Eine Herausforderung für Führungskräfte

Psychisch belastete Mitarbeiter

Deutsches Ingenieurblatt 04/2018
Management

Wegschauen – das ist meist die schlechteste Lösung, wenn Anzeichen dafür sprechen, dass ein Mitarbeiter überlastet oder psychisch erkrankt ist. Dann sollten Führungskräfte ihr Herz in die Hand nehmen und aktiv werden.

Schon wieder ist derselbe Mitarbeiter krank. Und wenn er da ist? Dann wirkt er unkonzentriert und abwesend sowie gereizt, wenn man ihn zum Beispiel auf anstehende Aufgaben oder Termine anspricht.
Hat er einfach keine Lust zu arbeiten? Belastet ihn etwas? Soll oder muss ich als Führungskraft ihn darauf ansprechen? Doch dann stellt sich die Frage, was zu tun ist. Denn ihm zu nahe treten und sich eventuell sogar in sein Privatleben einmischen, das will man als Vorgesetzter nicht. Also vielleicht doch besser über das Beobachtete hinwegsehen und nichts tun? Vielleicht verschlimmert sich die Situation ja sogar noch, wenn man sie anspricht.

Führungskräfte in der Bredouille
Die gestellten Fragen zu beantworten, ist für Manager nicht leicht. Denn ihre Wahrnehmung ist stets subjektiv. Was für den einen normal ist, ist für den anderen auffällig. Verändert sich das Verhalten eines Mitarbeiters merk- und spürbar, kann eine psychische Belastung der Person die Ursache hierfür sein. Doch genau solche Themen anzusprechen, ruft bei den meisten Führungskräften (aber auch Mitarbeitern) eine große Unsicherheit hervor.
Viele Studien belegen die Zunahme der psychischen Belastungen und Erkrankungen von Mitarbeitern – auch aufgrund des gestiegenen Stresses in vielen Unternehmen, doch das ist nicht der einzige Grund. Und die Vorgesetzten? Sie sehen sich mit einer steigenden Zahl von Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen konfrontiert. Trotzdem ist das Thema im Betriebsalltag vieler Unternehmen noch weitgehend tabuisiert.

Woran belastete Mitarbeiter erkannt werden können
Die Aufgabe einer Führungskraft ist es, dauerhafte Verhaltens- und Einstellungsveränderungen – sofern diese für die Arbeit relevant sind – bei ihren Mitarbeitern zu erkennen. Das setzt voraus, dass sie in einem regelmäßigen Kontakt mit ihnen stehen. Anhaltende Veränderungen bei einem Mitarbeiter sollten ein Anlass sein, genauer hinzuschauen. Diese Veränderungen können sich unter anderem in folgenden Faktoren manifestieren:

  • Die Fehlzeiten steigen.
  • Der Mitarbeiter reagiert schnell gereizt und wirkt ausgelaugt.
  • Das Erledigen der Alltagsaufgaben dauert merklich länger.
  • Der Mitarbeiter macht vermehrt Konzentrations- und Leichtsinnsfehler.
  • Der Mitarbeiter zieht sich sozial zurück.

Aktiv werden, statt wegzuschauen
Wenn solche Veränderungen bei einem Mitarbeiter festzustellen sind, geht es nicht darum, eine medizinische oder psychologische Diagnose zu stellen. Es ist jedoch die Aufgabe einer jeden Führungskraft, die Situation nicht zu ignorieren, sondern anzusprechen.
Die nachvollziehbare Sorge, dass es hierdurch noch schlimmer werden könnte, ist meist unbegründet – sofern hinter dem Ansprechen des Themas auch ein echtes persönliches Interesse am Wohlbefinden der Person steckt. Dann erlebt der Betroffene das Aktiv-werden als Ausdruck persönlicher Wertschätzung und Angebot einer Unterstützung – bei Bedarf. Je früher eventuelle psychische Überlastungen und sich anbahnende Erkrankungen erkannt werden beziehungsweise ihnen präventiv entgegen gewirkt wird, umso besser ist dies nicht nur für den betroffenen Mitarbeiter, sondern für das gesamte Team. Denn auch dieses kann es als belastend empfinden, wenn einer der Kollegen offensichtlich leidet.

Die vier Schritte im Umgang mit belasteten Mitarbeitern

Schritt 1:
Wahrnehmen der Veränderung

  • Um Veränderungen zu erkennen, braucht es einen regelmäßigen Kontakt zu den Mitarbeitern.
  • Keinesfalls sollten anhaltende (Verhaltens-)Veränderungen eines Mitarbeiters ignoriert oder sogar mit Kollegen hinter dem Rücken des Betroffenen besprochen werden.


Schritt 2: Ansprechen der Beobachtungen

  • Suchen Sie mit dem Mitarbeiter das Vier-Augen-Gespräch.
  • Sprechen Sie Ihre Beobachtungen in konkreten Situationen an.
  • Vermeiden Sie eigene Interpretationen und Beurteilungen der Situation.
  • Sollte der Mitarbeiter abwiegeln bzw. Ihre Beobachtungen nicht teilen, nötigen Sie ihn nicht dazu, Ihre Einschätzung zu teilen.
  • Bieten Sie dem Mitarbeiter Ihre Unterstützung an.

Schritt 3: (Veränderungs-)Initiative ergreifen

  • Fragen Sie den Mitarbeiter, ob und, wenn ja, welche Unterstützung er sich von Ihnen, seinen Kollegen, dem Unternehmen wünscht.
  • Sichern Sie ihm Ihre aktive Unterstützung zu. Vereinbaren Sie mit ihm gegebenenfalls konkrete Maßnahmen.
  • Sollten sich Ihre Beobachtungen nach dem Gespräch nicht ändern, sondern sich eventuell sogar verschärfen, führen Sie mit dem Mitarbeiter erneut ein Gespräch, in dem Sie sein Verhalten thematisieren.
  • Beleuchten Sie mit dem Mitarbeiter betriebliche und im günstigsten Fall auch dessen private Ressourcen.

Schritt 4: Leitungsfunktion wahrnehmen

  • Führten mehrere Gespräche mit dem Mitarbeiter nicht zu einer Verbesserung, sollten Sie dazu übergehen, Ihre Erwartungen (zum Beispiel: Inanspruchnahme einer stützenden Maßnahme) zu formulieren.
  • Beziehen Sie betriebliche und außerbetriebliche Helfer ein.

Fazit
Offen und frühzeitig miteinander zu kommunizieren und gemeinsam Lösungen zu suchen, wie die Arbeitsfähigkeit wieder hergestellt werden kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit einer guten Entwicklung für alle Beteiligten um ein Vielfaches. Denn letztlich geht es darum, dass ein Mitarbeiter dem Betrieb erhalten bleibt.
Und der Mitarbeiter? Er gewinnt zumindest den Eindruck, dass er von seinem Vorgesetzten nicht nur als Arbeitskraft, sondern auch als Mensch gesehen wird, und es hilft ihm möglicherweise dabei, auf Dauer ein wertvoller und geschätzter Mitarbeiter für das Unternehmen und das Team zu bleiben. 

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