Schiffshebewerk Lüneburg wird saniert

Große Anforderungen an eine vielbefahrene Wasserstraße

Deutsches Ingenieurblatt 11/2021
Objekte
Bauen im Bestand
Seine lange Betriebszeit hat eine Grundinstandsetzung des Schiffshebewerks Lüneburg erforderlich gemacht. Sowohl Steuerung, Seiltechnik, Seilscheiben, Stahlbau, Korrosionsschutz als auch der Beton waren in die Jahre gekommen. Dabei war bekannt, dass im Beton eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR) abläuft. Die tatsächlich vorhandenen umfänglichen AKR-Schäden wurden jedoch erst bei den Strahlarbeiten sichtbar.

Das Schiffshebewerk in Scharnebeck bei Lüneburg ist ein Ingenieurbauwerk der Superlative: 1975 wurde es nach achtjähriger Bauzeit mit einem Kostenvolumen von 152 Millionen DM fertiggestellt und als größtes Doppel-Senkrecht-Hebewerk der Welt in Betrieb genommen. Als Teil des Elbe-Seitenkanals, der den Mittellandkanal mit der Elbe verbindet, ist es von zentraler Bedeutung für die Verbindung des Hamburger Hafens mit den niedersächsischen Industriegebieten und dem westdeutschen Kanalsystem. 20.000 Schiffe passieren jährlich das Hebewerk. Etwa acht Millionen Tonnen Güter und mehr als 120.000 Container werden pro Jahr auf diesem Weg transportiert.

Mit zwei unabhängig voneinander arbeitenden Trögen, die jeweils über eine nutzbare Länge von 100 Metern verfügen, gleicht das Schiffshebewerk, das immer noch das größte in Deutschland ist, einen Niveauunterschied von 38 Metern in drei Minuten aus. Jedem der beiden Tröge sind vier Führungstürme aus Beton zugeordnet, in denen sich die Technik befindet. 240 etwa 54 Millimeter dicke Stahlseile pro Trog sorgen dabei für ein reibungsloses Funktionieren der Anlage. Sie werden über Seilscheiben im obersten Stockwerk der Türme geführt und sind auf der einen Seite mit dem Stützrahmen der Tröge und auf der anderen Seite mit den Gegengewichten – 224 Schwerbetonscheiben mit einem Einzelgewicht von jeweils 26,5 t – verbunden. Angetrieben werden die Tröge von je vier Drehstrommotoren mit einer Leistung von jeweils 160 Kilowatt.

Mittlerweile aber ist das Bauwerk in die Jahre gekommen und den aktuellen Anforderungen an eine nach wie vor vielbefahrene Wasserstraße kaum mehr gewachsen. Denn viele der modernen Großmotorgüterschiffe und Schubverbände sind zu lang. Um passieren zu können, müssen die Schubverbände daher geteilt werden, was sich schließlich in längeren Transportzeiten niederschlägt. So wird das einst größte Schiffshebewerk der Welt zum Nadelöhr für den Güterverkehr zwischen Hamburg und dem Binnenland.
Eine neue Schleuse mit einer Nutzlänge von 225 Metern, deren Bau in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufgenommen wurde, soll daher in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem bestehenden Komplex entstehen und so diesen Wasserweg auch künftig für den Güterverkehr attraktiv erhalten. Allerdings hat das Schiffshebewerk damit nicht ausgedient: Es ist vorgesehen, dass die bestehende Anlage, die derzeit innerhalb einer Grundinstandsetzung ertüchtigt wird, weiterhin in Betrieb bleibt.

Restnutzungszeit von 35 Jahren
Witterung und Verschleiß haben dem 45 Jahre alten Bauwerk zugesetzt. Zusätzlich erforderten gestiegene Anforderungen aus der Schifffahrt neue technische Lösungen. Aktuell wird daher die westliche Anlage saniert. Die Betoninstandsetzung der vier Gegengewichtstürme einschließlich der Stahlbeton-Trogwanne sowie die Instandsetzung des Korrosionsschutzes sollen das Bauwerk fit machen für eine Restnutzungszeit von 35 Jahren. Dabei wird auch die gesamte Maschinen- und Steuerungstechnik auf den neuesten Stand gebracht. Der Betrieb geht in dieser Zeit weiter: Bis die Arbeiten abgeschlossen sind, wird der gesamte Verkehr über den Osttrog abgewickelt.

