Der Kontrast könnte kaum größer sein: Auf dem Gelände einer ehemaligen Erdölraffinerie im Osten Ingolstadts setzt die Audi AG aktuell Maßstäbe in Sachen Zukunftsfähigkeit. Auf dem IN-Campus, der im Lauf dieses Jahres den Betrieb aufnimmt, soll an den Mobilitätsformen der Zukunft geforscht werden – und das mit minimalem Energieverbrauch. Die Vision ist nämlich ein Null-Energie-Campus. Möglich gemacht wird dies durch eine Wärmeauskoppelung aus dem Rechenzentrum und die zentrale Verteilung über den Campus. So kann die Abwärme von den verschiedenen Gebäuden für Heizzwecke genutzt werden. Drees & Sommer begleitet die Campus-Entwicklung mit Projektsteuerung, Green-Building-Beratung, technischem Projektmanagement und nicht zuletzt mit dem Inbetriebnahme-Management und Integrationstests für das Rechenzentrum. Oberstes Projektziel dabei: die Synergie aus Energieeffizienz und Resilienz.
In Zeiten von Home-Office und Kontaktverboten kommt (wie auch der vorangehende Beitrag in dieser Ausgabe zeigt) Rechenzentren eine immer größere Bedeutung zu. Denn der gigantische Datenverkehr, der durch Videokonferenzen und E-Mails, aber auch durch den gestiegenen Serienkonsum auf Netflix, Amazon Prime und Co verursacht wird, stellt die Kapazität von Rechenzentren auf eine harte Probe und macht sie zur kritischen Infrastruktur. Als Fabriken der Zukunft bilden Rechenzentren dabei zunehmend das Fundament unserer immer stärker vernetzten und digitalen Welt und sind die Basis für eine solide Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und auch Europas. So wird es insbesondere von den Rahmenbedingungen für Rechenzentren abhängen, ob die Datenströme durch Europa auch künftig Wertschöpfung und sichere Arbeitsplätze erzeugen oder einen Bogen um unseren Kontinent machen werden.
Energieintensiver Betrieb der Zentren
Diese Gemengelage hat Rechenzentren längst zu einer begehrten Assetklasse im Immobiliensektor gemacht. Aber sie sorgt auch mit Blick auf den Klimaschutz für zunehmende Probleme, denn der Betrieb von Rechenzentren ist sehr energieintensiv. Eine Stunde auf Netflix zu streamen, benötigt genau so viel Energie, wie etwa sieben Kilometer mit dem Pkw durch die Stadt zu fahren. Und das summiert sich, wenn es alle tun: Einer Bitkom-Studie zufolge beträgt das globale CO2-Äquivalent von Rechenzentren und Kommunikationsnetzen etwa 200 bis 250 Megatonnen. Schätzungen zufolge werden Rechenzentren bis zum Jahr 2025 bis zu ein Fünftel des globalen Stromverbrauchs ausmachen. Wo genau er derzeit weltweit liegt, ist aufgrund fehlender Angaben vieler Betreiber unklar. Die Bandbreite reicht von 200 bis 500 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Laut Berechnungen des Borderstep Instituts entfielen auf die mehr als 55.000 deutschen Rechenzentren, davon viele im Eigenbetrieb der Unternehmen oder Banken, etwa 13 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht dem gesamten jährlichen Strombedarf einer Großstadt wie Berlin.
Um zukunftsfähig zu sein, müssen Rechenzentren daher grüner werden. Konzepte für umweltfreundliche Rechenzentren müssen stärker Einzug halten. Dabei bieten nicht nur die Erneuerbaren Energien viel Potenzial – sondern vor allem die Nutzung der Abwärme. Denn beim Betrieb eines Rechenzentrums erhitzen sich die Server. Deshalb müssen sie kontinuierlich gekühlt werden. Bei den meisten Rechenzentren hierzulande verpufft die dabei entstehende Wärme einfach ungenutzt. Dabei könnte man damit ebenso gut angrenzende Bürogebäude, Wohnungen oder auch Gewächshäuser heizen.
