstvertrauen, neue Herausforderungen beherzt anzugehen und zu meistern. Das führt mittelfristig auch zu einer Entlastung der Führungskräfte.

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