Der Beruf des Bauingenieurs und die Öffentlichkeit – wie passt das zusammen? Nach wir vor haben viele Fachfremde lediglich eine vage Vorstellung von dem vielschichtigen Berufsbild und den Tätigkeitsfeldern im Bereich der (Bau)Ingenieurwissenschaften. Es gibt Gründe, warum das so ist. Einer davon ist sicherlich, dass sich selten junge Menschen für ein Studium der Ingenieurwissenschaften entscheiden, die das Scheinwerferlicht suchen und eine Leidenschaft für Kommunikation mitbringen. Ein weiterer Grund mag sein, dass die an sie im späteren Berufsalltag gestellten Aufgaben komplexe Herangehensweisen und Lösungen erfordern, die sich nicht mal eben schnell oder kurz und bündig für jedermann leicht verständlich erklären lassen. Die Länderingenieurkammern und die Bundesingenieurkammer versuchen dennoch auf unterschiedlichen Wegen, die Aufmerksamkeit auf diesen spannenden Beruf zu lenken.
Seit jeher leisten Bauschaffende im Ingenieurwesen einen Dienst an der Gesellschaft. Ihre Gestaltungskraft und ihre Erfindungsgabe prägten über die Jahrhunderte bis heute maßgeblich die Landschaft, die unterschiedlichen Kulturen und unsere Städte. Ingenium, Kreativität und Gestaltungskompetenz bildeten schon immer eine Einheit.
Selten schenken wir der Tatsache, dass Bauingenieurinnen und -ingenieure maßgeblich zum „Funktionieren“ unserer Zivilisation beitragen, bewusst unsere Aufmerksamkeit.
Vom Ideenfindungsprozess über die Planung bis schlussendlich zum Bau und Betrieb tragen wir zum Entstehen beispielsweise von Kläranlagen, Stadt-, Auto- und Eisenbahnen, Brücken, Straßen und Tunneln bei – auch eine gesicherte Trinkwasserversorgung zählt zu unseren Aufgabenbereichen.
Bauingenieure stellen sich der Herausforderung, Technik harmonisch zu gestalten, für eine Beziehung von Mensch-zu-Mensch und vom Menschen zur Natur. Für die meisten von uns ist es Teil unseres Selbstverständnisses, die Berufsideale über kurzfristige Erfolge und rein marktwirtschaftliche Ziele zu stellen. Wir sind Garanten einer nachhaltigen Baukultur.
Vernehmbar die gesetzten Ziele erreichen
Oftmals sind es erst die Tragödien oder Katastrophen, die unser Bewusstsein für das hohe Gut einer verlässlichen und sicheren gebauten und bewohnbaren Umwelt schärfen. Häufig erfährt der Berufsstand im Angesicht des „Versagens“ die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit – die wir uns eher bei den unzähligen Erfolgsgeschichten wünschen, die es auch zu erzählen gibt. Es ist die Aufgabe aller Ingenieurdisziplinen, den Dingen einen Namen zu geben. Das stille Kämmerlein ist ein guter Ort, um konzentriert Herausforderungen zu lösen. Doch künftig müssen wir uns vernehmbar artikulieren, wenn wir die gesteckten Ziele erreichen möchten: junge Menschen für den Ingenieurberuf zu begeistern, mit Stolz unsere außergewöhnlichen Bauten und Entwicklungen zu präsentieren, der Politik als vernünftiger und ernstzunehmender Partner unterstützend zur Seite zu stehen und unserer Bauherrschaft ein kompetenter Berater zu sein.
Bauingenieurinnen und Bauingenieure verwenden häufig die Sprache der Zeichnung oder der Gleichung. Natürlich kann ein spektakuläres Bauwerk für sich sprechen, es lässt den Betrachter staunen, die Kühnheit der Konstruktion bewundern, die Materialwahl beurteilen. Doch viele Ingenieuraufgaben lassen sich mit dem bloßen Auge nicht erkennen. Sie werden vielleicht erst dann erfahr- oder erlebbar, wenn das Bauwerk oder Objekt in Betrieb genommen wird. Hierin liegt die Herausforderung: Diese versteckten komplexen Sachverhalte allen Interessierten, auch Laien, zugänglich zu machen. Bestenfalls gelingt uns das kurz und bündig und in allgemeinverständlichen Worten.
Fachkundige Ansprechpartner im Dialog
Die Arbeit wird den Bauingenieurdisziplinen nicht ausgehen. Ob bei der Sanierung von Leitungsnetzen, der Ertüchtigung von Brückenbauwerken, dem klimagerechten Stadtumbau oder dem ökologischen Gewässerausbau – überall ist das Ingenium gefordert.
Darum müssen wir in der Gesellschaft auch als Personen präsenter sein und aktiver für die Belange unseres Berufsstands werben. Wie das geht? Indem wir als fachkundige Ansprechpartner in den Dialog sowohl mit allen am Bau Beteiligten als auch politischen Entscheidungsträgern, Medienvertretern oder der interessierten Öffentlichkeit treten.
Technik lässt sich verständlich erklären. Das kann als mühsam empfunden werden. Der Einwand, man habe dafür keine Zeit oder nicht die entsprechende Qualifikation kann nicht mehr gelten dürfen. Vieles lässt sich erlernen – und für alles andere gibt es entsprechend qualifizierte Menschen, die uns dabei unterstützen können. Es sollte unser aller Bestreben sein, dass der Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure die Anerkennung erfährt, die seinem Leistungsspektrum zukommt. Insofern sollte ein angemessenes Eigenmarketing zukünftig auch ein Teil unseres Selbstverständnisses sein.
Nicht zuletzt spielt hier die Ingenieurausbildung an den Hochschulen eine entscheidende Rolle. Die adressatengerechte Sprache und Präsentation sollte Teil von Projektarbeiten sein. Lernen Studierende frühzeitig, auch schwierige Sachverhalte verständlich zu vermitteln, kann ihnen das später nützlich sein.
Klar und verständlich zu kommunizieren, ist nicht jedem gegeben, daher ist Übung gefordert. Auch in den ersten Berufsjahren können Arbeitgeber ihre jungen Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen – ein Weg, den beispielsweise auch die Bayerische Ingenieurekammer-Bau mit ihrem Traineeprogramm beschreitet, das neben der fachlichen Weiterbildung den Fokus sehr auf die sogenannten Soft Skills legt.
Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen verlangen häufig nach Ingenieurkompetenz. Wir sollten die Chance ergreifen und unsere Eignung und Qualifikation an geeigneter Stelle entsprechend präsentieren. Die Kampagne der Ingenieurkammer-Bau Nordrein-Westfalen machte bereits vor über einem Jahrzehnt deutlich: Es gibt nun mal „Kein Ding ohne ING“.