Energieeffizient realisiert

Kostengünstiger Wohnungsbau in Frankfurt-Oberrad

Deutsches Ingenieurblatt 09/2018
Objekte

Mit einer Miete von maximal zehn Euro pro Quadratmeter wurde im Frankfurter Stadtteil Oberrad eine Wohnanlage errichtet, die hohe Wohnqualität bei gleichzeitig niedrigen Mietkosten bietet. Zudem soll sie in Sachen Architektur und Energiebilanz Vorbildfunktion haben. Für dieses Ziel wurden gängige Standards konsequent hinterfragt und ein Gebäudetypus entwickelt, der auf die Minimierung des beheizten Gebäudevolumens setzt und durch eine Halbfertigteilbauweise auch die Baukosten senkt.

Knapper Wohnraum in Ballungszentren setzt die Wohnungswirtschaft unter Druck: Bezahlbare Mietpreise sollen nicht zulasten von Energieeffizienz und Qualität gehen. Deshalb hat das Architekturbüro schneider+schumacher zusammen mit der Wohnungsbaugesellschaft ABG Frankfurt Holding einen standardisierten Wohnbautypus entwickelt, der zum ersten Mal im Frankfurter Stadtteil Oberrad realisiert wurde. Zwei parallele volumenoptimierte Wohnriegel mit Satteldach sitzen in den Mainauen – ganz im Kontext der umliegenden Bebauung. Das Verhältnis von Gebäudehülle zum umbauten Raum ist energetisch günstig und ein erster entwurfstechnischer Schritt in ein Niedrigenergiekonzept. Doch auch anderweitig ist das Gebäude energetisch „komprimiert“: In dem Modellkonzept wurde auf einen Keller verzichtet. Zudem sitzt die gesamte Gebäudeerschließung mit Treppenhäusern vor der Fassade. Hierdurch ließ sich das beheizte Gebäudevolumen auf die bewohnten Flächen reduzieren. Dies ist auch gestalterisch ein Gewinn, denn der stete Wechsel zwis hen Treppenläufen und den dazwischen gesetzten Balkonen rhythmisiert die Fassade und nimmt ihr die Monotonie der Länge. Für einen barrierefreien Ausbau ist es jederzeit möglich, den Treppenläufen nachträglich eine Liftanlage beizustellen.

Modulares Prinzip für Kosteneffizienz

Den Wohneinheiten sind einfache Konstruktionsprinzipien zugrunde gelegt: reduzierte und kurze Technikleitungen, eine optimierte Haustechnik sowie ein systematischer Aufbau und sich wiederholende Bauelemente. Je zwei Wohnungen sind zu einer modularen Einheit zusammengeschlossen und werden über die außen liegende Treppe zugänglich. Beidseitig der Treppen sitzen geräumige Balkone. Man tritt ein und steht im Wohnzimmer oder der Küche mit Esstisch. Unnötige Energiefresser wie Eingangsdiele oder lange Erschließungskorridore sucht man vergeblich. Solch einfache Grundrisse sind eine mögliche Antwort auf steigende Mietkosten in den Ballungsräumen.

Die Spiegelung des Wohnungsgrundrisses ermöglicht eine Konzentration der haustechnischen Versorgung. Alle Küchen und Bäder werden über zentral angeordnete Schächte versorgt. Die einzelnen Wohnungen sind in einem Vier-Raum-System angelegt, das eine flexible Wohnungsgröße ermöglicht, indem jeweils ein Raum aus der benachbarten Wohnung hinzugeschaltet oder abgetrennt werden kan  – somit entstehen also Zwei-, Drei- oder Vier- Zimmerwohnungen. In der Gebäudemitte befinden sich das Bad und ein geräumiger Abstellraum, getrennt durch einen schmalen Flur. Das Untergeschoss dient als Tiefgarage.

Ziegelmauerwerk für erhöhte Energieeffizienz

 Auch in der Statik wurde die konsequente Optimierung aller Bauteile umgesetzt. Die gesamte Lastabtragung des Gebäudes findet über seitlich der Wohnungsmodule gesetzte, querlaufende Stahlbetonschotten und längslaufende Stahlbetondecken statt. Die Wohnungswände selbst sind variabel konzipiert und in Trockenbauweise ausgeführt. Die Außenfassade ist aller statischen Funktionen enthoben und ganz der energetischen Optimierung der Gebäudehülle zugeordnet. Anstelle eines Wärmedämmverbundsystems (WDVS) kam mit einem Mauerwerk aus Ziegeln ein langlebiges und nachhaltiges Material zum Einsatz. Hierbei entschied sich der Bauherr für den wärmedämmenden Hochlochziegel „Unipor W07 Coriso“ mit einer mineralischen Füllung. Die Mauerziegel in einer Stärke von 36,5 Zentimetern wurden im Dünnbettmörtel versetzt und außen mit einem mineralischen Putz versehen. Alle Mauerwerksabschnitte sind so angelegt, dass man den Ziegel nicht schneiden muss und keine Sonderteile benötigt. So kann der wärmegedämmte Hochlochziegel seine energetischen Qualitäten voll umsetzen. In Summe konnte so mit einem monolithischen Wandaufbau ein U-Wert der Außenwand von 0,18 W/(m2K) erreicht werden.

Energetische Versorgung nach Plan
Die zudem realisierte Wärmerückgewinnung ist für Heizung und Warmwasser nutzbar. Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach deckt einen Großteil des benötigten Stroms ab, eine Frischwasserstation ermöglicht niedrige Systemtemperaturen. Die technische Gebäudeausstattung in den 46 Wohnungen ist auf das Notwendige reduziert und wird über zentrale Schächte kosteneffizient in den Wohnungen verteilt. Eine Fensterfalzlüftung reduziert die energetischen Lüftungsverluste kontrolliert auf das erforderliche Maß. Trotz der luftdichten Hülle, der Wärmerückgewinnung sowie Fenster mit hochwertiger Dreifachverglasung verließen Bauherr und Planer bei diesem Modellprojekt das Grundkonzept eines Passivhauses. Stattdessen setzten sie ein KfW-Effizienzhaus 55 um. Die gesamte energetische Versorgung fußt auf dem eigens für das Projekt entwickelten „Frankfurter Klimaschutzhaus“. Zugunsten geringerer Baukosten werden in Sachen Komfort und Energieeffizienz nicht ganz die Werte eines Passivhauses erreicht,  och die Zielsetzung war auch eine andere: hoher Wohnkomfort sowie gute energetische Werte bei einem Quadratmeterpreis unter zehn Euro. Damit liegt der Mietpreis rund ein Drittel unter den üblichen Preisen auf dem Frankfurter Wohnungsmarkt. 

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