Techtextil adressiert Architekten, Bauingenieure & Planer

Anwendungsfeld Buildtech mit zahlreichen Angeboten für das Bauen mit Fasern

News

Textile Fassadenplatten über dem Bosporus, der Deutsche Zukunftspreis 2016 für Carbonbeton und das höchste Glasfasermembranprojekt der Welt. Auf der kommenden Techtextil (9. bis 12. Mai 2017) laufen die Fäden der jüngsten Bauinnovationen zusammen.

„Neue Leichtbau- und Gestaltungsansätze im Bauwesen verlangen geradezu den Einsatz textiler Materialien“, ist Werner Sobek überzeugt. Der Star-Architekt bringt im Auftrag des Industriekonzerns ThyssenKrupp derzeit im baden-württembergischen Rottweil eine Glasfaserhülle an einen fast 250 Meter hohen Aufzugstestturm, zugleich das höchste Membranprojekt der Welt. Die spiralförmige Faserhülle soll die Erwärmung des Turmes mindern und durch ihre irreguläre Oberfläche die Anströmung des Windes schwingungsmindernd abschwächen – und natürlich soll sie Eyecatcher sein. Das nötige Spezialgewebe liefert der Textilhersteller und Techtextil-Aussteller Verseidag aus Krefeld – für Sobek inzwischen so etwas wie ein Baustofflieferant: „Für mich gehört die Zusammenarbeit mit Textilfirmen wie Verseidag genauso zum Arbeitsalltag wie die mit Stahl- oder Betonlieferanten“, sagt der Bauingenieur, der textiles Bauen schon Anfang der 90er Jahre auf der Techtextil verankert hat. Soweit reichen auch die Anfänge eines weiteren textilen Bauthemas zurück, das auf der Messe im Fokus sein wird: Textilbeton.

Was lange „wehrt“

1992 startete an der TU Dresden eines der ersten Forschungsprojekte zum Textilbeton, bei dem Fasergelege statt Stahl als Betonbewehrung fungieren. Fast ein Vierteljahrhundert später erhielt der Baustoff als Carbonbeton mit dem Deutschen Zukunftspreis 2016 den renommiertesten Innovationspreis des Landes. Zum Team der Ausgezeichneten gehörte auch Prof. Chokri Cherif, Leiter des Instituts für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der TU Dresden, das auf der kommenden Techtextil auch eine sensorische Weiterentwicklung des ausgezeichneten Baustoffs präsentieren wird.

„Wir wollen zeigen, dass sich künftige Bauwerke aus Textilbeton von innen heraus auf Beanspruchungen wie Dehnung, Temperatur und Risse überwachen lassen“, erklärt Cherif. Dazu machen sich die Forscher die Leitfähigkeit von Carbonfasern zunutze: Mechanische und thermische Beanspruchungen eines Bauwerks erzeugen messbare Widerstandsänderungen, die sich über in Carbonbeton-Bauteile eingearbeitete textile Sensoren messen lassen. Interessierte Techtextil-Fachbesucher können sich am ITM-Stand an einem Brücken-Demonstrator vom sensorischen Zusatznutzen der Carbonbewehrung überzeugen.

Brückenbauteile aus Fasern

Auch die im Sommer 2016 fertiggestellte Yavuz-Sultan-Selim-Brücke über den Bosporus bei Istanbul wird auf der Techtextil indirekt eine tragende Rolle spielen: Aussteller „solidian“ aus dem baden-württembergischen Albstadt hatte für die Fassadenplatten der rund 320 Meter hohen Brückenpfeiler Glas- und Carbonbewehrungen beigesteuert. Kurios: Ohne die Fassadenplatten aus Schwaben hätte das Projekt technisch wohl nicht realisiert werden können. „Die Baufirma hat erkannt, dass Platten aus Stahlbeton zu schwer gewesen wären“, sagt solidian-Geschäftsführer Roland Karle.

Bei der Suche nach leichteren Alternativen stießen die türkischen Erbauer auf die Leichtbau-Profis aus dem Ländle: „Wir bekamen die Parameter und haben die Statik mit Textilbeton komplett neu berechnet“, sagt Karle. „Am Ende waren wir deutlich unter dem maximal zulässigen Gewicht.“ Auf einer Fläche von 3.200 Quadratmetern schweben nun Textilbeton-Fassaden über der Meerenge zwischen Europa und Asien. Das Know-how solcher Leichtbaulösungen wollen Karle und sein Team nun auf der Techtextil der internationalen Fachöffentlichkeit zugänglich machen.

Anwendungsfeld Buildtech auf der Techtextil

Ob textilbewehrter Beton, Gewebe für Leichtbaukonstruktionen oder funktionalisierte Textilien: Auf der Techtextil (9 bis 12. Mai 2017), Leitmesse für technische Textilien und Vliesstoffe, erwartet Architekten, Bauherren, -ingenieure und -planer ein breites Angebot faserbasierter Materialien im Anwendungsbereich Buildtech. Auch in diesem Jahr werden wieder über 500 der über 1.400 Aussteller Angebote für diesen Bereich präsentieren.

Ähnliche Beiträge