Bis 2045 soll in Deutschland die Wärmewende eingeleitet werden. "Wir brauchen hier eine schrittweise Einführung von klimaneutralen Wärmelösungen statt eines harten Nutzungsverbots." Das fordert Jochen Theloke, Geschäftsführer der Gesellschaft Energie und Umwelt im Verein Deutscher Ingenieure (VDI, Düsseldorf). Wir fragten ihn nach seinen Lösungsvorschlägen.
Der VDI hält die aktuelle Ausbaugeschwindigkeit der erneuerbaren Energien weder im Stromnoch im Wärmesektor für ausreichend, um diese politischen Ziele zu erreichen. Er rät stattdessen dazu, passende gesetzliche, regulative und ökonomische Rahmenbedingungen zu schaffen, um einen ausreichenden Ausbau der verschiedenen erneuerbaren Energien zu beschleunigen.
Was brauchen wir hier genau?
Damit wir 2045 Treibhausgasneutralität erreichen, sollte der Stromsektor bis 2035 weitgehend keine Treibhausgase mehr verursachen. Um dies zu erreichen, wurden hierzu im letzten Jahr bereits einige regulatorische Maßnahmen verabschiedet – beispielsweise EEG 2023, "Wind-an-Land-Gesetz", "Windenergie-auf See-Gesetz2 und andere, auch Oster- und Sommerpaket der Bundesregierung genannt. Damit ist eine gute Grundlage gelegt, was die steigenden Zahlen bei Solar- und Windkraftanlagen zeigen.
Aber das reicht nicht aus?
Für die umfassende Energiewende braucht es noch weitere Maßnahmen wie den Netzausbau, die Elektrifizierung des Wärmesektors und die Einführung der Elektromobilität. Mit steigenden Anteilen Solar- und Windenergie in der Stromerzeugung müssen auch Maßnahmen zur Stabilisierung des Stromnetzes durch Batterien, flexible Kraftwerke und steuerbare Lasten geschaffen werden. Weiter müssen Anreize zur Effizienzsteigerung erhöht werden. Hierzu muss auch die Regulatorik, beispielsweise im Energiewirtschaftsgesetz, weiterentwickelt werden, vielleicht durch Einführung von zeitabhängigen Stromtarifen. Und die Bürgerinnen und Bürger müssen mitgenommen werden.
Als Instrumente schlagen wir beispielsweise auch die Verteuerung von fossilen Energien durch eine EU-weit abgestimmte deutliche Erhöhung der CO2-Abgabe und die Erhöhung der Quote für erneuerbare Energien zur Wärmeerzeugung im Gebäudeenergiegesetz GEG vor. Damit würden der Ersatz fossiler Wärmeerzeuger oder die Installation von Solaranlagen bei Neubauten indirekt forciert.
Halten Sie eine EU-weit abgestimmte Erhöhung der C02-Abgaben für möglich?
Grundsätzlich ist die Bepreisung von CO2 der richtige Weg, um Marktimpulse für eine effiziente Nutzung von Energie zu geben und den Ersatz von fossilen Energien durch klimaneutrale erneuerbare Energien anzureizen. Allerdings sind Emissionshandelssysteme bei Großverbrauchern wie der Industrie oder dem Transportgewerbe gut umzusetzen, private Verbraucher können damit aber auch schnell überfordert sein. Deshalb sollte dies im privaten Sektor durch Förderprogramme und durch Vorgaben wie im Gebäudeenergiegesetz ergänzt werden.
Und wie sollte man diese Abgaben gestalten, um nicht gleichzeitig Unternehmen dadurch in finanzielle Bedrängnis zu bringen?
Ende April 2023 wurde von der EU im Rahmen von Fit for 55 ein neues, separates Emissionshandelssystem für Gebäude, den Straßenverkehr und weitere Sektoren (vor allem Kleingewerbe) eingeführt, um kosteneffiziente Emissionssenkungen in diesen Sektoren zu gewährleisten, bei denen sich eine Dekarbonisierung bisher als schwierig erwiesen hat. Das neue System wird ab 2027 für Händler gelten, die Brennstoffe für Gebäude, den Straßenverkehr und weitere Sektoren liefern.
Ist es realistisch, dass schon ab 2025 Neubauten und Neuanlagen ausschließlich mit nicht-fossilen Brennstoffen beheizt werden können?
