Wenn potenzielle Partner oder Käufer das eigene Büro als attraktiv wahrnehmen, spricht einiges dafür, vieles richtig zu machen. Das schlägt sich letztlich auch im Bürowert nieder. Dazu zählen die Büroführung und -entwicklung sowie die Vorbereitung der Nachfolgeregelung und des gegebenenfalls damit verbundenen Unternehmensverkaufs. Es zeichnet sich jedoch im Hinblick auf die Attraktivität eines Büros eine neue Entwicklung ab, ausgelöst durch die zunehmenden Anforderungen der Digitalisierung. Vieles deutet darauf hin, dass Büroinhaber zeitnah gewohnte Herangehensweisen hinterfragen und Abläufe neu strukturieren müssen.
Dabei stellt sich nicht die Frage, ob die Digitalisierung überhaupt ein Thema für das eigene Büro ist, sondern wie, wann und in welchem Umfang sie vorgenommen wird. Diese Fragen gilt es, für das eigene Büro zu beantworten. Welche Anforderungen auf das eigene Unternehmen zukommen, ist häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar und konkrete Schritte in die richtige Richtung sind dadurch schwer planbar.
Schon beim Thema BIM (Building Information Modeling) reagieren viele Büroinhaber paralysiert wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Dieses Thema stellt oft eine große Hürde dar. Dabei prognostizieren Experten heute schon, dass BIM längst nicht den gesamten Umfang dessen umfasst, was an digitalen Veränderungen auf die Büros zukommt. BIM gilt lediglich als Anfang der digitalen Revolution im Bauwesen.
Seitens der öffentlichen Hand wurden Zeitpunkte der verbindlichen Einführung von BIM für bestimmte Fachbereiche bis 2020 ausgerufen. Viele Büroinhaber reklamieren, dass dieser Zeitpunkt nie eingehalten werden könne, und warten erst einmal die weiteren Entwicklungen ab. Dabei wäre es für ein innovativ und zukunftsfähig aufgestelltes Büro unabdingbar, möglichst schnell einen Wissensvorsprung gegenüber Auftraggebern jeglicher Art zu erlangen, um auf diese Weise die Produktivität zu steigern und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Dass z. B. das Thema BIM unaufhaltsam voranschreitet, lässt sich kaum bestreiten: Größere Büros und Unternehmensstrukturen haben dies längst erkannt und passen sich entsprechend an. Je nachdem, in welcher „Lebensphase“ sich das eigene Unternehmen befindet, lassen sich Büroinhaber unterschiedlich auf Zukunftsthemen ein.
Vier Phasen der Büroentwicklung
In der Gründungsphase eines Büros ist die Veränderungsbereitschaft bei Inhabern häufig am größten. Vielfach herrscht eine Atmosphäre der Angstfreiheit und der Freude am Ausprobieren. Jedoch fehlen ggfs. die finanziellen Mittel, um in teure und neue Technologien zu investieren.
Die Aufbau- und Wachstumsphase eines Unternehmens ist geprägt durch den Ausbau von Tätigkeitsfeldern, die als erfolgreich identifiziert wurden und dem Aufbau einer entsprechenden Struktur. Der Ertrag der Büros steigt in dieser Phase häufig überproportional an. Eine gute Basis, um die Weichen für solide künftige Grundlagen eines Büros zu stellen und entsprechende – auch kostenrelevante – Entscheidungen zu treffen.
Die Entwicklungs- und Optimierungsphase wird von Büroinhabern vielfach als „Erntephase“ gesehen. Reibungsverluste werden abgebaut und eine Maximierung der Effizienz wird angestrebt. Sofern die Themen erfolgversprechend sind, ist Offenheit für strukturelle Anpassungen gegeben.
In der Phase der Nachfolgeregelung wird in vielen Fällen an Gewohntem festgehalten und die Bereitschaft, neue Herausforderungen anzugehen, ist geringer als in den vorangegangenen Phasen. Kommt dann ein so vielschichtiges Thema wie die Digitalisierung auf das Büro zu, kann die Zukunftssicherung in Gefahr geraten. Dabei ist genau diese Phase die wichtigste, um elementare Weichen für die Zukunft zu stellen.
Unstrittig ist, dass die Anforderungen der Digitalisierung zunehmend Einfluss, sowohl auf bürointerne, als auch auf büroexterne Bereiche nehmen werden.
Bürointern stehen beispielsweise Anpassungen innerhalb der Projektbearbeitung mit den entsprechenden Arbeitsabläufen an. Es ist davon auszugehen, dass Planungsabläufe sich mit der Einführung von BIM und der voranschreitenden Digitalisierung grundsätzlich ändern werden. So wird der Aufwand, der bislang in den späteren Leistungsphasen anfällt, zunehmend „nach vorne“ verschoben, was sich wiederum u. a. bei der Honorierung sowie den vertraglichen und rechtlichen Themen bemerkbar machen wird.
