Flachdächer als Upgrade für mehr Nachhaltigkeit am Bau?

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Interview mit Patrick Seidler von der S&B Strategy GmbH anlässlich der Flachdachstudie 2022

Wie ist es gegenwärtig um den Flachdachmarkt in Deutschland bestellt?

Insgesamt sind die Auftragsbücher gut gefüllt, auch in der Pandemie hat sich der allgemeine Neubau in Deutschland krisenresistent gezeigt. Wesentlichen Auftrieb gab in dieser Zeit der öffentliche Bau sowie der Wohnbau, die deutlich zulegen konnten – letzterer vor allem im urbanen Raum.
Historisch kam das Flachdach aus verschiedenen Gründen vor allem im Gewerbe- und öffentlichem Bau zum Einsatz, das Wachstum der Branche ist mittlerweile aber stark von der deutlich zunehmenden Nachfrage aus dem Wohnbau getrieben.

Warum sind Flachdächer aktuell so beliebt?

Der Trend bei Wohnimmobilien (WI) und die Beliebtheit bei Gewerbeimmobilien (GI) haben unterschiedliche Motive. Bei WI steht der zunehmende Bedarf an Wohnungsraum in dicht besiedelten Regionen und die größere Notwendigkeit einer effizienten Raumnutzung – zum Beispiel durch begehbare Dachflächen – im Vordergrund. Bei GI ist eher der Kostenfaktor und der hohe funktionale Mehrwert des Flachdachs relevant, zum Beispiel optimales Regenwassermanagement. Allgemein stellen wir fest, dass das Flachdach von den geplanten CO2-Reduktionen bei Gebäuden profitiert. Hier wären beispielsweise die umfangreichen Möglichkeiten bei der Dachbegrünung hervorzuheben.

Wie nachhaltig ist der Flachdachtrend aus Ihrer Sicht?

Wir sehen den Anteil des Flachdachs im WI-Markt deutlich im Aufschwung, auch im GI-Markt werden Flachdächer weiter nachgefragt werden. In diesem Segment wird das Wachstum bis 2025 jedoch etwas niedriger ausfallen, da sich die Nachfrage nach Neubauprojekten leicht rückläufig entwickelt. Die umfangreichen Nutzungsmöglichkeiten, besonders in Sachen Nachhaltigkeit, sprechen unserer Bewertung nach langfristig für eine positive Entwicklung des Flachdachs.

Ob Klimaziele oder Platzmangel in urbanen Regionen, Bauprojekte werden in Zukunft immer komplexer. Wie sollen Projektbeteiligte damit umgehen?

Die Komplexität kann auf mehreren Ebenen entlang der gesamten Wertschöpfungskette abgefangen werden. Verarbeiter, Planer, Architekten und der Fachhandel erwarten ein individuelles und auf ihre Bedürfnisse angepasstes Serviceangebot.
Hersteller sind gefordert je nach Stufe des Leistungsverzeichnisses Mehrwert zu generieren – beispielsweise über Planungshilfen und einen echten technischen Anwendungsvertrieb, in dem Auskunft zu detaillierten Produkteigenschaften wie Brand- und Schallschutz gegeben wird. Aus unserer Sicht sind Hersteller zudem gefordert, ihren Fokus eher auf kundenspezifischen Vertrieb umzustellen, da Architekten und Planer intensive Beratung zu Produkteigenschaften, Anwendungsfeldern, Materialeigenschaften, Designaspekten etc. benötigen.
Verarbeiter hingegen verlangen eher Hilfe zur praktischen Anwendung, wie zur Art der Verlegung der Produkte oder Kombinationsmöglichkeiten. Ganzheitliche Produktsysteme für die einzelnen Segmente des Flachdachs wie Systeme für Abdichtungen, Dämmung, Begrünung oder Dachentwässerung sorgen bei Verarbeitern, Planern und dem Fachhandel für eine erhebliche Reduktion der Komplexität. Vor allem für Verarbeiter sind dabei vollumfängliche, einfach verlegbare Produkte entscheidend, um Zeit und Kosten auf der Baustelle zu sparen. Auch bedeutet dies für sie, sich entweder auf die Kernkompetenzen zu fokussieren und / oder über M&A-Aktivitäten bestimmte Erfahrungen beziehungsweise Know-how hinzukaufen oder abstoßen, um die Organisation auf das Wesentliche auszurichten.