Schon heute liegt im Neubau der Anteil von Wärmepumpen bei über 50 Prozent. Im Jahr 2022 wurden 236.000 Wärmepumpen installiert, die Hersteller haben angekündigt, die Zahl im Jahr 2024 auf 500.000 Wärmepumpen zu verdoppeln. Außerdem steigen die Zahl der Wärmenetze und auch die Nutzung der Biomasse und der Geothermie. Grundsätzlich ist dies also möglich. Entscheidend sind klare Rahmenbedingungen der Politik. Dann werden sich die Planer, Hersteller und Installateure darauf einstellen und dies auch bewältigen. Der Strommix wird im Jahr 2025 noch nicht klimaneutral sein, aber Jahr für Jahr größere Anteile erneuerbarer Energien enthalten.
Für bestehende Anlagen schlagen Sie einen verbindlichen Ausbaupfad, beispielsweise mittels schrittweiser Ergänzung der Wärmebereitstellung, vor. Wie kann dieser Pfad genau aussehen?
Die Bestandsgebäude sind die große Herausforderung der Wärmewende. Viele Gebäude müssen energetisch saniert werden und alte, fossile Wärmeerzeuger durch neue Heizgeräte, in der Mehrzahl Wärmepumpen, ersetzt werden. Die große Zahl der Gebäude und der Etagenund Gebäudeheizungen können nur Stück für Stück umgestellt werden. Deshalb ist es richtig, wie im Gebäudeenergiegesetz vorgesehen, dass immer dann, wenn ein Wärmeerzeuger ersetzt wird, dann auch eine zukunftsfähige, vornehmlich auf erneuerbaren Energien basierende Heizung einzubauen ist. Allerdings spielen in Städten Wärmenetze künftig eine wichtige Rolle. Deshalb ist die kommunale Wärmeplanung wichtig. Hierfür werden derzeit die gesetzlichen Grundlagen geschaffen.
Wie lässt sich eine ausreichende und nachhaltige Versorgung mit grünen Brennstoffen gewährleisten?
Wenn Biomasse zur Wärmerzeugung eingesetzt wird, dann bevorzugt in Hochtemperaturanwendungen und KWK-Anlagen zur Nah- und Fernwärmeversorgung. Biomasse wird in Zukunft wahrscheinlich eher stofflich verwertet. Hier ist derzeit vieles in der Diskussion. Sie wird als speicherbare erneuerbare Energie künftig zunehmend zur Stabilisierung der Stromversorgung benötigt. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Biomasse in anderen Sektoren, beispielsweise der stofflichen Verwertung. Die Konkurrenz um den Rohstoff Biomasse wird zunehmen. Wichtig ist, dass der optimale Einsatz der wertvollen Biomasse aktiv gesteuert wird und ihre Nutzung sich an dem Nutzen für die Volkswirtschaft und die Gesellschaft orientiert. Hierzu gehören eine fundiertere Kenntnis über verfügbare Mengen und Qualitäten und die Einführung eines transparenten Systems zur Bewertung ihres Nutzens in den verschiedenen Anwendungen.
Sie sagen, eine schrittweise Einführung statt eines harten Nutzungsverbots sei auch sinnvoll, um die Transformation sozialverträglich zu gestalten?
Die Herausforderung ist, den Übergang von hauptsächlich fossil befeuerten Heizanlagen zu klimaneutralen, das heißt, überwiegend elektrischen Wärmeerzeugern in zwei Jahrzehnten zu schaffen, ohne die Menschen zu überfordern. Im Vordergrund steht die Vorgabe, beim Einbau von Heizanlagen in Neubauten und bei Erneuerung von Heizanlagen überwiegend erneuerbare Energien zu nutzen. Das ist kein vollständiges Verbot von fossilen Wärmeerzeugern, die beispielsweise noch ergänzend in Hybridanlagen zum Einsatz kommen können, aber es schränkt die Nutzung von fossilen Wärmeerzeugern sehr deutlich ein.
Bestehende Heizanlagen mit fossilen Brennstoffen dürfen und müssen auch noch weiterlaufen, weil nicht alle Wärmeerzeuger in einem oder zwei Jahren ausgetauscht werden können. Aber wenn ein neuer Wärmeerzeuger eingebaut wird, muss dieser zukunftsfähig sein. Sozialverträglichkeit wird erreicht durch Förderprogramme, die Mehrkosten beispielsweise von Wärmepumpen reduzieren. Und durch Ausnahmeregelungen, die von der Politik gemeinsam mit den Vertretern der verschiedenen betroffenen Gruppen ausgehandelt werden sollten.