Hohe technologische Standards an die EDV-Hard- und Software bilden hierfür die Voraussetzung. Diese Investitionen werden sich jedoch nur auszahlen, wenn auch die Mitarbeiter intensiv in die Entwicklung einbezogen werden. Relevante Kompetenzen werden mit der Entwicklung Schritt halten müssen. Veränderungsbereitschaft bei den Mitarbeitern vorausgesetzt, kann das Signal, mit dem eigenen Büro nicht auf der Stelle zu treten und „vorne dabei“ zu sein, wertvolle Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation und -bindung haben.
Büroextern werden u. a. Veränderungen in der Kommunikation zwischen Planungsbeteiligten und anderen Projektpartnern notwendig. Die „gemeinsame“ Bearbeitung von Projekten im Zusammenspiel von Ingenieuren, Architekten, Fachplanern und anderen bekommt einen neuen Stellenwert.
Ein besonders positiver Effekt der Anpassung des Büros an neue Rahmenbedingungen ist die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber – sofern die Anpassungen von außen erkennbar sind und kommuniziert werden. Dies betrifft die Mitarbeitersuche, -einführung, -qualifizierung, -entwicklung und -bindung gleichermaßen, was in der aktuellen Situation der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften nicht zu unterschätzen ist.
Genaue Analyse von Erfolgsfaktoren
Die Digitalisierung erfordert deutlich dringender als in der Vergangenheit, das eigene Büro strukturiert auszurichten und entsprechend strategisch zu führen. Nach wie vor werden viele Architektur- und Ingenieurbüros von ihren Inhabern eher intuitiv gelenkt und an Auftragseingängen ausgerichtet. Der hohe notwendige Zeitvorlauf während der strukturellen Anpassung eines Büros an die Digitalisierung lässt wenig Raum für spontanes Handeln. Hier können viele Unternehmer aber von in anderen Branchen gängigen Instrumenten lernen. Die Grundlage für eine solche strategische Büroführung bildet die genaue Analyse von Erfolgsfaktoren, welche in der Vergangenheit positiv zur Unternehmensentwicklung beigetragen haben. Hierfür gibt es zahlreiche Instrumente, die diese Aufgabe erleichtern. Auf der Betrachtung der Ausgangslage aufbauend, sollten als weitere Schritte unternehmerische Ziele in den unterschiedlichen Unternehmensbereichen festgelegt und Strategien zur Zielerreichung erarbeitet werden. Diese sind in einem konkreten Maßnahmen- und Zeitplan sowie einem betriebswirtschaftlichen Erfolgsplan zu dokumentieren. Einen Teilbereich sollte hier auch die an die individuelle Bürosituation angepasste Digitalisierungsstrategie bilden.Wenn eines der unternehmerischen Ziele ist, z. B. bei der Regelung der Büronachfolge oder der geplanten Aufnahme von Partnern als Unternehmen möglichst attraktiv zu sein, gilt es, u. a. folgende Faktoren aus Sicht von potenziellen Übernehmern zu kennen:
1. Büro up-to-date:
Diese Einschätzung beginnt mit dem ersten Eindruck, den die Homepage bei Bewerbern um freie Arbeitsstellen als auch bei potenziellen Käufern hinterlässt. Ebenso formt sich ein Bild von dem Unternehmen anhand der Räumlichkeiten und der entsprechenden Arbeitsatmosphäre etc. Wer sich frisch und zeitgemäß präsentiert, trägt positiv zur Wahrnehmung des eigenen Büros nach außen wie auch nach innen bei.Neben dem äußeren Erscheinungsbild transportiert ein Büro die Botschaft, auf dem aktuellen Stand zu sein, u. a. auch, wenn Führungsinstrumente vorhanden sind, die eine aktive und strategische Steuerung der Büroentwicklung ermöglichen. Dazu gehört, dass jederzeit und per Knopfdruck Transparenz bezüglich der Bürowirtschaftlichkeit besteht. Und auch, dass notwendige anstehende Anpassungen des Büros, z. B. bezüglich des Themas Digitalisierung, bekannt sind.Wenn Investitionen in der Vergangenheit planvoll, zielorientiert und kontinuierlich vorgenommen wurden, bleibt ein Büro erkennbar up-to-date.
2. Attraktive Mitarbeiterstruktur:
Als sehr wichtiges Merkmal für Attraktivität gilt derzeit insbesondere eine gute Mitarbeiterstruktur. Diese ist gegeben, wenn u. a. die für die Gestaltung der Zukunft relevanten Kompetenzen und Qualifikationen der Mitarbeiter passen, eine im Vergleich adäquate Gehalts- und Altersstruktur gegeben ist, die Bürozugehörigkeit ausgewogen ist sowie Maßnahmen zur Motivation und Zufriedenheit von Mitarbeitern etabliert sind.
