Die Kienlesbergbrücke in Ulm wurde im November vergangenen Jahres mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis 2020 ausgezeichnet. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie konnte die Verleihfeier nicht, wie geplant, als Festveranstaltung stattfinden. Stattdessen ist ein Filmbeitrag entstanden. Bereits am 21. August 2020 wählte die Jury unter Vorsitz von Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek das im Dezember 2018 fertiggestellte Siegerprojekt aus. Die Konzeptidee stammt vom Büro Krebs + Kiefer Ingenieure GmbH aus Karlsruhe in Zusammenarbeit mit Knight Architects, Großbritannien. Bauherr sind die Stadtwerke Ulm. Der Deutsche Ingenieurbaupreis ist als Staatspreis der bedeutendste Preis für Bauingenieure in Deutschland.
Neben der Preisübergabe durch Anne Katrin Bohle (Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat), Petra Wesseler (Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung) sowie Dr.-Ing. Heinrich Bökamp (Präsident der Bundesingenieurkammer), veranschaulichen nun Filmbeiträge die Besonderheiten der Projekte und erläutern die Herausforderungen der Planung und Umsetzung im Gespräch mit den Preisträgern.
„Mit diesem Preis zeichnen wir etwas aus, was oft im Schatten liegt und in seiner Besonderheit nicht sofort erkannt wird. Denn vielen ist nicht bewusst, welche Kreativität, welche Kraft und vor allem welches ungeheure technische Know-How in der Ingenieurarbeit eines Bauwerks liegt. An der Kienlesbergbrücke werden diese Eigenschaften vorbildlich deutlich”, lobte Anne Katrin Bohle die Arbeit der Ingenieure.
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, hob hervor, dass in Ingenieurbauwerken viele tolle Ideen stecken. „Das wollen wir mit dem Deutschen Ingenieurpreis in die Öffentlichkeit tragen, auch zu den Menschen, die mit der täglichen Arbeit von Ingenieurinnen und Ingenieuren bisher wenig zu tun haben”, erklärte Bökamp. „Hierfür ist die Kienlesbergbrücke das beste Beispiel und damit ein ausgezeichnetes Siegerprojekt. Die Kombination aus zweigleisiger Straßenbahnbrücke und breiter Fußgängerbrücke ist nicht nur konstruktiv und gestalterisch großartig umgesetzt. Sie ist auch für die Menschen von großem Nutzen – und das jeden Tag aufs Neue. Genau das ist unsere Botschaft.“
Die Bandbreite der für den Preis 2020 eingereichten Arbeiten war groß. Neben Hochbau- und konstruktiven Ingenieurbauprojekten haben sich die Teilnehmer auch dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen wie Bauen im Bestand und bautechnischen Lösungen aus nachwachsenden Rohstoffen gewidmet.
Der Deutsche Ingenieurbaupreis wurde in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in gemeinsamer Trägerschaft durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und die Bundesingenieurkammer ausgelobt. Ausgezeichnet werden die Bauingenieure mit Geldpreisen sowie einer Urkunde und die Bauherren mit einer Urkunde. Der Preis wird im Zweijahresrhythmus verliehen.
Insgesamt wurden neben dem mit 30.000 Euro dotierten ersten Preis vier Auszeichnungen mit jeweils 5.000 Euro Preisgeld sowie drei Anerkennungen mit je 3.000 Euro vergeben, die auf den folgenden Seiten kurz mit der entsprechenden Jury-Bewertung vorgestellt werden. Die ergänzenden Informationen sind der begleitenden Publikation entnommen, die von BIngK und BMI zum Staatspreis herausgegeben wurde. Diese enthält zahlreiche detaillierte und bebilderte Informationen zu den eingereichten Projekten.
Das Wettbewerbsverfahren wurde vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) durchgeführt.
Der Jury zum Deutschen Ingenieurbaupreis 2020 gehörten an:
- Christine Hammann, Abteilungsleiterin BW im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, Berlin
- Dr.-Ing Ralf Ruhnau für die Bundesingenieurkammer e.V., Berlin
- Prof. Dr.-Ing. Gudrun Djouahra, Saarbrücken
- Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, München
- Dr.-Ing. Jeannette Ebers-Ernst, Hannover
- Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek, Stuttgart
- Prof. Dr.-Ing. habil. Natalie Stranghöner, Essen
Stellvertretende Jurymitglieder:
- Dr.-Ing. Christian Müller, Berlin
- Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, Berlin
Den Filmbeitrag zum Deutschen Ingenieurbaupreis 2020 sowie weitere Informationen finden Sie unter: www.bmi.bund.de/DIBP2020 und unter www.bingk.de.
