Die oberbayerische Gemeinde Ruhpolding konnte durch den Erwerb und die Sanierung mehrerer denkmalgeschützter Gebäude auf dem Bahnhofsgelände eine zentrale Anlaufstelle für Touristen mit optimaler Erreichbarkeit realisieren.
Mit der Ortsumgehung und einer direkten Anbindung der Umgehungsstraße mit Kreisverkehr wurden auf dem Bahnhofareal die perfekten Voraussetzungen für einen zentralen Knotenpunkt im Ortskern geschaffen. Die Verkehrsflächen um das Areal wurden angepasst: Freiflächen für Fußgänger, überdachte Fahrradstellplätze sowie Bushaltestellen und Parkplätze sind entstanden. An der für alle Verkehrsteilnehmer gut zugänglichen Stelle wurden die Tourist-Info und die Ruhpoldinger Tourismus GmbH (RTG) angesiedelt.
Möglich war dies mit einem zukunftsorientierten Instandhaltungskonzept der zum Teil denkmalgeschützten Bahnhofsbauten. Die Bausubstanz wurde besonders behutsam saniert.
Erst in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts hatte die Deutsche Bahn zwischen den beiden historischen Hauptgebäuden eine Gepäckhalle errichten lassen. Aufgrund fehlender architektonischer Qualität konnte man diese nicht in die Denkmal-Liste aufnehmen. Sie wurde inzwischen vollständig abgebrochen.
Kultur- und Tourismus-Informationen im denkmalgeschützten Gebäude
Durch diesen Schritt entstand inmitten der historischen Gebäude eine Lücke, die durch einen Neubau geschlossen wurde. Hier befindet sich heute die Ruhpoldinger Tourist- Info. Um die für den Publikumsverkehr notwendige Transparenz zu schaffen, wählte die Gemeinde Ruhpolding einen Holzbau mit großzügiger Verglasung.
Auf der Gleisseite des Bauwerks wurden Außenwand und Satteldach profilgleich an die bestehende Güterhalle angefügt. Auf Ortsseite hingegen musste das Satteldach etwas angehoben werden, um Gebäudebreite und Raumvolumen in einem angepassten Maß verwirklichen zu können.
Ein verglaster Zwischenraum verbindet das neue Domizil der Tourist-Info jetzt mit dem gemauerten Bereich der alten Güterhalle. Damit entstand ein direkter Zugang vom öffentlichen Informationsareal in den Bürobereich der Tourist-Info.
Barrierefreie Büronutzung
Der teils gemauerte und nach Norden in Holzkonstruktion weiterverlaufende Gebäudeteil des früher unbeheizten Lagergebäudes wurde durch die Innendämmung der Außenwände für die Büronutzung optimiert. Im gemauerten Bereich erfolgte dies mit einer mineralischen Putz- und Wärmedämmschicht; im Teil der Holzkonstruktion war es möglich, die Wärmedämmung zwischen die Balken sowie in der gesamten Dachfläche zwischen und unter den vorhandenen Sparren anzuordnen.
Für eine barrierefreie Büronutzung in der ehemaligen Güterhalle war die Absenkung der Bodenhöhe auf Erdgeschoßniveau nötig. Dies wurde auf der gemauerten Seite durch den Ausbau der schadhaften Holzdecke und einer ausgleichenden Kiesauffüllung realisiert, im Holzbau-Gebäudetrakt durch die Entfernung der aus Steinen und Beton gebauten Rampenfläche.
Zusätzlich hat man Verstärkungen im Vordachbereich durch von oben eingeschlitzte T-Träger und in der Dachfläche durch von zwei Seiten angedoppelte 4/20 cm starke Holzbohlen im Dachstuhl eingezogen, um die Stabilität zu erhöhen. Die Firstpfette im nördlichen Teil wurde mit zwei Stahlstützen unterstützt, im gemauerten Teil durch einen Stahlträger mit Unterspannung. Die Tragwerksplanung stammt von den beteiligten Ingenieuren.
Besonders viel Tageslicht bekommen die neuen Räume jetzt durch die Verglasung der bodentiefen Toröffnungen. Optisch ein Hingucker: Die originalen hölzernen Schiebetore dieser Öffnungen wurden im Innern der Räume wieder montiert.
