Während die Welt weiter gegen Covid-19 kämpft, greifen mittlerweile viele Unternehmen auf technologische Hilfsmittel zurück, die ihnen zu weiterem Fortschritt trotz der aktuellen globalen Herausforderungen verhelfen.
Auch wenn es schwierig ist, dem vergangenen Jahr Positives abzugewinnen, so sticht doch eine Sache hervor: die technologischen Fortschritte in einer Branche, die sich normalerweise nur langsam an neue Gegebenheiten anpasst. Wenn uns die vergangenen zwölf bis 14 Monate eines gelehrt haben, dann, dass der Einsatz digitaler Technologien eine wichtige Rolle bei der Planung, Bereitstellung und Wartung unserer Infrastrukturanlagen spielt – jetzt und in Zukunft.
Angesichts der zunehmenden Akzeptanz der Digitalisierung als Weg in die Zukunft ist die Vorgehensweise bei der Projektabwicklung in der Engineering- und Baubranche in den Fokus gerückt, und zwar durch eine systembasierte Herangehensweise an die bauliche Infrastrukturumgebung. Hierbei hat sich gezeigt, dass diese tatsächlich großes Potenzial hat.
Bei der digitalen Aufholjagd der Branche gibt es mehrere Gründe, eine systembasierte Herangehensweise an die Planung und den Bau im Bereich des Ingenieurwesens erneut in Betracht zu ziehen. Im Hinblick auf Fertigungstechniken wurden bereits einige Fortschritte erzielt, die immer häufiger eingesetzt werden, z. B. die Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modelling, BIM), die Off-Site-Fertigung und eingebettete Sensoren.
Für die Zukunft in dieser neuen Normalität müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit mehr technologischem Fortschritt ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis erzielen können, d. h. die bestmögliche Kombination aus Kosten, Qualität und Nachhaltigkeit für die Anforderungen, die unsere Auftraggeber an uns stellen.
Bessere Ergebnisse durch Technologieeinsatz
Technologie ist in den drei wichtigsten Lebenszyklusphasen jeder Anlage (Planung, Bereitstellung und Wartung) von großer Bedeutung, nicht nur kurz-, sondern auch langfristig.
Es hat sich gezeigt, dass durch digitale Workflows in der Planungsphase weniger Konflikte entstehen und gleichzeitig klarere, besser definierte Entwürfe erarbeitet werden, sodass sowohl die Materialverschwendung als auch die Fehler vor Ort reduziert werden. Mithilfe von 4D-Planungstools können sich die einzelnen Teams bei der Bereitstellung einen Überblick über die Materialhandhabung verschaffen und dadurch besser die aktuell geltenden Abstandsregeln einhalten. Auch wenn diese Regeln irgendwann nicht mehr erforderlich sein werden, können Projektbeteiligte auf der ganzen Welt mithilfe dieser Technologie weiterhin in Verbindung bleiben. Darüber hinaus erleichtert diese Technologie die Wartung und Verwaltung von Anlagen in einem noch nie dagewesenen Umfang und stellt einen wichtigen Faktor für die Reduzierung von CO2-Emissionen dar. Die zunehmend an Bedeutung gewinnenden Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren haben mittlerweile einen starken Einfluss auf die Anlagenwartung.
Neue Technologien und digitale Workflows sorgen dafür, dass Daten vernetzt und nicht in Silos gespeichert werden. Durch die Einführung von 5G und Fortschritte bei den WLAN-Repeatern und Software-Programmen, die sowohl offline als auch online funktionieren, sind Daten außerdem viel leichter zugänglich: Ein Umstand, der zunehmend in allen Lebens- und Arbeitsbereichen erwartet wird.
In einer aktuellen Publikation des Ingenieurverbands Institute of Chartered Engineers (ICE) wird argumentiert, dass ein systembasierter Ansatz zu besseren Ergebnissen für Eigentümer und Anwender führen kann. Der Verband berichtet Folgendes:
- Anlagenbetreiber müssen das Ergebnis für die Anwender klar definieren, damit Ingenieure und Technologieentwickler darauf aufbauen können.
- Anlagenbetreiber sollten Anweisungen zu den funktionalen Anforderungen an das Betriebssystem und die Daten geben.
- Anlagenbetreiber sollten die wesentlichen Daten für die Erbringung der Dienstleistung und ein geeignetes Modell für die Zusammenarbeit definieren und mit allen Beteiligten über die gesamte Lieferkette hinweg teilen.
Digitale Zwillinge fördern Hybridarbeit
Es ist davon auszugehen, dass die durch die Corona-Pandemie veränderten Infrastrukturanforderungen in Kombination mit dem Wettbewerbsdruck bei Infrastrukturinvestitionen dazu beitragen werden, dass digitale Zwillinge von Kunden und der gesamten Branche immer häufiger eingesetzt und angenommen werden.
Dies ist jedoch nicht der einzige Treiber. Betrachtet man, wie sich Städte bereits verändert haben und welche Veränderungen in Zukunft zu erwarten sind, lässt sich feststellen, dass viele Unternehmen ihr bereits erlangtes Wissen und ihre Kenntnisse im Bereich der Digitalisierung in die Arbeitsprozesse nach der Pandemie integrieren möchten.
