Bereits vor einigen Jahren keimte in Maximilian Neuböck die Idee auf, in den Bergen des Salzkammerguts eine künstliche Flusswelle zu erschaffen, um das ganzjährige Surfen in Österreich zu ermöglichen. Ein Eingriff in die freie Natur bedarf zur Erfüllung etliche Kriterien und behördliche Vorgaben. Nach langer Suche wurde Neuböck, heute Bauherr und Betreiber von „THE.RIVERWAVE“, schließlich an der Oberen Traun bei Ebensee fündig. An jener Stelle befindet sich im Hauptgewässer der Traun eine Blocksteinrampe. Dort beträgt der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasser bei Mittelwasser etwa einen Meter. Dieser Höhensprung im Gewässer und der ganzjährig hohe Durchfluss der Traun bieten günstige Bedingungen für den Bau einer stehenden Welle.
Das Projekt
„THE.RIVERWAVE“ ist die erste „stehende“ Flusswelle, bei der das Ausleitungsbauwerk das einen Teil des Wassers in einen erbauten Seitenarm einspeist (Abb. 1), lediglich durch ein hydraulisches Schild über einen Hydraulikantrieb gesteuert wird (Abb. 2 u. 3). Außerdem gilt „THE.RIVERWAVE“ als größte künstlich gebaute Flusswelle der Welt. Sie misst zehn Meter in der Breite und bis zu anderthalb Meter in der Höhe. Unter Berücksichtigung dieser Parameter und der exzellent bewältigten Herausforderungen überrascht es nicht, dass das Projekt beim Bayerischen Ingenieurpreis 2021 mit einem hervorragenden dritten Platz ausgezeichnet wurde.
Um den Betrieb einer solchen surfbaren Flusswelle zu ermöglichen, wurde zunächst eine Ausleitung aus der Oberen Traun unmittelbar oberhalb der Rampe am orographischen linken Ufer errichtet. Direkt unterhalb der Rampe wurde die Ausleitung wieder in die Traun zurückgeführt. Wesentlich für den Betrieb der stehenden Surfwelle war die Berücksichtigung einer möglichst großen Verstellbarkeit des hydraulischen Stahlwasserbaus, um auf die stark schwankenden Wasserstände zu reagieren. Um die vorhandenen Pegelschwankungen von bis zu 1,20 Metern im Betrieb darstellen zu können, erfolgte die Dimensionierung der Wellenanlage mit großen Freiheitsgraden. Dafür wurde eine Stahlwasserbauklappe in den Kanal eingehoben. Der obere und der untere Klappenteil laufen seitlich in Führungen, wo Hydraulikzylinder die massive Konstruktion in Schwung bringen. Aus planerischer Sicht ergab sich daraus eine komplexe Bewehrungsführung. Einerseits galt es, die Seitenwände des Kanals so dick zu bauen, dass sie jene großen Lagerkräfte, die die auskragenden Wandteile bei der Bewegung der Klappe angreifen, halten können. Andererseits galt es, die Wand möglichst dünn zu bauen, um mit der Konstruktion nicht zu weit vom Fluss abzurutschen. Um die Lagerkräfte schließlich wirtschaftlich aufzunehmen, wurden die Kanalwände aufgrund der komplexen Geometrie und der schrägen Aussparungen für die Hydraulikzylinder als Scheiben bemessen. Dafür griff „concon“ auf das FRILO-Scheibenprogramm SCN zurück. Auf Basis der dargestellten Spannungsverläufe (Abb. 4) gelang es, die Lastverteilung in den Seitenwänden sehr gut nachzuvollziehen und die Bewehrung in den Wänden zu optimieren.