Preisträgerin des Deutschen Ingenieurbaupreises 2020
Die Kienlesbergbrücke nördlich des Ulmer Hauptbahnhofs wurde für einen zweigleisigen Straßenbahnverkehr sowie zusätzlich für Fußgänger und Radfahrer konzipiert.
Die komplexen Randbedingungen ihrer topografischen Lage, des städtebaulichen Umfelds, der Lage der zu überquerenden Bahngleise und deren vorgegebenen Lichtraumprofilen sowie der Baustellenlogistik führten zu ihrer ungewöhnlichen Form.
Die 270 Meter lange Brücke weist aufgrund des Gleisbetts unterschiedliche Stützenabstände und zwischen 14,80 und 74,50 Meter variierende Spannweiten auf – sowie einen Höhenunterschied im Gradientenverlauf von 15 Metern mit einer ausgeprägten Kuppe. Sie wird durch den aus luftdicht verschweißten Hohlkästen gebildeten Vierendeelträger asymmetrisch zweigeteilt, ihre lichten Profilbreiten betragen 8,30 Meter (Tram) und 4 bis 6 Meter (Geh- und Radweg).
Die Jury begründete ihre Entscheidung wie folgt:
„Mit dem Bau der Kienlesbergbrücke wurde der vielfach geäußerte Wunsch nach einer besseren Verbindung von Innenstadt und Wissenschaftsstadt in Ulm erfüllt. Aufgrund der sehr schwierigen städtebaulichen wie verkehrstechnischen Gesamtsituation entschieden sich die Stadtwerke Ulm, einen Planungswettbewerb durchzuführen, den die Entwurfsgemeinschaft Krebs+Kiefer Ingenieure und Knight Architects gewann. Das zu überbrückende Gleisdreieck ist engmaschig von Gleisen durchwoben, was Planung und Bauausführung zur Herausforderung machte. Vor allem der vorhandene Gleisbestand definierte sowohl die Trasse als auch die Gradiente der ca. 270 Meter langen Brücke; zwischen den Gleisen fand sich zudem kaum Platz für neue Gründungskörper. Letztlich konnten die Brückenpfeiler weder in gleichem Abstand noch senkrecht zur Brückenachse angeordnet werden. […] Es ergaben sich weitere ingenieurtechnische Schwierigkeiten und in jeder Hinsicht asymmetrische Randbedingungen, was letztlich zu einer extrem herausfordernden Ingenieuraufgabe führte. Die Jury bewertet den Entwurf, die Konstruktion und die bauliche Umsetzung der Kienlesbergbrücke als herausragend gelungene Lösung der sehr schwierigen Bauaufgabe.
Auch hier war eine Lösung ohne die intensive Zusammenarbeit von Ingenieuren und Architekten undenkbar. Nur durch sie konnte die gelungene Einheit von tragwerksplanerischer Lösung und gestalterischer Konzeption gelingen. Nur durch sie wurde die Vielzahl gestalterisch wie konstruktiv hervorragend gelöster Details möglich. Die hohe Gestaltqualität, der Verzicht auf alles Unnötige und die – letztlich – Einfachheit der Lösung führen zu der hohen Eleganz, die das Bauwerk ausstrahlt und die es bei der Bevölkerung so beliebt macht. Die Kienlesbergbrücke ist nicht nur als ein Stück innovative und konstruktiv gelungene Verkehrsinfrastruktur anzusehen, sondern auch als große Bereicherung des urbanen Raums der Stadt.“
Auszeichnungen des Deutschen Ingenieurbaupreises 2020
Der Sakralraum der neu gebauten Synagoge in der Regensburger Altstadt wird von einem scheinbar schwebenden Schalentragwerk aus Holz überspannt. Die Schale wird eingefasst durch eingelassene, krumm gewalzte Stahlträger und lagert in den vier Eckpunkten auf Stahlrohrstützen. Die tragende 12,6 cm dicke Schale aus erstmals gebautem, doppelt gekrümmtem Brettsperrholz besteht aus sieben Bretterschichten à 1,8 cm. Sie wurden im Werk auf einem kugelförmigen Lehrgerüst per Vakuumverfahren kreuzweise miteinander verleimt.