Gebäudeteile verknüpft
Auf der westlichen Seite der Gebäudekomplexe haben die Planer einen Zugang zum denkmalgeschützten Bahnhofshauptgebäude
geschaffen sowie die bis dahin getrennten Raumflächen miteinander verbunden. Somit steht der überwiegende Teil der Erdgeschossfläche der öffentlichen Nutzung zur Verfügung.
Ein an der Südseite erst im 20. Jahrhundert eingebauter WC-Bereich wurde wieder entfernt. Den Einbau neuer Sanitäranlagen hat man jetzt von der Gleisseite her behindertengerecht realisiert. Die durch die Verlegung freigewordene Raumfläche konnte durch einen großen Wanddurchbruch mit dem bisherigen Warteraum verbunden werden. Ein ebenfalls von der östlichen Gleisseite her barrierefrei erreichbares Bürgerbüro ist im bisherigen Betriebsraum des Bahnhofsgebäudes untergebracht. Ein Teil dieses Raums dient abgetrennt zusätzlich als Standort der Schließfächer.
Hier gab es einen Wanddurchbruch, den man für den in den 1980er-Jahren eingefügten Fahrkartenautomaten vorgenommen hatte. Dieser wurde wieder verschlossen und der ursprüngliche Zugang zum früheren Raum für den Fahrkartenverkauf wieder hergestellt. So hat man jetzt wieder Zugang zum Bürgerbüro.
Die Bodenbeläge des gesamten Erdgeschosses stammten nicht aus der Basisbebauung und wurden komplett erneuert. An der Innenseite der Außenwände wurde ebenfalls eine mineralische Wärmedämmung mit Putzoberfläche angebracht. Auf der Gleisseite verschwand die Holz-Glas-Umfassung des ehemals hier vorhandenen Stellwerks, wodurch auf der gesamten Gebäudelänge wieder die ursprüngliche Überdachung entstand.
Zum Treppenhaus des dreistöckigen Bahnhofsgebäudes war aus Brandschutzgründen ein neuer Zugang notwendig. Dieser Zugang erfolgte früher über die ehemalige Schalterhalle, jetzt über den Eingangsraum. Da nur der südliche Teil sowie der Bereich der Schalterhalle unterkellert sind, ist auch nur hier der Zugang zum Untergeschoss möglich.
„Auf Brandschutzbekleidungen wurde aus Denkmalschutzgründen weitestgehend verzichtet“, berichten die beteiligten Experten der am Bauvorhaben beteiligten Bauingenieur Gemeinschaft Trauntal GmbH aus Ruhpolding. Nur die Holztreppe erhielt einen Flammschutz, um diese lange vor Feuer zu schützen und um den Rettungsweg aus den Obergeschossen zu sichern.
Vorgesehen war es, das Kellergeschoss für Lager-, Technik- und EDV-Räume zu nutzen. Die Substanz wartete hier mit verschiedenen Materialien auf: Die Böden waren aus glatt gestrichenem Beton gegossen, die Wände aus Bruchsteinen, das Gewölbe dagegen aus Ziegelsteinen gemauert und rau verputzt.
Die vorhandenen Fenster im Obergeschoss hat man durch passende zweiflügelige Sprossenfenster aus Holz ersetzt, da die ursprünglichen Fenster aus der Bauzeit nicht mehr vorhanden waren. Im EG und DG – den Giebelseiten – wurden die bauzeitlichen Fenster saniert.
Kontrastprogramm nach vielen Jahren Leerstand
Die beiden Obergeschosse des Bahnhofs wurden bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts als Wohnräume für Bahnbeamte genutzt. In der ersten Etage waren in zwei Wohnungen der Betriebsleiter sowie der Lokführer mit ihren Familien untergebracht. Das Dachgeschoss stand in einer Aufteilung von drei kleinen Wohneinheiten den damaligen Bahnbediensteten sowie dem Adjunkt zur Verfügung.
Die Wohnnutzung im ersten Obergeschoss hatte man in den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit zwar weiter aufrechterhalten, die Räume standen aber nun seit vielen Jahren leer.