Schwere Schäden durch Alkali-Kieselsäure-Reaktion
Die Erfassung des Ist-Zustands ergab, dass beim Bau des Schiffshebewerks eine nicht AKR(Alkali-Kieselsäure-Reaktion)-beständige Gesteinskörnung eingesetzt wurde. Das heißt, der Beton wurde mit einem Kies hergestellt, der eine zu hohe Konzentration löslicher (amorpher) Kieselsäuren aufweist. Dies führt bei Betonbauteilen, die – wie im vorliegenden Fall die vier Führungstürme des westlichen Trogs – dauerhaft hoher Feuchtigkeit ausgesetzt sind, dazu, dass diese kieselsäurehaltigen Gesteinspartikel (z. B. Feuerstein) in dem verwendeten Beton mit dem Zement reagieren. Dadurch bilden sich Risse, die das Gesamtgefüge des Betons zerstören und seine Festigkeit deutlich reduzieren. Kritisch wird es besonders dann, wenn – wie hier festgestellt – die tragende Bewehrung geschädigt ist. 

AKR-Prozesse künftig verhindern
Auf den vorhandenen Wänden außerhalb der Spindelnischen wurde deshalb die Oberfläche des Betons bis zu 10 mm tief abgetragen und anschließend mit 30 mm Spritzmörtel geschlossen, um AKR-Prozesse künftig zu unterbinden. Nach den Vorgaben des Auftraggebers, dem Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Uelzen, durfte dabei ausschließlich ein spezieller Baustoff eingesetzt werden. Dieser wurde durch ein aufwändiges Präqualifikationsverfahren der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) ermittelt und durch ein Gutachten der BAW zu den Probeflächen und zum Nachweis der Verträglichkeit des SPCC mit dem Altbeton bestätigt.
Mit den Instandsetzungsarbeiten wurde die Hamburger Firma Bauschutz GmbH & Co. KG - Niederlassung Nord unter Leitung von Michael Notthoff, Leiter und Prokurist der Niederlassung, beauftragt, die bereits beim Bau des Schiffshebewerks den gesamten Korrosionsschutz ausgeführt hat.

Beim Strahlen wurde erkannt, dass in den Betonflächen massive AKR-Schadstellen vorhanden sind. Diese Schadstellen wurden großflächig auf einer Gesamtfläche von ca. 2.600 m² mit Höchstdruckwasserstrahl (HDW 2.500 bar) bis zu einer Tiefe von 15 cm abgetragen. Die Bewehrungsstähle waren anschließend freigelegt. Geschädigte Bewehrungsstähle wurden partiell ergänzt. Die AKR-Schadstellen wurden dann mit Spritzbeton mit niedrigem Na2O-Äquivalent mehrlagig geschlossen (s. dazu Erklärung Alkaligehalt des Zementsteins). Für das Schließen der Schadstellen benötigte die ausführende Firma 1.000 Tonnen Spritzbeton.

Die gesamte Fläche von ca. 20.000 m² erhielt abschließend nach entsprechender Untergrundvorbereitung eine insgesamt 3 cm dicke SPCC-Spritzmörtelschicht mit niedrigem Na2O-Äquivalent. Insgesamt wurden hier 2.200 Tonnen verarbeitet.

Dabei durfte ausschließlich ein bestimmtes, vom Bauherrn vorgegebenes kunststoffmodifiziertes, einkomponentiges, hoch sulfatbeständiges SPCC-Betonersatzsystem verarbeitet werden. Der Spezialmörtel wurde im Trockenspritzverfahren in insgesamt zwei Lagen auf dem vorgenässten Untergrund aufgebracht. Dabei war die Lage der ersten Schicht etwa 20 mm dick. Nach einer der Witterung angepassten Wartezeit konnte schließlich die zweite Schicht in ca. 10 mm Dicke aufgetragen werden, die anschließend mittels Holzreibebrett geglättet wurde. Die Außenflächen wurden, um das ursprüngliche Erscheinungsbild zu bewahren, mit insgesamt 3.100 Metern Scheinfugen hergestellt.