So entstanden insgesamt 20 „Orangenschnitze“ in einer Transportgröße von maximal 2,35 x 9 Meter. Ihre Verbindung erfolgte mit insgesamt 1900 Doppelgewinde-Schrauben, die unter 30 Grad die Stumpfstöße diagonal miteinander „vernähen“. Die unterschiedlichen Gewindegänge der Schrauben erzeugen eine gewisse konstruktive Vorspannung und überdrücken so den Stoß. Die vorhandenen Dämmsparren versteifen die Elementfugen zusätzlich und verhindern das Ausbeulen der Schale.
Die Jury schrieb dazu:
„Mit der hölzernen Kuppel der Synagoge Regensburg wurde die Idee der Architekten von einer schwebenden kugelabschnittförmigen Kuppel über quadratischem Grundriss ingenieurmäßig hervorragend umgesetzt. Die Kuppel hat eine glatte Untersicht, auf sichtbare Tragrippen wurde verzichtet. Mit dem Kuppelbauwerk wurde gezeigt, wie Eleganz, technische Brillanz und ein sorgsamer wie sparsamer Umgang mit Baustoffen innerhalb einer überzeugenden Lösung vereint werden können. Mit einer Spannweite von 13 Metern im Quadrat bei einem Stich der Kuppel von nur 1,64 Metern und einer Schlankheit der tragenden Schale h/L = 100 bei maximaler rechnerischer Verformung der Randträger von nur 30 Millimetern (L/400) wurde hier eine hölzerne Kuppel geplant und realisiert, die in dieser Dimension bisher nur mit Hilfe von sichtbaren Rippen möglich schien. Die Sichtoberflächen der Kuppelunterseite aus kreuzweise verleimten gekrümmten Brettlagen (Brettsperrholz) mit unterseitiger Furnierschichtholzlage haben den architektonischen Wunsch ingenieurmäßig umgesetzt und die Tragkonstruktion sichtbar gestaltet. Die Vorgabe als schwebende, nur auf den vier Eckstützen lagernde Dachkonstruktion hat stählerne Zugbänder als Randeinfassung der Holzkonstruktion statisch erforderlich gemacht; die ingenieurtechnische Ausführung dieses Stahlrahmens ist geschickt „gut versteckt“ eingebunden und bleibt für den Betrachter unsichtbar.
Hervorzuheben ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Tragwerksplaner und Konstrukteure mit der handwerklichen Umsetzung. Die Konstruktion des Tragwerks mit innovativem Ansatz der Holzverarbeitung zur ingenieurtechnischen Umsetzung der Gestaltungsabsicht des Architekten erfüllt damit die Wettbewerbsanforderungen des Deutschen Ingenieurbaupreises 2020 in überzeugender Weise.“
Rückbau der Lahntalbrücke, Limburg an der Lahn
MKP GmbH – Marx Krontal Partner
Ende 2015 begann die Planung des Rückbaus der alten Lahntalbrücke. Dieses Bauwerk, Teil der BAB A3 zwischen Frankfurt am Main und Köln, war 1960–1964 als 397 Meter lange Spannbetonhohlkastenbrücke im Freivorbau errichtet worden. Konstruiert als Durchlaufträger mit zwei parallel verlaufenden Überbauten aus einzelligen Hohlkästen und als siebenfeldrige Brücke mit Stützweiten zwischen 46 und 68 Metern, musste ein umfangreiches Rückbaukonzept entwickelt werden. Dieses Konzept sah vor, dass die jeweils 15 Meter breiten und 4 Meter hohen Hohlkästen im Achsabstand von 14,60 Metern über eine unterhalb des Überbaus installierte Vorschubrüstung rückgebaut wurden. Abgestützt auf den vorhandenen Fundamenten der bis zu 49 Meter hohen Pfeilern, musste der Rückbau in allen einzelnen Schritten mit den entsprechenden Sicherungsmaßnahmen dargestellt werden.