Kürzlich befragte die Financial Times mehr als 20 Unternehmen dazu, wie sie in Zukunft arbeiten werden. Die meisten von ihnen gaben an, dass sie von der Einführung hybrider Arbeitsmodelle ausgehen, bei denen ihre Mitarbeiter teilweise im Büro und teilweise von zuhause aus arbeiten werden.
Ein digitaler Zwilling kann außerdem Unternehmen dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Durch die kombinierte Verwendung von Angaben zu Unternehmensanlagen und Brancheninformationen können Anlagenbesitzer Haftungsrisiken minimieren und die Leistung sowohl für sich selbst und für Investoren als auch für die Anwender verbessern.
Daher entstehen durch die Auswirkungen von Covid-19 und die noch bevorstehenden Herausforderungen ganz neue Datensätze, die vorher so noch nicht modelliert wurden.
Viele Büros nehmen aktuell auch Abstand von dem Ansatz, sich ausschließlich auf die Abwicklung von Projekten zu konzentrieren. Sie möchten ihre Daten zusammenführen, um künftig ein „System von Systemen“ mit zahlreichen Datensätzen zu verwenden.
Beispielsweise ist es bei einigen Projekten bereits gelungen, gespeicherte Daten in eine modellbasierte Bereitstellung zu implementieren, um die Zeichnungserstellung zu minimieren. Ein Projektteam erstellte über 4.000 Informationsmodelle für Entwürfe, produzierte einen digitalen Zwilling und sparte somit erhebliche Zeit bei den Entwürfen. Dadurch konnten sich die Teammitglieder auf die Verbesserung der Entwurfsqualität, die Zusammenarbeit mit sowie die Einbeziehung ihrer Kunden und Interessengruppen konzentrieren. Der Auftraggeber war an der gesamten Entwurfsphase beteiligt, um sicherzustellen, dass das Projekt die Erwartungen erfüllte, was zu mehr Vertrauen in den gesamten Entwurfsprozess führte.
Ein digitaler Zwilling ist die perfekte Quelle für den vielfach im Vereinigten Königreich propagierten „Golden Thread of Information and Data“. Bezieht man dann noch die Anlagenleistung mit ein, verfügt man über einen weiteren wichtigen Branchentreiber für digitale Zwillinge, da Kunden mithilfe der dabei zur Verfügung stehenden Informationen bessere Bedingungen für ihre Anlagenkredite und Versicherungsprämien aushandeln können.
Sicheres Arbeiten von zuhause aus
Es ist bekannt, dass sich viele Unternehmen derzeit über neue Standards informieren und diese auch für sich ausarbeiten. Es bleibt interessant, wie Anbieter ihre bereits vorhandenen Anlagen bestmöglich einsetzen.
Denn Technologie kann in den unterschiedlichsten Bereichen Vorteile für unsere Arbeitsweisen bieten.
Wenn sich beispielsweise eine typische Arbeitswoche für viele Arbeitnehmer künftig teilweise im Homeoffice und teilweise im Büro abspielt, dann ist die richtige Software entscheidend für eine gute, reibungslose und zielführende Zusammenarbeit. Wir haben es bereits im vergangenen Jahr bei der raschen Einführung von Microsoft Teams, Zoom und anderer Meeting-Software gesehen: Der Markt ist bereit dazu, immer mehr und immer vielfältigere Technologien einzusetzen.
Wenn wir also in Zukunft auf ein hybrides Arbeitsmodell bauen, bei dem einzelne Teammitglieder über mehrere Standorte verteilt sind, muss sichergestellt werden, dass sich alle Daten am richtigen Ort befinden und von den zuständigen und berechtigten Personen abgerufen werden können.
Eine hohe Datendisziplin ist bei jedem Projekt entscheidend und eine vernetzte Datenumgebung muss das Herzstück eines jeden Projekts sein.
Das ist machbar. Ein Team mit 1.850 Projektteilnehmern hatte beispielsweise 43.000 importierte Dateien und die Produktion von 61.000 Planungsdateien zu händeln – wobei die Iterationen dieser Entwürfe noch nicht berücksichtigt sind.
In Dublin haben sich Bentley und Microsoft mit der Stadtverwaltung zusammengeschlossen, um Stadtplanern, Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmern die Arbeit in einem umfassenden digitalen Zwilling im städtischen Maßstab zu ermöglichen. Die Auswirkungen der Pandemie haben Städte wie Dublin dazu gezwungen, ihre digitale Transformation zu beschleunigen. In enger Zusammenarbeit entwickelten die drei Protagonisten nun neue Ideen, wie sich die Bürger mithilfe interaktiver virtueller Umgebungen und digitaler Zwillinge sicher von zu Hause aus an neuen Entwicklungsprojekten in ihrer direkten Umgebung beteiligen können.
So vieles ist mittlerweile möglich …
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt
2020 war sicherlich ein Jahr, das wir niemals vergessen werden. Die Veränderungen, mit denen wir seit März 2020 leben, kamen so schnell wie noch nie.
Noch wichtiger ist allerdings, dass sich die Welt in Zukunft noch schneller verändern wird.
Jetzt ist es an der Zeit, Lücken zu schließen und eine Baubranche zu schaffen, die für die Herausforderungen und Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts gerüstet ist und die Infrastrukturleistungen vorhält, die auch zukünftigen Generationen gerecht werden.