Während eines einwöchigen Freiwilligeneinsatzes im September bauten rund 20 Mitarbeiter deutscher Bau- und Immobilienunternehmen in der kenianischen Provinz Laikipia ein neues Zuhause für Familien aus prekären Wohnverhältnissen. Die Initiative „HoffnungsBAUer“, die von der internationalen Hilfsorganisation Habitat for Humanity ins Leben gerufen wurde, richtet sich speziell an Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche. Die Organisation macht es sich zum Ziel, das Menschenrecht auf angemessenes Wohnen weltweit durchzusetzen, und betreibt dafür Hilfsprojekte in über 70 Ländern. In einer sehr persönlichen Art und Weise beschreibt der Autor, wie er diesen Einsatz unter Bedingungen, die unserer Lebens- und Bauweise in Deutschland so fremd sind, erlebt hat.
Ich bin schon viel gereist, auch in sehr arme Regionen der Welt, wie Laos oder Kambodscha,– doch noch nie erlebte ich so hautnah, was Armut wirklich für Menschen bedeutet. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie mittellos die Einwohner unseres Einsatzorts Nanyuki, 200 Kilometer nördlich von Nairobi und direkt am Mount Kenia gelegen, wirklich waren. In der ländlichen Region in unmittelbarer Nähe zum Äquator haben die meisten Einwohner keinen angemessenen Zugang zu grundlegender Infrastruktur. Sie sind dem hohen Risiko ausgesetzt, an Malaria, Durchfall, Atemwegsinfektionen und Parasitenbefall zu erkranken. Fast ein Drittel der Bevölkerung lebt in extremer Armut. Die meisten Menschen verbringen ihr Leben in einfachsten Wellblechhütten, die Starkregen und Sturm nicht standhalten. Häufig steht einer Familie von acht Personen ein Zuhause von nur wenigen Quadratmetern ohne Fenster und fließendes Wasser zur Verfügung. Als HoffnungsBAUer haben wir uns auf den Weg in diese Region gemacht mit dem Ziel, solche Wohnsituationen zu verbessern. Innerhalb einer Woche errichteten wir gemeinsam mit einheimischen Freiwilligen und Mitarbeitern, die von Habitat for Humanity Kenia angeworben und angestellt wurden, Häuser für zwei hilfsbedürftige Familien – eine wertvolle und impulsgebende Erfahrung, bei der wir unmittelbar erlebten, wie unsere Hilfe direkt bei den Ärmsten der Armen ankommt.
Hausbauprojekt eröffnet neue Perspektiven
Nach einem herzlichen Empfang durch die Ortsgemeinschaft begannen wir sofort mit der Arbeit und betonierten die Bodenplatten. Handwerker aus der Region, die Habitat for Humanity auftragsweise beschäftigt, hatten vorab die Streifenfundamente für die circa 40 Quadratmeter großen Häuser gelegt. Aus Sand, Kies, Zement und Wasser mischten wir den Beton ohne die Hilfe einer Betonmischmaschine und verteilten die Masse mit Schubkarren auf dem Fundament. Für eine Bodenplatte werden jeweils etwa 40 Schubkarren Sand und Schotter benötigt sowie sechs bis sieben 50 Kilogramm schwere Zementsäcke– da war Arbeitsschweiß vorprogrammiert und das Bauen wurde zum Fitnessprogramm.
Dank der tatkräftigen Unterstützung der einheimischen Handwerker kamen wir mit den Arbeiten schnell voran – auch die Familienmitglieder selbst packten mit an. Während der gemeinsam verbrachten Zeit war es faszinierend für mich zu sehen, wie sich die Menschen trotz großer Armut ihren Lebensmut bewahren.
Die Einheimischen leben in einfachsten Lehm- und Blechhütten und schlafen häufig direkt auf dem Lehmboden. Nichtsdestotrotz ließen sie sich die harten Lebensbedingungen kaum anmerken und wir wurden mit größter Herzlichkeit und Gastfreundschaft empfangen. Das hat mich nachhaltig beeindruckt und mir auch ein Stück weit die Augen geöffnet.
Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere von uns ein bisschen demütig an seinen privilegierten Arbeitsplatz zurückkehrte angesichts des Wissens, wie die Menschen in Kenia ihren Alltag meistern müssen.
Teamarbeit wird zur einmaligen interkulturellen Erfahrung
Schon an Tag eins gelang es uns, beide Bodenplatten fertigzustellen, sodass sie über Nacht aushärten konnten. Am Tag darauf ging es ans Mauern. Von Hand zu Hand reichten wir pro Haus die 2.500 benötigten Steine in Richtung Bodenplatte. Im Trockenbauverfahren setzten wir schließlich die aus Lehm und Zement gepressten und sonnengetrockneten Steine per Nut und Feder aufeinander.
Entlang des Bauprojekts war es für uns alle erstaunlich mitzuerleben, wie schnell die bunt gemischte Gruppe zu einer Einheit zusammenwuchs. Auf der Baustelle spielten Alter, Herkunft oder berufliche Position keine Rolle. Wir unterstützten uns alle gegenseitig, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprachen. Besonders schön war es zu sehen, mit welch großer Einsatzbereitschaft alle Teilnehmer auf der Baustelle mitarbeiteten.
Ob beruflich mit handwerklichem Hintergrund angereist oder nicht – keiner war sich zu schade mitanzupacken, auch wenn als Werkzeug mal eine abgenutzte Zange oder ein stumpfes Sägeblatt dienen musste. Jeder hat körperlich alles gegeben. So standen stets die Zusammenarbeit mit den Menschen und das Ziel, gemeinsam etwas Sinnvolles zu schaffen, im Vordergrund.
Improvisieren gehört dazu
Dass Häuserbauen in Kenia anders funktioniert als in Deutschland, zeigt sich in erster Linie an der Ausstattung. Die gelernten Maurer unter uns konnten kaum glauben, welch einfaches Werkzeug die Kenianer zum Häuserbau verwenden. Sie besitzen vor Ort zum Beispiel keine Wasserwaage, sondern nutzen wie in vergangenen Zeiten einen Wasserschlauch als Messgerät, um zu sehen, ob die Mauer sich in der Waage befindet. Für den Mauerbau werden die Steine mit einer Machete in die passende Form gebracht. Auch die lokale Vorgehensweise beim Hausbau stand nicht in Einklang mit den Normen und Ansprüchen, die wir aus Deutschland gewohnt sind. An einigen Stellen mussten wir mächtig improvisieren. Für die Bewehrung des Betonringbalkens mit einem Stahlgitterkorb beispielsweise galt es, zunächst dünne Eisenstangen auf ein einheitliches Maß zuschneiden und in Quadrate zu biegen. Auch die dicken Stangen mussten wir entsprechend kürzen, um dann jeweils pro Wand vier Stangen in den Ecken der Quadrate mit Draht zu befestigen. Nach erfolgreicher Vorbereitung des Materials stellten wir dann jedoch fest, dass die Gitterkästen zu breit und zu hoch veranschlagt wurden, um die erforderlichen zwei Zentimeter Beton auf allen Seiten in die Verschalung zu gießen. Kurzfristig mussten wir die bisherigen Arbeiten korrigieren und noch einmal die Eisensäge zum Einsatz bringen. So herrschte an Tag vier Ernüchterung und auch ein bisschen Frustration im Team, dass die Arbeiten nicht so schnell vorangekommen waren, wie erhofft.
Am letzten Tag gaben wir dann Vollgas.
Es galt die Verschalung fertigzustellen, letzte Lücken zu stopfen und stabilisierende Stützbalken an die Bretter zu nageln. Um den Beton in die Verschalung des Hauses zu gießen, bildeten wir eine Menschenkette. Ein Teil der Gruppe mischte an, der andere Teil reichte Eimer um Eimer weiter über eine aus Balken und umgedrehten Schubkarren zusammengebastelte Rampe. So gelang es uns, innerhalb von einer Stunde den Betonringbalken fertigzustellen – das wäre selbst mit einer Betonpumpe in Deutschland nicht schneller zu schaffen gewesen. Am letzten Tag, kurz vor der feierlichen Schlüsselübergabe, hatten wir beide Rohbauten fertiggestellt.