Die Jury schrieb dazu:
„Viele Brücken haben aufgrund der erheblich gestiegenen Verkehrsbelastung sowie schädigender Umwelteinflüsse das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Die erforderlichen Neubauten bedeuten in der Regel den Rückbau der vorhandenen Brücke. Dieser stellt die beteiligten Ingenieure immer wieder vor große Schwierigkeiten, da aufgrund der vorhandenen Schäden und einer oft lückenhaften Bestandsdokumentation ein detektivisches Gespür dafür notwendig ist, um in den Rückbauphasen jederzeit einen sicheren Bauwerkszustand zu gewährleisten. Dies traf in besonderer Weise auch für den Rückbau der 1960 errichteten Lahntalbrücke Limburg mit ihren zwei parallel verlaufenden, fast 400 Meter langen Spannbetonhohlkästen zu, die 2016 nach Fertigstellung des Ersatzneubaus außer Betrieb genommen wurde. Der für den Rückbau zur Ausführung gekommene Sondervorschlag der Adam Hörnig Baugesellschaft und der thyssenkrupp Infrastructure GmbH sah vor, die Überbauten der Lahntalbrücke mittels Vorschubrüstung feldweise zurückzubauen und das Abbruchgut über den verbleibenden Überbau in Richtung der Widerlager abzutransportieren. Dies bot erhebliche wirtschaftliche Vorteile und reduzierte Eingriffe in das Lahntal weitestgehend. Die Ingenieure von Marx Krontal Partner mussten das sich während des Rückbaus ständig ändernde statische System auf seine Tragfähigkeit prüfen und diese nachweisen.
Vor allem der Nachweis der für die Standsicherheit des rückzubauenden Überbaus zwingend erforderlichen Verbundwirkung der an den Abbruchfugen durchtrennten Spannglieder durch aufwendige theoretische Modelle sowie die In-situ-Erprobung des Verpresszustands machten das Rückbauverfahren erst möglich. Eine großartige Ingenieurleistung, die als Grundlage für die in Zukunft anstehenden zahlreichen Rückbauprojekte dienen kann.“
Lynar – siebengeschossiger Holzneubau in Berlin
Schäferwenningerprojekt GmbH
Mit einer Gesamtnutzfläche von rund 6.600 Quadratmetern sind in Berlin drei Gebäudeteile entstanden, die Raum für 98 Wohnungen und 7 Gewerbeeinheiten bieten. Das innovative Bauprojekt trägt den Titel „Wohnen und Werken im Wedding“ und wurde fast vollständig aus Holz errichtet, abgesehen vom Erdgeschoss und den verbindenden Treppen aus Stahlbeton.
Insgesamt wurden rund 3.700 Kubikmeter Holz verbaut, vor allem Fichte und Douglasie. Zum Teil wurden neue Bauteile und Verbindungen entwickelt, die eine Zulassung im Einzelfall erforderten. Um den Brandschutz zu gewährleisten, wurden die Querschnitte für die Anforderung REI 90 auf Abbrand gerechnet.
Die Jury schrieb dazu:
„Der siebengeschossige Wohnungsneubau Lynar in Berlin-Wedding wird von der Jury als herausragendes Beispiel für eine konsequente Umsetzung der Holzbauweise bei einem Bauwerk der Gebäudeklasse 5 (sonstige Gebäude; hier: mit einer Höhe von mehr als 13 Metern) angesehen. Die Ingenieurinnen und Ingenieure setzen sich eingehend mit den Eigenschaften des nachwachsenden Baumaterials auseinander und finden durchgängig Antworten auf die konstruktiven Anforderungen, vor allem aber auch auf die hohen Anforderungen des Schall- und Brandschutzes.
Mit dem Prinzip der Entkopplung wird auf unterschiedlichen Maßstabsebenen gearbeitet. So gelingt ein Gebäude als reine Holzkonstruktion ab dem ersten Obergeschoss. Selbst der Fahrstuhlschacht ist aus Holz gefertigt, sodass auf ein Betontreppenhaus zur Aussteifung verzichtet werden konnte. Gewürdigt wird die Eigeninitiative des Planungsteams im Entwickeln neuer Bauteile und Bauteilverbindungen, die durch Zulassungen im Einzelfall im modularen Bauwerk als Reallabor erprobt werden und damit wegweisend für die Entwicklung des Holzbaus im mehrgeschossigen Wohnungsbau sind. Überzeugend ist zudem die integrale Ingenieurleistung, die durch Zusammenführen mehrerer Disziplinen das ökologische Gesamtkonzept optimiert und den KfW-40-Standard erreicht.“
U-Bahn-Haltestelle Elbbrücken in Hamburg
schlaich bergermann partner
Die markante U-Bahn-Haltestelle Elbbrücken in der HafenCity Hamburg ist schon von weitem sichtbar. Besondere Herausforderungen stellten die Lage der Haltestelle über einer Straße und das abschüssige Gelände dar. Drei Überführungsbauwerke überspannen die Zweibrückenstraße jeweils in einem Winkel von 70 Grad. Das mittlere mit dem Gleiskörper und den integrierten Bahnsteigen besteht aus C-Profilen mit Kammerbeton, die beiden seitlichen Fußgängerstege, die das Auflager der Dachkonstruktion bilden, sind als Hohlkastenlängsträger ausgebildet. Das fast 6.000 Quadratmeter umfassende Dach mit einer Grundfläche von 137 x 33 Metern setzt sich aus 16 Stahlbögen und 20 Teilbögen aus Stahl zusammen, die im Abstand von 8 Metern zueinander gekreuzt angeordnet wurden und am Fußpunkt gelenkig gelagert sind. Randträger als Hohlkästen fangen die von den Teilbögen verursachten Kräfte ab.
