„Wir müssen lernen, miteinander zu reden“

Initiative „Gemeinsam planen!“

Deutsches Ingenieurblatt 04/2018
Kammer

Die Bundesingenieurkammer (BIngK) hat gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer (BAK) am 21.02.2018 auf der bautec die Initiative „Gemeinsam planen! Architekten und Ingenieure Technische Ausrüstung auf dem Weg in eine neue Planungskultur“ präsentiert. Das Leitbild ist in einem eigens von beiden Kammern ins Leben gerufenen Dialogforum entstanden, an dem sowohl Architekten als auch TA-Ingenieure beteiligt waren. Ziel des Austauschs ist das künftige bessere Miteinander sowie das gegenseitige Verständnis füreinander. Das Leitbild ist eine Botschaft an die Berufsstände, die aufgezeigten Hinweise zur Verbesserung der Kooperation und Kommunikation untereinander aktiv umzusetzen. Eine weitere wichtige Zielgruppe sind private wie öffentliche Auftraggeber. Ergänzend zu dem gedruckten Leitbild haben BAK und BIngK die Seite www.gemeinsam-planen.de eingerichtet. Hier finden sich weitergehende Informationen und Anregungen.

Architekten und TA-Ingenieure sind sich oft nicht besonders grün. Sie sagen: „So geht das nicht weiter!“ Warum?
Anna Zülch: Der bisher übliche Planungsprozess funktioniert so nicht mehr. Der Stellenwert der Gebäudetechnik ist viel größer geworden. Da reicht es nicht mehr, die Fachingenieure in Leistungsphase 3 dazuzuholen – und sich dann mit ihnen zu streiten.Wilhelmina Katzschmann: Man merkt einfach immer wieder, dass wir in verschiedenen Welten leben – die dann, wenn das Gebäude gedanklich schon steht, aufeinandertreffen.

Wie macht sich das bemerkbar?
Wilhelmina Katzschmann: Eine Konsequenz ist, dass es meist teurer wird, länger dauert oder am Ende nicht aussieht wie der erste Entwurf, den die Öffentlichkeit kennt. So machen sich Ingenieure und Architekten angreifbar.Anna Zülch: Bauen wird zu wenig ganzheitlich gesehen, das bildet sich auch in der Architektur ab. Wer alles durchrastert, braucht sich mit vielem nicht auseinanderzusetzen. Wilhelmina Katzschmann: Aber wir bekommen das ja hin! Wir müssen etwas tun, um unsere Berufsgruppen als freie Berater zu erhalten.

Dazu haben Sie in den vergangenen eineinhalb Jahren mit einer Dialoggruppe aus Architekten und Ingenieuren gearbeitet. Wie lief der Prozess ab?
Wilhelmina Katzschmann: Jede Länderkammer der Architekten und Ingenieure hat jemanden entsendet. Beim ersten Gespräch wurden die Themen vorgetragen – mit viel Emotion! Man kann sagen: Wenn wir keinen Moderator gehabt hätten, wäre das erste Treffen womöglich das letzte gewesen ...
Anna Zülch: Das hat exemplarisch gezeigt, was auf dem Feld los ist.

Was wurde sich an den Kopf geworfen?
Anna Zülch: Da gingen zum Teil die Emotionen mit den Leuten durch. Sie haben sich faktisch die Kompetenz abgesprochen. Dass es so weit geht, hätten wir beide nicht geglaubt.
Wilhelmina Katzschmann: Das lag aber nicht an den Anwesenden, sondern an den beiden Berufsgruppen, die aufeinanderprallten. Wenn wir zwanzig andere genommen hätten, wäre es wahrscheinlich genauso gelaufen.

Was wurde vorgebracht?
Wilhelmina Katzschmann: Jeder hatte Beispiele. Wenn etwa der Architekt keine geschlossene Decke plant, sondern eine Gitterdecke, sieht das zwar gut aus und kann auch dem Schallschutz dienen, aber die Brandmeldeanlage wird doppelt so teuer. Das ist dann für den Ingenieur eine Schnapsidee.Anna Zülch: Solche Fälle aus dem persönlichen Erfahrungsbereich der Beteiligten kamen viele. Im Grunde ging es immer darum, dass der eine nicht erkennt, was seine Planung jeweils beim anderen auslöst.

Wie kann man das vermeiden?
Wilhelmina Katzschmann:
Wir müssen uns ohne Zeitdruck zusammensetzen und besprechen, welche Auswirkungen welche Entscheidung hat. Dann kann der Ingenieur sich ein bisschen zurücknehmen und beispielsweise nochmal in Ruhe nachrechnen, ob man nicht doch mit einer etwas geringeren Luftmenge auskommt und den Lüftungskanal dorthin legen kann, wo er den Architekten weniger stört.
Anna Zülch: Auch wir Architekten müssen die Aussage des Ingenieurs akzeptieren, selbst wenn sie uns gestalterisch gegen den Strich geht. Für die Gestaltung gibt es ja immer mehrere Möglichkeiten. Besonders Architekten sind als Moderatoren gefragt, die dem Bauherrn klar machen, warum von Anfang an alle Beteiligten am Tisch sein sollten – und welche Schwierigkeiten darin liegen, wenn nicht. Auch bei Behörden, Investoren und Projektsteuerern ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, z. B. dass es keinen Sinn macht, erst alles fertig zu planen, um dann festzustellen, dass es technisch so gar nicht geht. Wir hoffen, dass unser Leitfaden, der alle Argumente zusammenfasst, dabei hilft.