Schadstelleninstandsetzung Spindelnischen
Im Bereich der Spindelnischen war bereits eine Epoxidharz-Beschichtung vorhanden. Daher wurden hier zunächst die Oberflächen vor der Instandsetzung der Schadstellen mit einem alkalischen Reiniger und heißem Wasser von betriebsbedingten Stoffen gereinigt. Wegen der Belastung durch Öl und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) musste das gesamte anfallende Waschwasser aufgefangen und als schadstoffbelastet entsorgt werden. Anschließend wurde eine Sanierung der Einzelschadstellen mit einem PCC-Betonersatz vorgenommen und die Flächen mit einer Beschichtung auf Grundlage einer Epoxidharz-Anthracenöl-Kombination ausgebessert.

Eigen- und Fremdüberwachung
Da es sich bei der Instandsetzung der vier westlichen Führungstürme des Schiffshebewerks Lüneburg um standsicherheitsrelevante Betonerhaltungsmaßnahmen handelt, bestand die Pflicht zur Überwachung durch eine anerkannte Überwachungsstelle. Die fachgerechte Ausführung der Arbeiten wurde durch die Eigen- und Fremd-überwachung gem. ZTV-W-LB 219 gewährleistet und entsprechend dokumentiert. Diese Nachweise mussten ständig auf der Baustelle vorgehalten werden, um sie dem Auftraggeber ebenso wie alle übrigen Dokumentationsunterlagen jederzeit auf Verlangen zur Einsicht vorlegen zu können. Für die Fremdüberwachung kamen dabei nur Überwachungsstellen in Frage, die eine bauaufsichtliche Anerkennung des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) bzw. der Obersten Bauaufsichtsbehörden der Länder vorweisen können. Im Fall des Schiffshebewerks Lüneburg ist das die Prüf- und Überwachungsstelle der Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken e.V. (BGib).

Alkaligehalt des Zementsteins
Unter Alkalien werden Substanzen (z. B. Calciumoxid und Oxide der Alkalimetalle wie Kalium und Natrium) verstanden, die mit Wasser Laugen bilden (pH-Wert > 7). Im Beton kann ein hoher Alkaligehalt der Porenlösung vorteilhaft oder nachteilig auf die Dauerhaftigkeit wirken.

Eine nachteilige Wirkung ist die Alkalireaktion der Gesteinskörnung im Beton. Ausschlaggebend für diese Reaktion ist primär die „Alkaliempfindlichkeit“ der Gesteinskörnung und sekundär der wirksame Alkaligehalt im Zement. Gegenüber dem Gesamtalkaligehalt, der sich aus der Summe der Oxide (oder Hydroxide) aller Alkalimetalle ergibt, errechnet man den für die Alkalireaktion wirksamen Alkaligehalt im Zement als Na2O-Äquivalent in M.-%: Na2O + 0,658 K2O.

Zement mit niedrigem wirksamen Alkaligehalt wird als Zement (na) bzw. auch NA-Zement bezeichnet und wird eingesetzt, um eine schädigende Alkalireaktion im Beton zu verhindern.
Auf der anderen Seite verringert eine genügend hohe Alkalitätsreserve im Zementstein die Geschwindigkeit der Carbonatisierung auf ein technisch tolerierbares Maß. Die Alkalitätsreserve bezeichnet die Fähigkeit eines Betons, das durch Carbonatisierung aufgebrauchte Calciumhydroxid im Porenwasser des Zementsteins zu ersetzen. Sie wird durch den Gehalt an freiem Calciumoxid CaO im Zementstein gebildet. Latent-hydraulische Stoffe und Puzzolane „verbrauchen“ einen Teil des freien CaO. Eine ausreichende Alkalitätsreserve kann nach Manns aus dem CaO-Gehalt im Porenwasser von Hochofenzement mit hohem Hüttensandgehalt abgeleitet werden. Jahrzehntelange Erfahrung hat gezeigt, dass dieser einen ausreichenden Widerstand gegenüber den Einflüssen der Carbonatisierung aufweist. Nach verschiedenen Untersuchungen beträgt der Grenzwert 2,0 M.-% CaO, bezogen auf den Zement.

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