Bezüglich ihrer Größe und Aufteilung eigneten sich die Räumlichkeiten hervorragend für die Verwaltung der RTG. Daher wurden bei der Sanierung hier nun die Büroräume der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Publikumsverkehr eingerichtet. Für die zweckdienliche Nutzung mussten die veralteten Küchen- und Sanitärbereiche einer Erneuerung weichen. Die vorhandenen schadhaften Verbundfenster aus der Nachkriegszeit wurden durch denkmalgerechte zweiflügelige Fenster ersetzt und die Außenwände mit einer Wärmedämmung mit Putzoberfläche versehen.
Energieverbrauch halbiert und gedrittelt
Die Außenwände des Bahnhofs bestehen aus einem besonders schönen Sichtmauerwerk aus Rauwacke-Steinen mit Fensterumrahmungen aus Vollziegeln.
Im Hinblick auf die energetischen Maßnahmen war daher eine Außenwärmedämmung, die bei Sanierungen in der Regel erfolgt, nicht möglich.
Schließlich wurde im Erdgeschoss, in dem die Räume überwiegend nicht voll beheizt werden, innenseitig ein rein mineralisches Wärmedämmverbundsystem mit 6 cm Stärke und Putz angebracht. Den Energieverbrauch hat man dadurch halbiert.
Im Obergeschoss mit durchgehend beheizten Büroräumen verwendete man ebenfalls das WDVS – hier mit einer Stärke von 10 cm – und darauf innenseitig zur bauphysikalischen Sicherheit und für angenehmes Raumklima eine Wandheizung und Putz. Der Energieverbrauch beträgt hier nur noch ein Drittel des vorherigen Werts.
Im Erdgeschoss blieben die vorhandenen 120 Jahre alten Kastenfenster aufgrund des Denkmalschutzes erhalten, die inneren Flügel wurden mit einer Gummidichtung nachgebessert. Im Obergeschoss dagegen hat man die einscheibigen Fenster aus den 1950er-Jahren durch Kastenfenster mit historisch gestaltetem Flügel außen und innerem Flügel mit Wärmeschutzglas nach heutigem Standard ersetzt. So konnte man hier den Energieverbrauch halbieren.
Schon seit 1960 waren die Dachgeschoss-Räume nicht mehr genutzt und entsprechend auch nicht mehr beheizt worden. Die Dachfläche aus der Zeit um 1900 wies keinen zeitgemäßen Wärmedämmstandard auf. Man fand eine unter den Sparren verputzte Heraklithplatte von 5 cm Stärke.
Hier hat man mit Wärmedämmung zwischen den Sparren und zusätzlicher Wärmedämmung unter den Sparren saniert. Aus Brandschutzgründen wurde Mineralwolle dafür gewählt. Somit konnte der Wärmeverlust auf ein Fünftel reduziert werden.
Schließlich erhielten auch die Böden eine Dämmung. Im Erdgeschoss fand man unter den alten Bodenbelägen überwiegend Beton ohne jegliche Wärmedämmung. Nach dem Herausbrechen des Betons wurde eine tiefergesetzte Betonschicht eingebaut und darauf im nicht unterkellerten Teil eine EPS-Wärmedämmung nach heutigem Neubau-Standard und eine moderne Fußbodenheizung eingebaut.
Das gesamte Niedertemperatursystem sorgt nun für erhebliche Energieeinsparungen. Über den Gewölben der Teil-Unterkellerung war Wärmedämmung in Neubau-Stärke nicht überall möglich.
Dennoch konnte durch die Maßnahmen der Dämmung heute ein Wärmeverlust – je nach eingebauter Stärke der Wärmedämmung – von nur noch einem Drittel bis einem Sechstel im Vergleich zum Altbestand erreicht werden.
Wärmedämmverbundsystem innen für früher unbeheizte Lagerräume
Die Güterhallen wurden vor der Sanierungsmaßnahme als unbeheizte Lagerräume genutzt. Auch die vordere gemauerte Güterhalle ist mit Rauwackesteinen und Torumrahmungen aus Vollziegeln versehen. Dies ließ keine Außenwärmedämmung zu. Daher hat man innenseitig ein rein mineralisches Wärmedämmverbundsystem mit 8 cm Stärke und Putz angebracht.
An der hinteren, aus Holz gebauten Güterhalle konnte in der Stärke der alten Holzkonstruktion und in der innenseitigen Aufdopplung die Wärmedämmung in Form von Holzfaser-Platten in zwei Schichten nach Neubau-Standard eingebaut werden.