Die Jury schrieb dazu:
„Die U-Bahn-Haltestelle Elbbrücken in der HafenCity Hamburg wird mit einem rautenförmigen Tonnengewölbe aus Stahl in Kombination mit einer innenliegenden Verbundsicherheitsglas-Eindeckung überdacht. Die Jury würdigt das trotz seiner Schlichtheit imposante und markante Dachtragwerk, dessen Komplexität eine Folge der Ausführung ist: Die Tragkonstruktion besteht aus gekrümmten Stahlträgern als I-Profile, bei denen die Flansche sowie die Stege entsprechend dem ellipsenförmigen Verlauf der Halbtonne zur Schaffung der rautenförmigen Struktur aus einfach gekrümmten Flanschblechen in Kombination mit leicht verwundenen Stegblechen mit über die Länge variablen Höhen gefertigt werden mussten. Durch die Regelmäßigkeit der Struktur konnte der Fertigungsaufwand der grundsätzlich eher simplen, aber geometrisch komplizierten Struktur letztendlich minimiert werden. Das an beiden Seiten spitz auskragende Dach wird durch Zugstangen in seiner Form gehalten. Ferner stellte die Montage des Dachtragwerks eine besondere Herausforderung dar, da das Dach zu weiten Teilen auf zwei Fußgängerbrücken gelagert ist, sodass deren variierende Verformungen über den Montagefortschritt des Daches zu berücksichtigen waren und geeignete, dem Montagefortschritt anzupassende Lösungen gesucht werden mussten und gefunden wurden. Schließlich ist ein Dachtragwerk geschaffen worden, welches in seiner leichten und filigranen Art eine einladende Landmarke darstellt. Die Überdachung der U-Bahn-Haltestelle Elbbrücken ist ein rundum gelungenes Beispiel dafür, dass sich Baukultur im öffentlichen Raum in eindrucksvoller Weise verwirklichen lässt.“
Anerkennungen des Deutschen Ingenieurbaupreises 2020
Die private Baugemeinschaft Z8 GbR hat in Leipzig-Lindenau ein selbstgenutztes fünfgeschossiges Wohn- und Geschäftshaus weitgehend in Massivholzbauweise errichtet.
Es zeigt, dass Bauwerke der Gebäudeklasse 5 nahezu vollständig in Holz konstruiert werden können. Mit der Verwendung von insgesamt 520 Kubikmetern Holz und mit seinem regenerativen Energiekonzept leistet das in der Effizienzhausklasse KfW 55 Standard geplante Gebäude einen wertvollen ökologischen Beitrag in einem hoch verdichteten Stadtquartier.
Die Holzkonstruktionen sind auf Abbrand gerechnet und erfüllen die Brandschutzanforderungen REI 90. Die Gebäudeaussteifung wird durch die Brandwand, den Treppenhaus- und Aufzugskern und die Gründungplatte (auf Streifenfundamenten), jeweils
aus Stahlbeton, gewährleistet.
