In Leipzig hat Oscar Niemeyer, einer der berühmtesten Architekten der Moderne, mit einer Kugel aus Beton und Glas ein spektakuläres Vermächtnis hinterlassen. Kernstück des kurz vor seinem Tod im Jahr 2012 angefertigten Entwurfs ist eine riesige Skulptur mit einem Durchmesser von 12 Metern. Sie sitzt auf dem Fabrikdach der Leipziger Kirow-Werke, einem Hersteller von Eisenbahnkränen.
Bei der Umsetzung, betreut durch den Leipziger Planer Harald Kern, warteten große Aufgaben auf alle Beteiligten. Herausfordernd war nicht nur die Planung der schwierigen Schalung, sondern vor allem auch die Herstellung des Betons. Ausgeschrieben waren die Ausführung in Sichtbeton der Klasse SB 4 sowie Weißbeton, d. h. die Kugel sollte so glatt und so weiß wie möglich werden. Nach zahlreichen, im Vorfeld durchgeführten Versuchen und der Produktion von diversen Farbmustern wurde die Kugelhülle mit einem reinen, eigens für das Projekt eingefärbten Weißbeton der Festigkeitsklasse C 30/37 in Konsistenzklasse F5 hergestellt.
Da sich Oskar Niemeyer – ganz von der Sonne Brasiliens inspiriert – auch in Leipzig einen blendend weißen Baukörper wünschte, achtete das für die Betonherstellung und Lieferung verantwortliche Unternehmen Berger Beton aus Passau besonders auf die zielgenaue Verwendung entsprechender Komponenten. Zum Einsatz kam daher der Portlandzement „Dyckerhoff Weiss Face“ mit einem hohen Weißgrad. Neben einem weißen Füller wurden ein extrem heller und hochwertiger Sand sowie das Weißpigment Titandioxid eingesetzt. Der Beton musste fachmännisch so in die 20 cm dünne Kugelschale eingebaut werden, dass dabei keine Fehlstellen entstanden.
Kurvenförmige Glasaugen
Herausfordernd und anspruchsvoll gestaltete sich auch die Fertigung und der Einbau der die Kugel so prägenden, kurvenförmigen Glasaugen. Das Glas für die obere Kugelhälfte lieferte das Darmstädter Chemie- und Pharmaunternehmen Merck. Die in Leipzig eingesetzten Flüssigkristallfenster stellen laut Merck eine Weltneuheit dar. Denn die Gläser, die auch in dem neuen, erst vor kurzem am Standort Darmstadt eröffneten Innovation Center stecken, können besser mit Sonneneinstrahlung umgehen als herkömmliche Fenster. Der Grund sind die hier eingesetzten Flüssigkristalle, die auch bei der Herstellung von Smartphone-Bildschirmen verwendet werden.
Begonnen hatte das anspruchsvolle Vorhabens mit einem Brief, den Ludwig Koehne, geschäftsführender Gesellschafter der Leipziger Kirow-Werke, im Jahr 2011 an Oscar Niemeyer schrieb. Der Kunstliebhaber Koehne schilderte darin nicht nur die Bauaufgabe – einen „Speise- und Tanzsaal auf dem Dach des Kantinengebäudes zu errichten“ –, sondern outete sich zugleich auch als Bewunderer der Arbeit von Niemeyer und wünschte sich „eine kurvige Gebäudeform“. Sein Wunsch fand Gehör und so folgte schon bald ein Besuch in Rio de Janeiro und letztendlich ein, wenn auch zunächst nur mit dem Filzstift skizzierter, Entwurf aus der Hand des weltberühmten Konstrukteurs selbst mit dem Namen „Sphere“.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass in Leipzig ein Stück Baukultur geschaffen wurde. Die kreativen und innovativen Materialen Beton und Glas halfen ganz entscheidend mit, den wohl letzten kühnen Entwurf Niemeyers optimal umzusetzen.