Mit dem viergeschossigen Neubau eines Wohnhauses an der Vaterunsergasse in Ulm und damit prominent an der Donaupromenade gelegen erfährt das historische Stadtbild eine Aufwertung. Abriss und Neubau standen anfangs in der Kritik, nachdem aber eine Sanierung des historisierenden Vorgängerbaus aus den 1930 Jahren aufgrund des geringen denkmalpflegerischen Wertes nicht verhältnismäßig gewesen wäre, war ein Neubau nur empfehlenswert. Die massive Außenwandkonstruktion wurde mit hoch wärmedämmenden, perlitgefüllten Ziegeln realisiert, die klimaneutral produziert und vom TÜV Nord zertifiziert wurden.
Zunächst war von den Bauherren eine Sanierung angedacht gewesen. Der Plan war, das Wohnhaus anhand einer gründlichen Generalsanierung wieder auf einen modernen und vor allem energieeffizienten Stand zu heben. Doch zeigten 2014 erste Planungen einer Sanierung und deren Kostenkalkulation schnell, dass das Vorhaben an seine Rentabilitätsgrenze stieß und gleichzeitig von der alten Bausubstanz nicht mehr viel übrigbleiben würde.
Die Bauherren gaben deshalb ein bauhistorisches Gutachten in Auftrag mit dem Ziel, Aufschluss über Art und Umfang der historischen Bausubstanz zu gewinnen, um so dessen denkmalpflegerischen Wert genau definieren zu können. Bauhistoriker Dr.-Ing. Stefan Uhl kam letztendlich zu dem Schluss, dass der damalige Bau „in praktisch allen wesentlichen Teilen ein Neubau von 1933ff. mit nur geringen Resten von alter Bausubstanz“ darstellt. Nach Vorliegen des Gutachtens und aufgrund der Tatsache des geringen denkmalpflegerischen Wertes des Gebäudes im damalig favorisierten Heimatschutzstil freundeten sich die Bauherren mit einer Neubau-Lösung an.
Die Anforderungen waren für eine Neubebauung klar definiert: First und Traufhöhe müssen beibehalten werden, ein historisierender Bau wie das Vorgängerobjekt wurde ausgeschlossen, die Auskragung der Geschosse über dem öffentlichen Raum jedoch durfte ausgeführt werden, eine Grenzbebauung in Abstimmung mit den Nachbarn wurde ermöglicht.
Massive Ziegelkonstruktion mit
wärmedämmender Perlitfüllung
Gebaut wurde eine massive Ziegelkonstruktion aus 36,5 cm Wandstärke mit einer Rohdichteklasse von 0,85 bei einer Druckfestigkeitsklasse 12, mit einer integrierten Wärmedämmung aus dem natürlichen Vulkangestein Perlit. Die Untergeschosswände blieben als verlorene Schalung für den Keller bestehen, aussteifende Stahlbetonstützen ergänzen aus statisch erforderlichen Gründen das Mauerwerk an der Südfassade, welche aber aus Gründen des einheitlichen Materialaufbaus mit einer keramischen Wärmedämmfassade von Schlagmann Poroton vorgemauert wurden. Geschosshöhen wurden angepasst, über Souterrain und Erdgeschoss eine Wohnung ausgebaut.
Da die Architekten eine zusätzliche Wärmedämmung der Fassade von vorneherein ausschlossen und dafür ein hochwertig ausgeführtes, monolithisches Ziegelmauerwerk mit handwerklich anspruchsvollem Putz als Finish präferierten, musste der erforderliche Dämmwert über die Füllung der Ziegel geleistet werden. Die verwendeten hochwärmedämmenden Außenwände aus Planziegeln in 36,5 Zentimeter Wanddicke tragen dazu bei, den energieeffizienten Gebäudestandard einzuhalten. Der Planziegel mit einem U-Wert der Wand von 0,23 W/(m2K) hält mit einer innenliegenden Dämmung aus natürlichem Vulkangestein (Perlit) die Wohnräume im Winter warm und im Sommer kühl. Dafür sorgen seine klimaregulierenden Eigenschaften.
Das optimierte Lochbild beschert dem verwendeten Ziegel eine höhere Tragfähigkeit als bisher. Gebäude von bis zu neun Stockwerken in monolithischer Ausführung können damit realisiert werden. Mit der Druckfestigkeitsklasse 12 sowie einer charakteristischen
Mauerwerksdruckfestigkeit fk nach DIN EN 1996 (EC6) von 5,3 MN/m² hält der Objektziegel sogar einer Belastung von bis zu 530 Tonnen auf einen Quadratmeter Wand Stand. Mit einer geprüften Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten (F90-A) erreicht er zudem die geforderten Brandschutzvorgaben im Wohnungsbau. Das korrigierte, bewertete Schalldämmmaß des Ziegels beträgt bei einer Wanddicke von 36,5 Zentimetern 52,2 dB. Damit lassen sich auch erhöhte Schallschutzanforderungen im Objektbau realisieren.
Reminiszenzen an Vorgängerbauten
Der so errichtete Baukörper in massiver, einschaliger Ziegelbauweise entspricht den strengen Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung. Zahlreiche Zertifizierungen unterschiedlichster Umwelt-Labels unterstreichen die wohngesunden Eigenschaften dieser perlitgefüllten Ziegel, die zudem klimaneutral produziert werden.
Übrig geblieben von der alten Bausubstanz sind neben der Wetterfahne, die nach Abschluss der Bauarbeiten wieder auf den First gesetzt wurde, der Türstock sowie das Türblatt. Diese wurden beim Abriss vorsichtig ab- und als zentrale Haustür wieder eingebaut. Der rechteckige Türstock aus Eichenholz sowie das stichbogige Oberlicht stammen aller Wahrscheinlichkeit vom Vorgängerbau aus dem Jahr 1688.
Auf eine zusätzliche Außendämmung konnte dank der monolithischen Ziegelbauweise verzichtet werden. Dem nachhaltigen Gedanken einer langen Lebensdauer sowie wirtschaftlichen Unterhaltskosten der Fassade wurde somit Rechnung getragen.
Zu Jahresbeginn 2020 erfolgte die Fertigstellung des Gebäudes.