Die Jury schrieb dazu:
„Der Neubau des Wohn- und Geschäftshauses schafft an einer schwierig zu bebauenden Ecke Leipzigin der Stadtstruktur eine gestalterisch und städtebaulich sehr überzeugende Qualität. Für das Gelingen des Projekts war die enge vernetze Zusammenarbeit zwischen selbst nutzenden Bauherren, Architekten, Tragwerksplanern, dem Energieberater und Brandschutzgutachter elementar, um innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Dieser integrale Ansatz bei den Ingenieurleistungen, beginnend mit der Wahl des Rohbaumaterials Holz, einem regenerativen Energiekonzept und ambitionierter Anlagentechnik, die weit über die Anforderungen des Baurechts hinausgeht, überzeugte die Jury. Bauherren und Ingenieure setzten auf eine massive Konstruktion und auch eine Fassadenverkleidung aus dem nachhaltigen Baustoff Holz, die in dieser Größenordnung hierzulande noch selten, aber wegen der gestalterischen Qualitäten und nicht zuletzt wegen der sehr guten Ökobilanz vorbildlich ist. Es gelang zudem, mit der gewählten Holzbauweise frei einteilbare individuelle Grundrisse und somit eine hohe Flexibilität zu ermöglichen. Die ambitionierte Anlagentechnik umfasst die Nutzung von Solarenergie, Erd- und Luftwärme und die Sammlung von Regenwasser zum Einsatz als Brauchwasser. Das Projekt ist auch hinsichtlich seiner Erstellungskosten mit Vorfertigungselementen und der zu erwartenden Unterhalts- und Instandsetzungskosten vorbildlich für bezahlbares innerstädtisches Wohnen und Arbeiten.“
Ertüchtigung der Rheinbrücke Maxau in Karlsruhe
Ingenieurgruppe Bauen
Die sechsspurige Straßenbrücke mit seitlichen Fuß- und Radwegen verbindet als Teil der Bundesstraße B10 das baden-württembergische Karlsruhe mit dem rheinland-pfälzischen Wörth. Die 292 Meter lange Schrägseilbrücke misst 34,80 Meter zwischen den Geländern.
Bauwerksuntersuchungen und statische Nachrechnungen ergaben, dass die Brücke aufgrund zahlreicher Ermüdungsschäden sowie Stabilitätsdefiziten ertüchtigt werden musste. Da bei der Instandsetzung ein möglichst hoher Anteil an vorhandener Bausubstanz erhalten werden sollte, wurden zunächst umfangreiche Bauwerksuntersuchungen durchgeführt und in einer inte-gralen Zustandsermittlung die geschädigten Bereiche und Bauelemente erfasst. Die Brückenkonstruktion wurde mit gezielten Eingriffen verstärkt: Erstmals wurde in Deutschland die Fahrbahn einer stählernen Großbrücke durch das Aufbringen einer Platte aus hochfestem Beton mit einer Dicke von 65 Millimetern im Verbund mit dem stählernen Deckblech ertüchtigt, wobei die Platte den Gussasphaltbelag ersetzt. Im Innern der Hohlkästen wurden zusätzliche stählerne Quer- und Längsaussteifungen eingebaut.
Die Jury schrieb dazu:
„Der Ertüchtigung von Brückentragwerken großer Spannweite im Bestand zur Aufnahme der rapide und enorm gewachsenen Verkehrsbelastungen kommt bereits seit einigen Jahren eine ganz besondere Bedeutung zu. Solche Maßnahmen erfordern insbesondere bei der Nachrechnung der Tragwerke und der Festlegung von geeigneten Sanierungs- und Verstärkungsmaßnahmen in höchstem Maß Ingenieursachverstand aller an der Baumaßnahme Beteiligten. In vorbildlicher Weise wurde die Ertüchtigung der Rheinbrücke Maxau, einer Schrägseilbrücke mit stählernem Überbau aus dem Jahr 1966, mit hohem Ingenieursachverstand durchgeführt, wobei erstmalig in Deutschland auf einer großen Stahlbrücke zur Entlastung der stählernen orthotropen Fahrbahnplatte eine Platte aus hochfestem Beton aufgebracht wurde. Eine umfangreiche Voruntersuchung umfasste auch eine Pilotbaumaßnahme an einem kleineren Bauwerk. Ferner wurde diese Verstärkung u. a. durch die Bundesanstalt für Straßenwesen und zusätzliche Monitoringmaßnahmen begleitet. Die Nachrechnung der Rheinbrücke Maxau auf Basis der Nachrechnungsrichtlinie für das Lastmodell LM1 (Doppelachse mit Gleichlast) sowie die Messung der tatsächlich vorhandenen Seilkräfte zeigte weitere Schwachstellen des Tragwerks auf, die technisch kreativ angegangen werden mussten.