3. Projektleitungs-, Organisations- und Führungsstruktur:
Fast schon als selbstverständlich wird von vielen Büroübernehmern angesehen, dass Projektabläufe standardisiert und Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Eine Darstellung der Organisationsstruktur kann hier im positiven Sinn Transparenz schaffen.
4. Abkömmlichkeit des Büroinhabers:
Pauschal lässt sich sagen: Je abhängiger ein Büro von der Person und Persönlichkeit des Inhabers ist, desto schwieriger gestaltet sich eine potenzielle Übergabe des Unternehmens an einen Übernehmer oder auch die Einbindung eines Partners. Als attraktiv wird angesehen, wenn Büroinhaber dieses Thema frühzeitig erkannt und Möglichkeiten geschaffen haben, um selbst möglichst weitreichend abkömmlich zu sein. Positive Beispiele im Sinn der Unabhängigkeit eines Büros vom Inhaber resultieren z. B. aus einem spürbaren und plausibel mitverantwortlich handelnden Führungsteam, wie auch einem vorhandenen Notfallplan für nichtgeplante Ausfälle des Büroinhabers.
5. Erträge und Perspektive:
Die Grundlage für die Preisfindung von potenziellen Übernehmern bildet die Ertragsentwicklung des Büros in der Vergangenheit in Verbindung mit einer entsprechenden Zukunftsprognose. In diesen Themen das eigene Büro attraktiv für eine Büroübernahme zu machen, erfordert eine längerfristige Vorbereitung in Verbindung mit einem besonderen Augenmerk auf diese Aspekte innerhalb der Büroführung. Der Vergleich mit Werten anderer Büros, auch im Hinblick auf deren Digitalisierungsgrad, kann hier sehr hilfreiche Impulse liefern, um das eigene Büro entsprechend strategisch auszurichten und anzupassen.
6. Bürowertvorstellungen realistisch:
Als Vorbereitung von Gesprächen und Planungen zur Regelung der Büronachfolge, eines geplanten Verkaufs oder der Aufnahme von Partnern ist eine Bürobewertung hilfreich. Diese sollte als Ergebnis einen realistischen Marktpreis abbilden, welcher dem Vergleich mit abgeschlossenen Büroverkäufen Stand hält. Unrealistische Vorstellungen hinsichtlich eines erzielbaren Preises für das eigene Büro führen zwangsläufig dazu, dass dieses für einen Dritten unattraktiv wird. Bei der Bewertung von Architektur- und Ingenieurbüros hat sich in der Praxis u. a. das vor fast 40 Jahren von Dr.-Ing. Werner Preißing entwickelte branchenspezifische Statuswertverfahren bewährt. Dieses lässt konkrete spezifische Faktoren der jeweiligen Bürosituation in die Bewertung einfließen. Der Statuswert als operativer Wert eines Büros setzt sich hierbei aus den vier Faktoren Praxiswert, Auftragswert, Organisationswert und Substanzwert zusammen. Ist der Bürowert rechtzeitig bekannt, lassen sich wertbeeinflussende Parameter innerhalb einer strategischen Büroführung gezielt richtig steuern.
Fazit
Je nachdem, in welcher Entwicklungsphase sich ein Büro befindet: Das Thema BIM sowie die vielschichtigen Aufgaben, welche die zunehmende Digitalisierung innerhalb der Branche mit sich bringt, stellen Büroinhaber vor besondere Herausforderungen. Bürointern und -extern, wie auch in der Entwicklung von Führungsinstrumenten für die unterschiedlichen Bereiche soll das Unternehmen attraktiv und fit für die Zukunft gemacht werden.
Um den richtigen Zeitpunkt nicht zu verpassen, ist es wichtig, Entwicklungen so früh wie möglich mitzubekommen. Aktivitäten der Architekten- und Ingenieurkammern bieten hierfür sehr gute Möglichkeiten. In vielen Institutionen wurden Expertengruppen eingerichtet, die sich mit Zukunftsthemen befassen und die Interessen des Berufsstands vertreten. Der Besuch von Veranstaltungen zu zukunftsrelevanten Themen, wie auch die Einschaltung von Experten zur Begleitung der Veränderungsprozesse kann hier Klarheit für den Inhaber und das Team bringen. Je früher alle in diesen anstehenden Digitalisierungsprozess eingebunden werden, desto weniger Angst vor oder Ablehnung der Veränderung wird es geben. Und umso aktiver kann das eigene Büro für sich und sein Umfeld die Prozesse mitgestalten und so zukunftsfähig bleiben. Damit Unternehmer bestmöglich gerüstet sind für die anstehenden Aufgaben innerhalb der jeweiligen Lebensphase ihrer Büros.