Intelligente Plattform für die Forschung

Labor für das Karlsruher Institut für Technologie

Deutsches Ingenieurblatt 7-8/2020
Forschung und Technik

Bis 2050 will Deutschland klimaneutral sein. Eine Herausforderung stellen dabei der Ausbau der Netzwerkstrukturen und die Anpassung des gesamten Energiesystems dar. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat auf seinem Campus eine Forschungsplattform entwickelt: In einem Experimentalbau, dem Energy Lab 2.0, erproben Forscher intelligent verknüpfte Energienetze der Zukunft.

Das Energy Lab 2.0 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine intelligente Plattform, um das Zusammenspiel der Komponenten künftiger Energiesysteme zu erforschen und insbesondere mit der Integration erneuerbarer Energien bei der Stromerzeugung die Energiewende zu beschleunigen. In einem Anlagenverbund werden elektrische, thermische und chemische Energieströme sowie neue Informations- und Kommunikationstechnologien verknüpft. Dies geschieht nicht bloß in der Theorie oder anhand eines Computermodells, sondern real umgesetzt in konkretem Raum. Es wird ständig getüftelt, getestet und experimentiert. Unterschiedlichste Aufbauten werden realisiert, Leitungen können problemlos verlegt, neue Komponenten getestet und Nutzungsszenarien simuliert werden. Für die Bauaufgabe bedeutete dies, ein Gebäude mit größtmöglicher Flexibilität und Wandlungsfähigkeit zu entwerfen, dessen Konstruktion diese besonderen Ansprüche auch berücksichtigt. Projektpartner sind die Helmholtz-Zentren Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Forschungszentrum Jülich (FZJ).

Solitär mit transluzenter Hülle

Der Neubau des Gebäudes 668 auf einem ehemals für Sonnenenergieversuche genutzten Gelände im Norden des Campus Nord schafft einen hochwertigen und flexiblen Ort für die Forschung. Der freistehende Solitär präsentiert sich als homogene Einheit mit einer transluzenten Hülle aus Polycarbonat und einer durchscheinenden Konstruktion aus Holz und beherbergt eine großzügige, stützenfreie Versuchshalle sowie einen zweigeschossigen Büroriegel. Der Hauptzugang erfolgt von Westen über einen verglasten Windfang in die zentrale Erschließungszone, die zwischen Büros und Halle entlang einer leichten Glaswand in das Gebäude leitet und großzügige Blickbezüge zwischen diesen Gebäudeteilen erlaubt. Zur Rechten öffnet sich die Halle, zur Linken sind die Büroräume angeordnet. Hier sind ebenfalls Kontrollstände, die Versuchsvorbereitung, Besprechungsräume und Nebenräume untergebracht. In der Gebäudemitte führt eine Treppe bzw. ein Aufzug in das Obergeschoss, wo sich weitere Büro- und Vorbereitungsräume sowie eine Teeküche als Aufenthaltsbereich für die Mitarbeiter befinden. Die den Versuchsflächen zugeordneten Räume grenzen an den Luftraum der Halle und erlauben direkte Einblicke sowie fortwährende Kontrolle der durchgeführten Experimente.