Darüber hinaus wurde der Kanal in verschiedenen Bauzuständen nichtlinear bemessen. Um die regelmäßige Wartung der Anlage zu gewährleisten, muss der Kanal innen trockengelegt werden. Als Folge der Trockenlegung entsteht eine „Badewanne“, durch die wiederum die Bodenplatte des Kanals von Auftriebskräften beeinflusst wird. Um die verschiedenen Belastungen des Wasserauftriebs darzustellen, wurde mithilfe der FRILO Software eine nichtlineare Bemessung der Kanalsohle unter Zugfederausfall durchgeführt. Als Resultat wurden acht Zuganker als Auftriebssicherungen verbaut, um den Auftrieb vertikal in den Baugrund rückzusichern. „In dem speziellen Anwendungsfall von „THE.RIVERWAVE“ haben wir FRILO als Werkzeug besonders kreativ nach unseren Vorstellungen und Bedürfnissen eingesetzt. Aufgrund der außergewöhnlichen Geometrien und der unüblichen Lastfälle waren bei der Bemessungsunterstützung insbesondere die grafischen Ausgaben der Software hilfreich für uns“, stellt Benjamin Di-Qual fest.
Die Integration der Einbauteile und Aussparungen des Stahlwasserbaus erfolgte in mehreren Iterationen, um verschiedene Zwangspunkte in der Bauphase und im Betrieb auszuschließen. Zu den Zwangspunkten zählten unter anderen die Fundamente der beiden angrenzenden Hochspannungsmasten, die bestehende Uferböschung und deren Anschlüsse, eine Abwasserdruckleitung sowie die oberhalb der Böschung verlaufende Gemeindeverbindungsstraße.
Die Herausforderungen
Die zentrale Herausforderung des Projekts bestand darin, die etlichen Vorgaben aus den Genehmigungsverfahren im Hinblick auf Sicherheitsstandards, Hochwasserschutz, Grundwasser, Umwelt und Fischdurchgängigkeit planerisch nachzuweisen. Für die Umsetzung des Projekts wurden darum verschiedene Bauzustände wie die Wasserhaltung, die Auftriebssicherheit, die Hochwassersicherheit und das Umlegen einer mitten durch den Spundwandkasten verlaufenden Abwasserdruckleitung berücksichtigt. Um den sicheren Betrieb der Anlage für die Surfer zu gewährleisten, wurden in einer ausführlichen Testphase (Abb. 5) neben den Feineinstellungen der Wellenanlage auch die Funktionen des Ein- und Auslaufs, der Wasserstände und des Sedimenttransports überprüft und wenn nötig optimiert. Zudem wurde das Strömungsbild nach der Welle intensiv in allen Betriebszuständen simuliert und justiert. Um der Fischdurchgängigkeit Rechnung zu tragen, errichtete das Planungsteam einen Fischaufstieg in einer Stahl-Holzbauweise, mit der der Eingriff in das Gewässer nicht nur ausgeglichen, sondern die ökologische Bestandssituation sogar verbessert wurde. Mit dieser Konstruktion wurden seitliche Abschlüsse im Einstiegsbereich und eine Abdeckung mit Gitterrosten kombiniert.
Eine zusätzliche Herausforderung bestand in der interdisziplinären und internationalen Zusammensetzung des Planungsteams. Die Planungsaufgaben wurden von vier Ingenieurbüros aus Deutschland, Österreich und den USA gelöst, was den Datenaustausch und das Umrechnen von hydraulischen Kenngrößen und Maßen zwischen dem imperialen System der USA und den metrischen Einheiten erschwerte. Während Benjamin Di-Qual und sein „concon“-Team als leitendes Ingenieurbüro die Koordination des Stahlwasserbaus und der geometrischen Vorgaben übernahm, ließen die Partnerbüros ihr Know-how in den jeweiligen Fachbereichen in die Generalplanung einfließen. Auf diese Weise erschuf das Expertenteam eine künstliche Surfwelle als Meilenstein für den Surfsport, der mit seiner Aufnahme in das olympische Programm zukünftig auch in Binnenländern an Relevanz gewinnen wird.
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