Abwärme für die Städte
Doch einer aktuellen PwC-Studie zufolge geschieht dies aktuell nur in sehr geringem Umfang. So gab die überwältigende Mehrheit der Betreiber (82 Prozent) an, die Abwärme der Rechenzentren nicht zu nutzen. Und nur jedes zehnte Rechenzentrum plant, dies in der Zukunft zu tun. Dabei wäre es sinnvoll, dem Vorbild Schwedens zu folgen und Rechenzentren an die Nah- und Fernwärmenetze anzuschließen. Die schwedische Hauptstadt Stockholm ist eine der wenigen Städte weltweit, die in industriellem Maßstab die Wärmerückgewinnung großer Rechenzentren nutzt. So gibt es dort bereits rund 30 Rechenzentren, die ihre Abwärme in das Fernwärmenetz der schwedischen Hauptstadt einspeisen. Bis 2035 sollen sie sogar etwa zehn Prozent des Heizbedarfs von Stockholm decken. Auch die Europäische Kommission will den Klimaschutz bei Rechenzentren vorantreiben. Im Strategiepapier „Shaping Europe’s Digital Future“ skizziert sie einen Fahrplan für die Klimaneutralität der Rechenzentren bis 2030.
Dass die Abwärmenutzung in Deutschland noch hinterherhinkt, hat planerische und infrastrukturelle Gründe. So gibt ein Rechenzentrum über das gesamte Jahr hinweg Abwärme ab. Ideal sind daher benachbarte Abnehmer, die die Wärmeenergie permanent und nicht nur im Winter benötigen. Das gilt etwa für Schwimmbäder, Wäschereien oder auch landwirtschaftliche Vorhaben (Stichwort: Metropolitan Farming). Diesen Aspekt müssen Städte und Kommunen bei der Planung frühzeitig berücksichtigen, um eine kluge Quartiersplanung zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass die Temperatur der Abwärme mit bis zu 30 Grad Celsius für direkte Heizzwecke nicht ausreicht, sondern entweder über sogenannte Niedertemperaturheizungen in angrenzenden Wohn- und Bürogebäuden genutzt oder mittels Wärmepumpen erhöht werden muss. Das steigert jedoch die ohnehin schon erheblichen Herstellungs- und Betriebskosten der Betreiber und setzt daher bestimmte finanzielle Anreize voraus, damit es sich für die Betreiber rechnet.
Vergünstigungen oder Prämien als Anreize für Energiekonzepte
Sinnvoll wäre es etwa, die Betreiber von Rechenzentren von der EEG-Umlage zu befreien, wenn sie im Gegenzug ihre Abwärme effizient nutzen. Denn dann würden die Rechenzentren das EEG-Ziel der Förderung umweltfreundlicher Energien erfüllen. Auch Steuervergünstigungen oder Förderprämien könnten einen attraktiven Anreiz bieten, entsprechend zu investieren.
Bis es so weit ist, liegt es an innovativen Unternehmen, die Konzepte entsprechend voranzubringen. Dem IN-Campus in Ingolstadt etwa liegt ein ausgeklügeltes Energiekonzept zugrunde. Ein wesentlicher Baustein dafür ist das sogenannte LowEx-Netz: Dieses wasserbasierte Rohrleitungsnetz dient allen Gebäuden auf dem IN-Campus als Wärmequelle und Wärmesenke. Gebäude mit einer hohen Kühllast – wie das Rechenzentrum – geben anfallende Abwärme in das Netz, Gebäude mit einer hohen Heizlast entnehmen die nötige Energie dem LowEx-Netz. So werden Verbraucher zu Erzeugern. Die Temperatur des Netzes bewegt sich bewusst unter Ausnutzung der saisonalen Schwankung zwischen 5 und 30 Grad Celsius – ideal, um beispielsweise Umweltwärme oder Abwärme in das Netz einzuspeisen. Mithilfe von reversiblen Wärmepumpen in den jeweiligen Gebäuden werden die notwendigen Systemtemperaturen sichergestellt. Das Lastmanagement und die Energieeffizienz des Gesamtsystems werden dabei von thermischen Energiespeichern unterstützt, die mit einem Fassungsvermögen von rund 3000 Kubikmetern sowohl Wärme als auch Kälte speichern können. Das Beispiel zeigt: Klug konzipiert können Rechenzentren maßgeblich dazu beitragen, die Herausforderungen der Energiewende zu bewältigen – und damit, Maßstäbe in Sachen Zukunftsfähigkeit zu setzen.