Experimentierfeld im Labormaßstab

Die Versuchshalle mit einer Grundfläche von ca. 42,6 m x 15,5 m und einer Höhe von 9 m nimmt die Bereiche „Power-Hardware in the Loop“ (Phil) und „Smart Energy System Control Laboratory“ (Sescl) sowie Aufstellflächen für Versuche auf.
Zusätzliche Stellflächen für Schaltschränke von Sescl sind über eine aufgeständerte Stahlkonstruktion geschaffen. Unterhalb dieser Konstruktion ist ein Leitstand vorgesehen, während weitere Flächen als Aufstellfläche für Versuche erhalten bleiben. Eine Belieferung der Versuchsflächen kann über große Fassadenöffnungen sowohl von Osten, als auch von Westen erfolgen.
Halle und Sheddach sind großzügig mit durchscheinenden Polycarbonatplatten verkleidet, die die gesamte Experimentierfläche mit gleichmäßigem Tageslicht versorgen. Angegliederte Aufstellflächen für technische Bauteile mit großen Wärmelasten sind nicht Teil der energetischen Gebäudehülle, sondern gewährleisten mit einer Lamellenfassade eine gleichmäßige Wärmeabfuhr und Belüftung der Bauteile.
Die Halle nimmt mit ihrer Materialität Bezüge zur industriell geprägten Umgebungsbebauung auf. Punktuelle Öffnungen der Bürofassade erlauben eine gezielte Belichtung der zurückhaltend gestalteten Innenräume. Während hier der Charakter von Holz und einfachen Glaswänden überwiegt, ist die Halle durch die Polycarbonat-Fassade und die Holzkonstruktion des Sheddachs geprägt. Die Materialien verleihen dem Gebäude einen werkstattartigen Charakter und sorgen für eine angenehm freundliche Arbeitsumgebung.
Das Gebäude sollte auf die Vielzahl an Komponenten im Außenraum nicht mit zusätzlicher Heterogenität reagieren, sondern als geschlossene Einheit – als stimmiger Solitär – seine Umgebung bereichern. Maßgeblich trägt dazu die homogene Ästhetik der Gebäudehülle bei – eine allesumfassende Haut aus Polycarbonat – sowie die simple, fast ikonische Outline der Gebäudekubatur.

Eine Halle für die Meister

Eine Kranbahn mit bis zu 5 Tonnen Tragkraft ermöglicht den Transport schwerer Lasten innerhalb beider Hallenhälften. Als Tragkonstruktion wurden fußeingespannte Fertigteilstützen mit angeformten Fundamenten vorgesehen. Der Stützenabstand beträgt in Längsrichtung der Halle ca. 6 m. Die Dachkonstruktion bzw. das Sheddach besteht aus Holzbindern mit darauf liegendem Dachtrapezblech. Der Hallenboden kann mit einer Flächenlast von ca. 10 KN/m² belastet werden.

Das Gebäude folgt dem Prinzip von „Halle mit Meisterbüros“, also einer Halle und direkt angrenzender Nutzräume, die direkte Blickbezüge zueinander gewährleisten. Somit können die Nutzungseinheiten des Gebäudes als ein Brandschutzabschnitt betrachtet werden und es muss nicht in mehrere Brandschutzabschnitte unterteilt werden.
Darüber hinaus sind zwei Fluchtwege gefordert. Ein erster Fluchtweg über maximal 35 m sowie ein zweiter Fluchtweg über maximal 50 m. Die Wegeführungen sind dabei nicht parallel zu führen. Die Anordnung von Räumen und Treppen erfüllt diese Anforderungen.
An der Längsseite der Versuchshalle liegt der zweigeschossige Bürotrakt mit einer Breite von ca. 8,55 m. Als Decke der Holzkonstruktion über dem Erdgeschoss wurden Brettstapeldecken eingesetzt. Die Deckenelemente spannen in Gebäudelängsrichtung über 6 m. Sie werden von Trägern, die jeweils in den Achsen der Fertigteilstützen liegen, abgefangen. Die Decke ist für eine Verkehrslast von q = 3,5 KN/m² bemessen.
Die Aussteifung erfolgt über die fußeingespannten Fertigteilstützen der Halle bzw. über die Außenwände des Büros.

Ein Skelett aus Beton

Der Bau wurde als Skelettbetonkonstruktion geplant. Es gibt tragende Außenstützen und Innenstützen. Die innenliegenden Trennwände (Glas- und GK-Wände) sind als nichttragende Wandkonstruktionen ausgeführt. Die Räume lassen sich dadurch auf einfache Weise nachträglich verändern.
Langfristig könnte diese Typologie von Halle und Büros um Erweiterungen in Richtung Süden auf bisher nicht bebaute Flächen ausgeweitet werden. Dabei würde der vorhandene Steg im Obergeschoss fortgeführt und als Magistrale alle Gebäudeteile miteinander verbinden. Das Energy Lab wäre in diesem Fall der repräsentative Kopf- und Empfangspunkt, von welchem aus weitere Versuchsflächen erschlossen werden.

BAUTAFEL

Bauherr: Facility Management KIT
Architekt: Behnisch Architekten, Stuttgart
Planung und Fertigstellung: 2015 - 2019
BGF: 1.730 m²BRI: 10.551 m³
Adresse: Hermann-von-Helmholtz-Platz 1
76344 Eggenstein-Leopoldshafen

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