In die Flächen der vorhandenen Toröffnungen wurden neue Fenster in Dreifachverglasung mit erheblich besseren Wärmedämmwerten (U-Wert Glas = 0,7 W/m²K) eingesetzt.
Über den unbeheizten Lagerräumen gab es einen ungedämmten Dachstuhl. Hier war es möglich – in intensiver Abstimmung mit den Verantwortlichen der Denkmalschutzbehörden –, eine Wärmedämmung zwischen den Sparren und zusätzliche Mineralwolle-Dämmung unter den Sparren anzuordnen. Unterseitig wurden zusätzlich 4 cm starke Akustikplatten montiert. Um die Vorgaben der
Denkmalschutzbehörde zu erreichen, war es wichtig, dass die Firstpfette sichtbar blieb.
Das Bodenniveau der Güterhallen war erhöht – etwa 80 cm über der sonstigen Erdgeschoßhöhe. In der unterkellerten Güterhalle wurde dementsprechend mit Kies aufgefüllt, im nicht unterkellerten Teil musste der Boden abgesenkt werden. Es wurde eine neue, tiefgesetzte Betonschicht eingebaut, darauf Wärmedämmung nach heutigem Neubau-Standard und Fußbodenheizung mit Niedertemperatursystem
zur Energieeinsparung.
Beim Neubau der Tourist-Info gab es schließlich keinerlei Einschränkungen beim energiesparenden Bauen. Die Baukonstruktionen wie Außenwände, Fenster, Dach, Kellerbodenplatte und Kellerwände sind entsprechend der bestehenden Energieeinsparverordnung ausgeführt. Alle Energieberechnungen wurden von den Ingenieuren der BG Trauntal durchgeführt.
Bauzeitliche Räume für das Heimatarchiv
In den ehemaligen Wohnräumen des Dachgeschosses mussten lediglich kleinere Ausbesserungsarbeiten vorgenommen werden. Damit blieb die historische Substanz der Räume erhalten. Lediglich an Böden, Wänden und Türen wurden denkmalgerechte Sanierungsarbeiten durchgeführt.
An den Dachfenstern sowie den Dachdurchdringungen der Kamine konnten die im Lauf der Jahre entstandenen Schäden durch Ersetzen der Hölzer und den Austausch der Fenster behoben werden.
Eine statische Verstärkung durch Mittelpfetten sowie eine notwendige Wärmedämmung komplettieren die Dachsanierung. Dank der Erhaltung der bauzeitlichen Räume und ihrer kompletten Ausstattung stehen diese heute der Gemeinde Ruhpolding als Heimatarchiv zur Verfügung.
Förderung genutzt
Das anspruchsvolle Bauvorhaben wurde aus verschiedenen „Fördertöpfen“ unterstützt. Beispielsweise von der Regierung von Oberbayern mit dem Programm zur regionalen Wirtschaftsförderung. Desweiteren mit Zuwendungen für städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen aus dem Städtebauförderungsprogramm. Sanierungen wie diese können durch die sinnvolle Städtebauförderung und die unterschiedlichen Finanzfördermittel durch den Freistaat und den Bund Orte wie Ruhpolding erheblich aufwerten.
Der sanierte Bahnhof ist heute ein Musterbeispiel für die sinnvolle Sanierung von denkmalgeschützter Bausubstanz und den Übergang von überholter Nutzung zu modernen Aufgaben.
Bautafel
Standort: Bahnhof Ruhpolding, Bahnhofstraße mit Tourist-Info, Bürgerbüro, Büro für Meldewesen und Heimatarchiv
Bauaufgabe: Sensible Sanierung der denkmalgeschützten Bahnhofsgebäude – Verknüpfung durch Neubau
Bauherr: Gemeinde Ruhpolding
Architekt: Architekturbüro Sylvester Dufter www.architekturbuerosylvester-dufter.de
Ingenieurbüro: Statik – Brandschutz – Energie
Projektsteuerung: Bauingenieur-Gemeinschaft Trauntal GmbH, Ruhpolding www.bg-trauntal.de
Weitere beteiligte Planer: Innenraumgestaltung Neubau T.I.: Planungsbüro Paula Buchner, Wasserburg HLS: IG Ludwig, Traunstein
Elektro: PB Silberbauer, Traunstein
Fertigstellung: 2018
Kosten: rund 2,2 Millionen Euro