Hierzu wurden u. a. detaillierte räumliche numerische Berechnungen unter Berücksichtigung nichtlinearer Effekte durchgeführt sowie teilweise die normativen Anforderungen hinterfragt und neu ausgelegt. Ein besonderer Fokus wurde auf die Definition der Qualitätsanforderungen für die Ausführung gelegt. Letztendlich konnte mit den komplexen Berechnungen eine wirtschaftliche und nachhaltige Sanierung sowie Verstärkung des Brückentragwerks erfolgen, die die Nutzung der Rheinbrücke Maxau für die nächsten Jahre gewährleistet. Ihre beeindruckende Ertüchtigung hat eindeutig Vorbildcharakter für die zahlreichen im Bestand vorhandenen Brücken, die zukünftig betrachtet werden müssen.
Erneuerung der EÜ – Lange-Feld-Straße in Hannover
MKP GmbH – Marx Krontal Partner
Die ursprüngliche Eisenbahnbrücke Lange-Feld-Straße wurde 1906 als genietete dreifeldrige Stahlbrücke mit kurzen Randfeldern und großem Mittelfeld errichtet. Als Teil der Güterumgehungsbahn in Hannover musste sie aufgrund ihres Alters und des unzureichenden Bauwerkszustands erneuert werden. Dabei waren auch denkmalrechtliche Belange zu berücksichtigen, denn die alte Brücke war als Einzeldenkmal gelistet. Gemeinsam mit der Deutschen Bahn (DB) und der Denkmalbehörde wurde eine so noch nie zuvor ausgeführte Bauwerkslösung erarbeitet, mit einem in der Denkmalpflege völlig neuen Ansatz des „Weiterbauens“.
Die Jury schrieb dazu:
„Die lagerlose und integrale Brücke vereint in sich die hohen technischen Anforderungen des Bahnverkehrs, denkmalschützerische und gestalterische Aspekte und die strengen Bauablaufvorgaben der Deutschen Bahn. Die Planung wurde bis ins kleinste Detail sorgfältig durchdacht. So wurde das Tragwerk als Stahltrograhmen in den ursprünglichen Bestandsabmessungen ausgeführt. Die drei Hauptträger mit einer Spannweite von 23,15 Metern und einer Höhe von 1,60 Metern sind integral in einen massiven Block ins Widerlager eingespannt und nutzen den Raum oberhalb der Fahrbahn, ohne das Gleisprofil der Bahn einzuschränken. Auf diese Weise gelang es, die Stützweite unter Beibehaltung der vorherigen Bauhöhen zu vergrößern. Hierdurch konnte auch auf die anprallgefährdeten Stützen der ursprünglichen Brücke im Straßenraumprofil verzichtet werden. Hervorzuheben ist die technische Ausführung des neuen integralen Anschlusses. Die Einspannung der Hauptträger wurde mit Hilfe eines zurückgesetzten Zugankers mit großer Kräftespreizung von ca. 4 Metern realisiert, sodass Zug- und Druckkräfte in der Einspannkonstruktion gering sind – daraus resultiert eine robuste, ermüdungsarme Konstruktion.
Das Erscheinungsbild des Widerlagers wurde in Abstimmung mit den Denkmalbehörden gestaltet, unter Wahrung der historischen Bausubstanz. Einen wesentlichen Beitrag hierzu bildete der mit großer Sorgfalt durchgeführte Rück- und Wiedereinbau der originalen Natursteine. Bei diesem komplexen und hoch anspruchsvollen Ingenieurbauwerk würdigt die Jury insbesondere die Vollführung des Spagats zwischen technischer Erneuerung und Bewahrung von Kulturgut unter Abwägung vieler unterschiedlicher Zielrichtungen. Der Duktus der ursprünglichen Eisenbahnbrücke wurde in einen neuen, zeitgemäßen Tragwerksentwurf transferiert, der die vielfältigen interdisziplinären Anforderungen in einer klaren Gestaltung mit nachvollziehbarem Kräfteverlauf und ablesbaren Strukturen vereint. Die technischen Herausforderungen wurden intelligent gelöst und mit hoher Sensibilität umgesetzt. Das entstandene Bauwerk fügt sich angemessen und wohltuend in den städtebaulichen Kontext ein und zeigt ingenieurmäßiges Knowhow auf angenehme Weise. Das Projekt kann und sollte Vorbild sein für die anstehende Erneuerung vieler Eisenbahnbrücken in Deutschland.“