Folgen der Streichung von § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV

Exklusiv
Deutsches Ingenieurblatt 01/2024
Recht
Die auf ein Bauvorhaben bezogenen Auftragswerte für Architekten- und Ingenieurleistungen (so z. B. auch Vermessung und Bauphysik) sind zu addieren. Das gilt für alle Beschaffungen, die ab dem 24.08.2023 begonnen worden sind. Die neue Rechtslage verpflichtet Vergabestellen heute zur Addition aller Auftragswerte für Planungsleistungen. Wird dies nicht beachtet, drohen Nachprüfungsverfahren, Schadensersatzforderungen oder bei geförderten Maßnahmen Rückforderungen. Die „Klarstellungen“ des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) zum Umgang mit der Gesetzesänderung bringen für die Praxis jedoch keinen Mehrwert.

Nachfolgende Fragen von Vergabestellen erreichen die Autoren:

  • Frage 1: Hat das überhaupt Folgen, wenn ich weiter so vergebe wie bisher, den Wegfall von § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV also einfach nicht beachte?
  • Frage 2: Muss ich denn heute jede noch so kleine Planungsleistung europaweit vergeben? 
  • Frage 3: Planungsleistungen dienen ja in aller Regel der Errichtung eines Gebäudes oder eines Ingenieurbauwerks. Wäre es dann nicht sinnvoll, die Planungsleistungen zusammen mit den Bauleistungen als Teil eines Bauauftrags mit dem dafür geltenden Schwellenwert von 5,538 Mio. € zu messen? Oder muss ich die Planungsleistungen immer als Dienstleistung bewerten? 
  • Frage 4: Sind alle Leistungen der HOAI, also auch der Anlage 1, wie Vermessung, Baugrundgutachten oder Bauphysik zu addieren?
  • Frage 5: Sind alle Leistungen, die nicht in der HOAI verordnet sind, also z. B. Projektsteuerung, Leistungen der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination, oder des Brandschutzes zu addieren?
  • Frage 6: Sind Leistungen der Bedarfsplanung mit aufzuaddieren? Wenn ja, wie ermittle ich die Auftragswerte, wenn ich noch gar nicht sicher weiß, welchen Bedarf ich habe?
  • Frage 7: Für einen Kindergarten habe ich die Leistungen der Architektur Ende 2022 beschafft. Nun muss ich noch die Tragwerksplanung mit einem Auftragswert von rund 150.000 € beschaffen. Muss ich das nach VgV europaweit ausschreiben?
  • Frage 8: Als Auftraggeber möchte ich die Leistungsphasen 1–5 ausschreiben und die restlichen Leistungsphasen mit meinem eigenen Personal übernehmen. Der geschätzte Auftragswert für die LPH 1–5 liegt in Summe unter 200.000 €, zusammen mit den weiteren LPH aus der Eigenleistung würde der Wert jedoch deutlich über dem EU-Schwellenwert liegen. Muss ich den Wert der geplanten Eigenleistungen für die Schätzung des Auftragswerts berücksichtigen?
  • Frage 9: Ich habe mit einem Planer einen Stufenvertrag, den ich nach Stufe 1, also nach den Leistungsphasen 1 bis 4 nicht fortsetzen will. Für diesen Vertrag hatte ich ein europaweites VgV-Verfahren durchgeführt, weil ich damals den Gesamtauftragswert einschließlich der optionalen Leistungsphasen 5 bis 9 mit über 215.00 € (dem bis Ende 2023 geltenden Schwellenwert) ermittelt hatte. Der nun noch zu beschaffende Auftragsumfang beträgt rund 150.000 €. Muss ich auch diesen wieder europaweit ausschreiben?
  • Frage 10: Wenn nun also sämtliche Planungsleistungen zu addieren sind, bedeutet das dann nicht, dass nach dem Gesetz nur noch Generalplaner – oder sogar Totalunternehmervergaben durchgeführt werden sollen?
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