Gibt es allgemeine Lösungen, um der erhöhten Komplexität zu begegnen oder muss von Projekt zu Projekt eine neue Strategie entwickelt werden?

Wesentlich ist projektübergreifend das effiziente Management der Komplexität. Hersteller sind gefordert, kundenspezifisch relevante Lösungen anzubieten wie just-in-time-Baustellenanlieferung, ganzheitliche Produktsysteme als One-Stop-Shop, die auf Seiten der Planer und Architekten zu Zeitersparnissen führen. Projektbeteiligte sollten sich aktiv auf ihre jeweiligen Kernkompetenzen fokussieren und bewusst Opportunitäten außerhalb dieser Kompetenzen liegen lassen, da diese sich in der Rückschau oftmals als Komplexitäts- und damit Kostenfallen herausgestellt haben.

Für viele ausführende Betriebe sind also gezielte Zu- und Verkäufe sinnvoll, um der erhöhten Komplexität zu begegnen. Wie sieht es für Planer aus?

Die Planungsbranche könnte in den kommenden Jahren der große Ausreißer mit Blick auf den Konsolidierungstrend in der Bauindustrie werden. Hier kommt es darauf an, die Eigenheiten der einzelnen Projekte bis ins Detail zu verstehen und abzudecken. Deshalb werden Büros mit einem hohen Grad an Spezialisierung künftig im Vorteil sein, was ein weiteres Wachstum der absoluten Anzahl an Unternehmen zur Folge haben wird.
Gerade kleinere Planungsbüros sollten sich dennoch überlegen, inwieweit sie auch zukünftig die stetig steigenden Anforderungen effizient abdecken können. Dies gilt auch im Hinblick auf Themen wie Personalgewinnung, (Online-)Marketing, BIM-Fähigkeiten sowie administrative Themen. Hier sollte überlegt werden, ob ein Zusammenschluss mit dem richtigen Partner nicht Effizienzvorteile bringt, beziehungsweise ein gezielter Zukauf der Hebel für weiteres Wachstum sein kann.

Zurück zum Flachdachtrend.

Wie wird sich der Flachdachmarkt in den kommenden Jahren verändern und welche fachliche Unterstützung können Planer von Herstellerseite gegenüber den Planern erwartet werden?

Wir erwarten bis 2025 eine sehr robuste Hochbau-Entwicklung mit einem jährlichen Wachstum von über 4%, bei der das Flachdach weiter profitiert – natürlich auch getrieben durch Nachhaltigkeits- und CO2-Themen im Rahmen der Klimaziele. Planer nehmen eine Schlüsselrolle ein, um einen kostenbewussten und zielgerichteten Baubetrieb zu gewährleisten. Daher sind Hersteller gefordert, abseits vom Versenden der Produktkataloge echte Planungshilfen anzubieten, die am Ende auch zur Sicherung und Ausbau der Position im Wettbewerbsfeld führen.

Werden Rohstoffengpässe und ein immer größerer Fachkräftemangel den Betrieben einen Strich durch die Rechnung machen?

Fehlende Fachkräfte sind in den meisten Betrieben die wesentliche Hürde für weiteres Wachstum. Die Aufträge sind vorhanden, es fehlen leider die Mitarbeiter, diese auch fachmännisch umzusetzen. Dies entwickelt sich immer mehr zum Risiko bezüglich der Einhaltung der CO2-Reduktionsziele der Bundesregierung und der EU. Hier ist die Politik gefordert, schnellstmöglich Lösungsansätze zu finden. Diese könnten etwa ein gezieltes Anwerben von Fachkräften im Ausland oder flexiblere Rentenmodelle umfassen. Rohstoffengpässe sind je nach Segment weiter ein Thema, allerdings sehen wir derzeit hier eher wieder eine leichte Entspannung.

Interviewpartner

Patrick Seidler ist Gründungspartner der S&B Strategy GmbH und verantwortet den Bereich M&A.
Mit über 10 Jahren Erfahrung als Geschäftsführer, Berater und Manager mit Fokus auf Corporate- und Investor-Akquisitionen ist er Experte für M&A – sowohl für Buy- als auch Sell-Side-Mandate. Er sammelte umfangreiche Erfahrungen im Deals-Bereich von PwC, im Vorstandsstab von Hubert Burda Media sowie im Rahmen von M&A- und Strategie-Projekten für nationale und internationale Kunden in Europa und Asien. Patrick Seidler absolvierte sein Master-Studium an der Amsterdam Business School und ist als Gastdozent an der Universität Passau tätig.

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