Die seit langer Zeit sichtbare Entwicklung zu einem Mehrbedarf von Ingenieuren und technischen Mitarbeitern setzt sich fort. So rechnen vier von zehn Ingenieurbüros im kommenden Jahr mit einer steigenden Nachfrage nach festangestellten Ingenieurinnen und Ingenieuren. Die Situation bei den Architekturbüros stellt sich ähnlich dar – hier rechnet ein Großteil mit einem höheren Bedarf an Personal. Dass die Büros im Bau- und Planungswesen eher aufstocken, denn abbauen, ist bekannt. Neben der Hoffnung auf junge Nachwuchskräfte macht jetzt ein Projekt Schule, dass die Qualifizierung von Ingenieuren aus anderen Branchen für den Baubereich zum Ziel hat.
Der aktuelle Fachkräftemangel kann zu einer dauerhaften Wachstumsschwäche führen (s. KfW-ifo-Fachkräftebarometer), der im 1. Quartal 2021 die Geschäftstätigkeit von 20,6 % der Unternehmen in Deutschland behindert. Damit wurde ein Drittel mehr Unternehmen durch Fachkräfteengpässe beeinträchtigt als noch im 3. Quartal 2020. (Quelle: KfW Research, ifo Institut)
Wird der Blick in andere Branchen wie z. B. den Maschinen-, den Anlagen- oder Fahrzeugbau gerichtet, ist eine konjunkturelle Abkühlung deutlich erkennbar. Hochqualifizierte, erfahrene Ingenieure/Techniker/Meister verlieren in diesen Branchen aktuell ihren Arbeitsplatz, wie Studien der Agenturen für Arbeit deutlich erkennen lassen. In der Bau- und Planungsbranche dagegen ist nach wie vor ein wirtschaftliches Wachstum vorhanden, das bis dato auch durch die Covid-Pandemie nicht unterbrochen wurde.
Fazit: Es werden dringend Fachkräfte gesucht und durch den Strukturwandel lässt sich ein deutliches Ungleichgewicht in den Branchen beim Fachkräfteabbau und beim Fachkräftebedarf erkennen.
Handlungsbedarf im Personalwesen
Aktuell ist die Personalentwicklung und Qualifizierungsstrategie in den Planungsunternehmen überwiegend „eindimensional“ geprägt und spiegelt eine bedarfsorientierte Momentaufnahme wieder. Ingenieur- und Architekturbüros verfügen selten über eine strategische Personalentwicklung, die auch eine Personalbedarfsplanung vorsieht. Wer geht wann in den – zumindest planmäßigen – Ruhestand? Wie alt ist durchschnittlich das Team? Welche Know-how- und Erfahrungsträger im Unternehmen scheiden wann aus? Wann geht man sinnvollerweise die Nachfolgeregelung an? All diese Themen werden meist „ad hoc“ und nach Bauchgefühl geregelt.
Auf der anderen Seite sehen sich die meisten Bildungsanbieter nicht als konzeptionelle Dienstleister oder Partner in der Personalentwicklung. Der Fokus bezieht sich eher auf ein Bildungsprodukt getreu dem Motto: „Seminar anbieten. Hoffentlich wird es gebucht. Fertig.“
Der „mehrdimensionale“, lösungsorientierte Bildungsanbieter muss sich heute in ein neues Mindset begeben. Damit Lösungsansätze erarbeitet werden können, muss das Setting auf die Faktoren „Ziel- und Lösungsorientierung" ausgerichtet werden – sowohl im Seminarangebot als auch in der Begleitung der Unternehmen als verlässlicher Entwicklungspartner.
Lösungsansätze müssen in gemeinsamer Interaktion zwischen Unternehmen und Bildungsanbietern in kurzen Sequenzen – aber möglichst längerfristig – beleuchtet und erarbeitet werden.
Lösungen neu denken
Die Akademie der Ingenieure bereitet durch das seit 2015 bestehende Programm „Integration durch Qualifizierung“ internationale Fachkräfte aus dem Bauwesen für den deutschen Arbeitsmarkt vor. Hiermit konnten bereits viele Büros Fachkräfte gewinnen und weiterbilden.
Mit dem im Jahr 2020 begonnenen Projekt „KompetenzTransfer durch TransferQualifizierung“ wird die Lösungsorientierung beim Fachkräftebedarf noch detaillierter unter die Lupe genommen, denn die Zukunft des Bau- und Planungswesens wird bereits heute maßgeblich
von folgenden Themen mitgestaltet:
- Maschinen- und Anlagenbau
- Automation, Robotik und Digitalisierung
Die Umsetzung dieser Themen erfordert die Entwicklung von individuellen digitalen Lernplattformen für Unternehmen und die individuelle Lernpfad-Entwicklung für die einzelnen Fachkräfte und Mitarbeiter, um diese so gezielt wie möglich und nach deren besonderen Fähigkeiten einzusetzen.
Durch das Projekt „KompetenzTransfer durch TransferQualifizierung“ werden erfahrene Fachkräfte aus benachbarten Ingenieurdisziplinen passgenau qualifiziert und auf die spezifischen Anforderungen in den Planungsbüros vorbereitet.
Beispiel: Ein Ingenieur aus dem Maschinenbau, eventuell mit dem Schwerpunkt Energietechnik, kann durch das Kompetenz- Transfer-Modell zum TGA-/Versorgungsingenieur qualifiziert werden.
Arbeitgeber in den Büros haben somit die Möglichkeit, inhaltlich Ihre zukünftigen Fachkräfte über das individuelle KompetenzTransfer- Modell bedarfsgerecht zu entwickeln und gleichzeitig die bereits vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten aus den bisherigen Arbeitsbereichen zu nutzen. Damit wird Fachwissen im Unternehmen gesichert und weiterentwickelt.
Die Akademie der Ingenieure begleitet diese Prozesse von der Kompetenz-Erfassung der Fachkräfte über die Bedarfsanalyse in den Unternehmen, der Durchführung modularer Qualifizierungen bis zur Begleitung in die Mitarbeiter suchenden Unternehmen.
Bei Interesse an diesem Thema oder an einem Pilotprojekt stehen Ihnen die Autoren dieses Beitrags gerne zur Verfügung.