Am nördlichen Rand der Altstadt von Münnerstadt wurde im Oktober 2021 nach einjähriger Testphase der neue Schulbau des Berufsbildungszentrums (BBZ) für verschiedene Ausbildungsrichtungen sozialer Berufe eingeweiht: Sechs Schulen für rund 600 Schülerinnen und Schüler verteilen sich auf fünf einzelne und im Sinn des Münchner Lernhauses konzipierte Gebäude, die im Innern über Treppenhäuser und Brücken miteinander verbunden sind.
Für das zu dieser Zeit größte Projekt des Landkreises lobten die Bauherren – das Landratsamt Bad Kissingen und die Caritas-Schulen gGmbH Würzburg – einen zweistufigen, offenen Wettbewerb aus, den das Münchner Büro Gunther Benkert Architekten – zunächst zweitplatziert – für sich entscheiden konnte.
Gute Orientierung, kurze Wege und Transparenz waren für die Architekten dabei wesentliche Bestandteile ihres Konzepts wie auch robuste Materialien, nachhaltige Konstruktionsweisen und eine maximale Tageslichtausnutzung. Zusammen mit Tragraum Ingenieuren ist in nur acht Monaten Rohbauzeit ein Gebäude entstanden, das durch die Minimierung der Tragstruktur im Innern eine hohe Nutzungsflexibilität erlaubt. Sämtliche vertikalen Tragglieder – inklusive der Thermowandelemente des Unter- und Erdgeschosses – sind Halbfertig- und Fertigteile, lediglich Treppenhauswände und Decken wurden mit Beton aus dem zwölf Kilometer entfernten Mischwerk vor Ort ausgeführt.
Charakteristisch für das Gebäude ist die mit Aluminiumverbundplatten gefaltete Fassade der beiden Obergeschosse: Mit dem nach dem Sonnenverlauf entwickelten Relief gelingt den Planern allein durch eine sinnfällige Konstruktion und Form die Balance zwischen maximalem Tageslichteintrag und ausreichend Schutz vor Blendung und Überhitzung. Energieeffizient, ohne viel Technik, erreicht allein mit baulichen Mitteln.
Städtebauliche Setzung an historischem Ort
Im rund 1,8 Hektar großen ehemaligen Garten des Augustinerkonvents St. Josef tritt der in fünf Lernhäuser gegliederte Neubau über seine Setzung und Kubatur in Dialog mit dem bestehenden Seminargebäude: Dem historischen Bestand Raum gebend, sind die Volumen versetzt angeordnet und bilden somit entlang einer Erschließungsachse den Campushof als die neue und verbindende Mitte auf dem Gelände. Die sich gegenüberstehenden Lernhäuser sind über eine Art gebaute Glasfuge miteinander verbunden – als eindeutige Adressbildung funktionierend, wird hier der gemeinschaftlich genutzte Außenraum in das Innere des Gebäudes fortgeführt und bildet das Herzstück des Schulbaus: eine von zwei Seiten bespielbare Aula, die zudem die nördlichen und südlichen Lerncluster über Brücken miteinander verbindet und an die sich nach Süden im Außenraum ein Lesehof anschließt.
Mit seinen drei Geschossen orientiert sich der Neubau auch in der Höhe an seinem historischen Nachbarn und wahrt dessen Traufhöhe. Die bestehende Topografie und den notwendigen Flächenbedarf berücksichtigend wurde die Untergeschossfläche optimiert und teilweise auf eine Unterkellerung verzichtet. Lediglich im nördlichen Gebäudeteil entstand den Höhenlinien des Grundstücks folgend eine vierte Ebene als Souterrain, die sich zur umgebenden Parklandschaft hin öffnet und von hier aus natürlich belichtet wird.
Im Zug der Aushubarbeiten offenbarte sich die Besonderheit des Orts: Auf dem Baugrundstück wurden Besiedlungspuren gefunden, die bis in die Bronzezeit zurückgehen. Über 2000 Fundstücke – von Scherben und Keramik bis zur Fundamentierung von Grubenhäusern – erzählen von rund 6500 Jahren Kultur-, Vor- und Frühgeschichte und ließen deutlich werden, dass dies das einstige Siedlungszentrum Münnerstadts war. Demnach müsse es „ein guter Ort“ sein, resümiert Benkert, „wenn Menschen hier früher auch schon siedelten.“
Nach nahezu einjähriger Unterbrechung zur Sicherung der Funde und Eintragung als Bodendenkmal konnte der Bau des Schulgebäudes beginnen.
