Impulse für einen Masterplan

Energiewende entscheidet sich in den Städten

Deutsches Ingenieurblatt 6/2021
zweiB GmbH
Energie • Klima • Dämmung

Viele Menschen, viele Gebäude und viel Verkehr: Städte haben einen enormen Energiebedarf und sind für rund 80 % der globalen Treibhausgase verantwortlich. Für die Energiewende spielen sie daher eine zentrale Rolle. Doch woher bezieht die Stadt der Zukunft ihre Energie und wie sieht die intelligente Vernetzung verschiedener Akteure aus?

Was den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen angeht, zählen Städte und urbane Quartiere zu den Spitzenreitern. Das resultiert aus der hohen Dichte an Infra-strukturen und der Vielzahl von Akteuren und daraus folgend aus dem hohen Energiebedarf und Ressourcenverbrauch. Ob wir die Energiewende schaffen und das in der EU und Deutschland diskutierte Ziel der Klimaneutralität erreichen, entscheidet sich daher vor allem in den Städten. Deshalb müssen auch die politischen Entscheider sie stärker in den Fokus nehmen. Das Bestreben sollte ein strategischer Orientierungsrahmen sein, der urbane Räume in das nationale Zielsystem aufnimmt und auf die optimal benötigte Regelleistung lokaler Infrastrukturen und die Vernetzung der Akteure setzt.

Denn bisher sind Energieverbraucher und Energieproduzenten meist getrennt: Die Verbraucher leben im Inneren der Städte, die Erzeuger mit ihren Anlagen sind vor den Toren der Stadt angesiedelt. In Zukunft muss mehr Energie dort dezentral erzeugt werden, wo sie verbraucht wird. Das einfachste Beispiel sind Photovoltaikanlagen für die Stromerzeugung, die durch Fördermaßnahmen und Regelungen flächendeckend auf die Dächer gebracht werden sollten. Sie können auch dazu dienen, Elektroautos aufzuladen, die wiederum für den Stadtverkehr ideal sind. Für die Wärmeerzeugung eignen sich Wärmepumpen, welche die Umgebungswärme nutzen, oder Nahwärmenetze, die die Abwärme von Industriebetrieben oder auch Rechenzentren als Wärmeenergie in die Gebäude bringen.

 

Netzwerkgedanke in der Stadt der Zukunft
Die jeweiligen Konzepte sind immer abhängig von den konkreten Gegebenheiten eines Quartiers. Wie das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Beteiligten aufgebaut und energetisch sinnvoll geordnet wird, muss im Vorfeld analysiert werden. Es sollten Fragen untersucht werden wie: Wie kommt der Strom zur E-Auto-Ladestation auf dem Parkplatz? Welche baulichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit die Dächer die Solaranlagen tragen können? Wie werden Einspeisevergütungen und steuerliche Anreize ausgestaltet? Die Themen liegen außerhalb der klassischen Aufgaben für Stadtplaner, müssen aber bereits bei der Masterplanung berücksichtigt werden. Lokalpolitiker können hier initiieren, dass kommunale Fachämter sich bei der Ausarbeitung von Bebauungsplänen für die Spezialbereiche entsprechende Expertise mit ins Boot holen müssen. Das Ergebnis ist dann ein technischer Masterplan.

Die Gestaltung der urbanen Energiewende kann zudem nur dann gelingen, wenn sowohl die Vernetzung verschiedener Akteure und Quartiere als auch die technologische Vernetzung durch die Digitalisierung erfolgen. Das kann am Beispiel der Stromversorgung verbildlicht werden: Wenn wir mittelfristig nur noch auf grünen Strom setzen wollen, wird es Phasen geben, in denen viel Strom erzeugt wird, weil der Wind stark weht und die Sonne scheint. Es wird aber auch Phasen geringerer Stromerzeugung geben. Die überschüssige Energie muss in den Hochphasen gespeichert werden – dazu bieten sich Akkus von Elektroautos oder auch Warmwasserspeicher in Gebäuden an. In Phasen, in denen wenig Strom bereitgestellt wird, gäbe es dann aber keinen Strom an den E-Auto-Ladestationen. Hier ist die digitale Nutzung energiebezogener Daten entscheidend. Würden die Sektoren Strom, Wärme und Mobilität miteinander verkoppelt, könnte die vorhandene Energie effizient genutzt werden.

Die Bedeutung der Stadtquartiere
Für die Umsetzung der Energiewende in den Städten haben Quartiere eine ideale Größe: Sie sind groß genug, um etwas bewegen zu können und Synergieeffekte zu heben, aber noch klein genug, um nicht den Überblick zu verlieren. Die Vorteile spiegeln sich auch in den verschiedenen Förderprogrammen etwa von KfW oder BAFA wider, die sich ausdrücklich auf Stadtquartiere beziehen. Das KfW-Programm 432 „Energetische Quartierssanierung“ oder das BAFA-Programm „Wärmenetze 4.0“ haben beispielsweise jeweils energetische Verbesserungen in einem solchen abgegrenzten Bereich zum Ziel. Die großen Projektentwickler haben das verinnerlicht und verwirklichen Projekte wie das Deutzer Hafen Quartier in Köln, das Schumacher Quartier auf dem Gelände des ehemaligen Berliner Stadtflughafens Tegel oder den Beiersdorf Campus in Hamburg. Ein Vorreiter im Bereich Intelligenz und Vernetzung ist das aktuell in der Berliner Europa City entstehende Quartier Heidestraße. In den dort geplanten Bürogebäuden unterstützen die App-basierten Raumnutzungssysteme die Büroorganisation. Heizung, Kühlung, Lüftung, Jalousien und vieles mehr lassen sich dann auch in den Wohnbereichen automatisch steuern. Der Energieverbrauch wird so für Nutzer transparent und kann weiter optimiert werden.

Eine ganze Reihe weiterer Städtebau-Projekte ähnlicher Machart sind bereits in Planung. Ein Beispiel ist die Urban Tech Republic in Berlin: Hier lässt sich beobachten, dass auch alte Netzstrukturen in höchst moderne Low-Exergie-Netze gewandelt werden können. Sowohl Bestand als auch Neubau werden auf diese Weise klimaschonend versorgt. Diese Innovation führt zudem nicht nur zur Energieeffizienz, sondern ist langfristig auch kostengünstig. Auch durch neuartige Betreibermodelle werden solche Lösungen für Entwickler wirtschaftlich attraktiv. Der technische Masterplan hat für dieses Projekt Synergien zwischen der Wasserinfrastruktur zur Rückkühlung des Low-Exergie-Netzes und Kombinationsmöglichkeiten mit der E-Mobilität gefunden. Das zeigt eindrucksvoll, wie wichtig die Vernetzung der Sektoren und Akteure für mehr Energieeffizienz in den Städten ist.

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