Darin erwähnen Sie auch die Ausbildung …
Anna Zülch:
Bereits dort beginnen die Probleme. Wir haben festgestellt, dass die verschiedenen Fachrichtungen, die heute wichtig sind, nirgendwo gemeinsam unterrichtet werden! Ich halte es daher für wichtig, ein Kompetenzzentrum zu bilden, das alle Fachsparten gemeinsam lehrt.
Wilhelmina Katzschmann: Auch fachübergreifende Praktika wären sehr hilfreich.

Wenn man die TA-Ingenieure früher mit ins Boot holt, wird es dadurch teurer?
Anna Zülch:
Am Ende nicht! Wenn man Probleme früher löst, vermeidet man spätere Planänderungen.
Wilhelmina Katzschmann: Solange das Projekt nicht abgebrochen wird, ist es im Zweifel sogar insgesamt billiger. 
Anna Zülch: Um die Probleme zu sammeln und in den Griff zu bekommen, reichen im Grunde intensive Gespräche am Anfang. Aber die müssen natürlich auch bezahlt werden. Und dann sagt der Bauherr: „Wieso können Sie das als Architekt nicht selbst?“

Was antworten Sie darauf?
Anna Zülch:
Die wesentlichen Fehler werden am Anfang gemacht, nicht am Ende. Das zieht eigentlich immer ganz gut. Wenn zu Beginn eine Fehlentscheidung in Bezug auf Technik getroffen wird, bekomme ich diese nicht mehr so einfach in den Griff. Deshalb brauchen wir Architekten die zusätzliche Fachkompetenz der Fachingenieure von Beginn an.
Wilhelmina Katzschmann: Und es funktioniert! Wir hatten einmal einen Bauherrn, der sehr viel Zeit für die anfängliche Abstimmung Aller eingeplant hat. Das war so aufwändig, dass wir schon befürchteten, dass das Honorar nicht reicht. Aber als der Entwurf fertig war, hat sich der Bauherr zurückgezogen und jeder konnte stringent das, was ausgemacht war, durchplanen. Es war pünktlich und im Kostenrahmen fertig – und hat sich trotz des anfangs hohen Aufwands für alle gerechnet.

Wie kommen wir zu solch einer Planungskultur?
Wilhelmina Katzschmann:
Wir müssen das Bewusstsein vermitteln, dass beide Berufsgruppen nur gewinnen können, wenn jeder den anderen als Experten akzeptiert. Das ist in meinen Augen die Essenz aller Gespräche, auch wenn sie teilweise noch so heterogen gelaufen sind. Wir müssen lernen, miteinander zu reden. Wenn wir uns vertrauen, gibt es keinen lachenden Dritten.
Anna Zülch: Es ist eine Frage des Bewusstseins! Im Grunde geht es um Wertschätzung, Respekt und Toleranz.

Das Interview führte Brigitte Schultz für die Initiative „Gemeinsam planen!“ von Bundes­ingenieur- und Bundesarchitektenkammer.

Zehn HandlungsvorschlägeSchon zu Projektbeginn wird gemeinsam mit dem Bauherrn ein Planerteam aus Architekten und TA-Ingenieuren zusammengestellt.

  • Der fachliche Austausch, aber auch der Zusammenhalt des Planerteams werden durch regel­mäßige Koordinierungstermine gestärkt und vertieft.
  • Schon in frühen Planungsphasen muss auf die Zusammenarbeit aller Beteiligten gedrängt werden.
  • Die Vertragspflichten der Planungsbeteiligten müssen aufeinander abgestimmt sein.
  • Das Zeitmanagement aller Beteiligten ist entsprechend der fortschreitenden Planungstiefe abzustimmen.
  • Planänderungen müssen frühzeitig und deutlich kommuniziert und im Planerteam erörtert werden.
  • Das Planerteam muss den Bauherrn gemeinsam auf die Konsequenzen von Planänderungen hinweisen.
  • Die Ausbildung von Architekten und Ingenieuren muss gemäß den Anforderungen an eine neue kooperative Planungskultur reformiert und ausgestaltet werden.
  • Architekten und TA-Ingenieure brauchen gemeinsame interdisziplinäre Fortbildungen.
  • Architekten und TA-Ingenieure sollten die Chancen der Digitalisierung von Planen und Bauen nutzen, um eine kooperative und kommunikative Planungskultur zu entwickeln.

Ausführliche Tipps finden Sie unter www.gemeinsam-planen.de

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