Hilfe in der Region verankern
Das Herstellungsverfahren der Mauersteine entwickelte Habitat for Humanity bereits im Vorfeld gemeinsam mit den lokalen Handwerkern. Dabei sieben Hilfskräfte Erde, vermischen diese mit Zement und drücken die Masse in eine Presse. Im Anschluss trocknet dann die Sonne die Pressziegel. Heute werden diese Ziegel nicht nur für die Hilfsprojekte eingesetzt, sondern die örtliche Bevölkerung kauft sie auch für eigene Bauprojekte. Durch die Herstellung der Steine bekommen einheimische, meist ungelernte Kräfte eine Einkommen generierende Aufgabe. Um sicherzustellen, dass auch tatsächlich diejenigen begünstigt werden, die am dringendsten Hilfe benötigen, und in der Nachbarschaft kein Neid entsteht, rief Habitat for Humanity im Vorfeld des Einsatzes ein Komitee aus lokalen Partnern und Vertretern der Dorfgemeinschaft ins Leben. Dieses wählte gemeinsam anhand von Bedürftigkeitskriterien, wie Einkommen und Wohnsituation, die Familien aus, die ein neues Zuhause bekommen sollten.
Bevor die neuen Bewohner einziehen können, errichten kenianische Handwerker noch das Dach, setzen Fenster und Türen ein und verputzen die Mauern. So bieten die Häuser auch in der Regenzeit Schutz und bleiben sicher. Auch wenn wir grundsätzlich die Erfahrung gemacht haben, dass die lokale Bauweise für die in der Region herrschenden klimatischen Verhältnisse und finanziellen Möglichkeiten gut geeignet ist, konnten wir dennoch eine sinnvolle und umsetzbare Optimierungsidee einbringen.
So erwägt Habitat for Humanity nun, bereits vor Baubeginn Fertigteile für die Ringbalkenschalung vor Ort zu entwickeln. Im Team diskutierten wir auch wichtige statische Verbesserungen zu den Ringbalken. In erster Linie ist es der großen Motivation und Einsatzbereitschaft aller Teilnehmer zu verdanken, dass wir unser ambitioniertes Ziel erreichten, zwei Häuser innerhalb von fünf Tagen zu errichten. Mit diesem Erfolgserlebnis im Gepäck kehrten wir alle zufrieden und erschöpft von der einwöchigen Auszeit auf der Baustelle in unseren Alltag zurück. Doch das Gefühl, das überwiegt und sicherlich noch lange nachwirken wird, ist der Stolz. Stolz, Teil der Gruppe gewesen zu sein und gemeinsam etwas Sinnvolles und Sichtbares geschaffen zu haben.
Die Initiative „HoffnungsBAUer“
Die Initiative „Die HoffnungsBAUer“richtet sich an Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche, die sich gemeinsam für Menschen in Armut einsetzen. Damit wird den Unternehmen die Möglichkeit gegeben, sich im Einklang mit der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit sozial zu engagieren. Die HoffnungsBAUer unterstützen die Arbeit der Hilfsorganisation Habitat for Humanity Deutschland, die für und mit Menschen weltweit ein würdevolles Zuhause errichtet und darüber hinaus Hilfsprojekte im Bereich Wasser- und Sanitärversorgung sowie Katastrophenvorsorge umsetzt. Habitat for Humanity Deutschland trägt das Zertifikat für verantwortliche Mittelverwendung und geprüfte Transparenz des Deutschen Spendenrats und leistet als Mitglied im Bündnis Aktion Deutschland Hilft schnelle Katastrophenhilfe und engagiert sich im Wiederaufbau.