Flexible Clusterbauten als Lern- und Lebensorte
Um das Konzept des Münchner Lernhauses auf eine berufliche Schule zu übertragen, entwickelten die Architekten schulübergreifend fünf sogenannte Cluster nach didaktisch-methodischen Bedingungen. Zwei südlich gelegene mit drei Geschossen und drei nördlich gelegene mit insgesamt vier Geschossen. Zusammen mit den zwischen die Lernhauscluster gestellten Treppentürmen entstanden zwei zueinander versetzte Gebäuderiegel. Vertikale und horizontale Erschließung verzahnen sich über Magistralen, die sich über die gesamte Gebäudelänge erstrecken – sich mal zu Lern- und Aufenthaltsbereichen weitend, sich mal als Zugang zu Räumen verengend. Und auch die Gebäuderiegel selbst sind über das Thema der Erschließung miteinander verbunden: Die stützenfrei ausgeführte Aula ist der
Mittelpunkt des Berufsbildungszentrums und – neben der Funktion als Eingangsfoyer, Pausenfläche und Bühne – verbindet sie die beiden Gebäudeflügel fußläufig über Brücken im ersten und zweiten Obergeschoss.
Jedes der fünf in sich autarken Lernhäuser ist auf einer annähernd quadratischen Grundfläche von 22,5 auf 20,6 Metern nach gleichem Prinzip strukturiert: Entlang der großzügigen inneren Magistrale – mal Flurzone, mal Aufenthalts- und Lernbereich – befinden sich zur Außenfassade hin orientiert die unterschiedlichen Raumtypen.
Klassenzimmer für das Arbeiten in Gemeinschaft, offene Lernbereiche, die „Marktplätze“, und Gruppenräume für das Lernen in kleinen Gruppen bilden die Lernlandschaften in den Obergeschossen. Im Erdgeschoss liegen dagegen Werkstätten wie Schreinerei, Metallwerkstatt und im Untergeschoss die Lehrküche. Räume, die thematisch in Zusammenhang stehen, liegen näher beieinander. Durch diese Kombination aus funktionalen Einheiten wird das Lernen in Klassenverbänden aufgebrochen und lässt ein Lernhauscluster mit kurzen Wegen und Rückzugsorten für die jeweilige Schulfamilie entstehen.
Darüber hinaus erlaubt das Raumkonzept der Lernhäuser in der horizontalen wie auch vertikalen Struktur eine hohe Flexibilität, die sich nicht nur in der generellen und am Bedarf der einzelnen Schulen angepassten Verteilung orientiert. Auch in der alltäglichen Nutzung zeigt sich die Wandlungsfähigkeit des Gebäudes: Mobile und leichte Trennwände erlauben ein schnelles und unkompliziertes
Zusammenschalten der Räume zu offenen Lernlandschaften mit bis zu 300 Quadratmetern.
Verbindung durch Transparenz
Das Motiv des Verbindens, das Zusammenbringen unterschiedlicher Gruppen, fließende Übergänge und damit einhergehend das Auflösen konventioneller Raumstrukturen spiegeln sich in der Transparenz des Gebäudes wider.
Flurseitig sind sämtliche Lernräume großflächig verglast und erlauben Sichtbeziehungen zwischen den einzelnen Lernlandschaften. Und auch zwischen den Räumen sind die Wände nicht gänzlich geschlossen: Zur Außenfassade hin löst sich die Trennwand in eine Verglasung auf. Dies sorgt nicht nur für mehr Helligkeit in den Räumen, sondern auch für die gewünschte Durchsicht und Verbindung der Räume und schließlich der Schülerinnen und Schüler untereinander – über ihre eigentlichen Klassenverbände hinweg.
Orientierung, Verbindung, Transparenz, Wandlungsfähigkeit: In der Aula, dem Herzstück der Schule, vereinen sich die das Schulkonzept und den Entwurf bestimmenden Elemente. Funktional ist die Aula ein Ort des Ankommens und des Zusammenkommens: ein Eingangsfoyer, ein Pausenraum und eine beidseitig bespielbare Bühne.
Atmosphärisch ist es ein über zwei Geschosse offener, lichtdurchfluteter Raum, der sich in alle Richtungen öffnet. Wenn man vom belebten Campushof aus die Aula betritt, wird diese Weite und das Verbindende unmittelbar spürbar. Der Blick geradeaus führt in den nach Südosten angrenzenden ruhigen Grünraum mit Lesehof. Der Blick nach links und rechts oben führt zu den Galerien im oberen Obergeschoss, die sowohl die Ebenen visuell miteinander verbinden als auch in der Fläche über eine Brücke die beiden Gebäudeflügel.
Unter den Galerien liegen die Musik- und Mehrzweckräume, die man ohne viel Aufwand flexibel zur Aula zuschalten kann. Und auch nach oben orientiert sich die Aula: Die Dachfläche ist Sportterrasse und Freibereich.