Mit einem gemeinsamen Positionspapier haben Ende Mai die Bundesingenieurkammer (BIngK), die Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik e.V. (vpi), der Verband Beratender Ingenieure (VBI) und der Bund der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. (BDVI) ein neues und auf lange Sicht angelegtes Konjunkturprogramm für Deutschland angeregt. In ihrem Positionspaper weisen die Beteiligten auf die Verknüpfung notwendiger volkswirtschaftlicher Impulse mit drängenden Zukunftsaufgaben hin. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind dabei die übergeordneten Ziele des im folgenden veröffentlichten Papiers.
Die Planungs- und Bauwirtschaft ist ein verlässlicher Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft. Mit über 320 Mrd. Umsatzvolumen übertrifft sie andere Branchen in Deutschland deutlich. Sie wird damit eine der bedeutendsten Stützen der wieder zu belebenden Konjunktur in Deutschland sein. Um diese Potenziale kurz- bis mittelfristig verlässlich heben zu können, bedarf es jetzt zielführender und nachhaltiger Entscheidungen sowie vorausschauender Rahmenbedingungen – für eine zukunftssichere Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum für alle und attraktive Schulen.
Die Ingenieurkammern und -verbände der am Bauwesen beteiligten Ingenieurinnen und Ingenieure unterstützen den eingeschlagenen Weg der Bundesregierung ausdrücklich und geben dazu die folgenden Impulse:
Investitionsanreize setzen sowie öffentliche und private Bauherren stärken
Investitionen, die von öffentlichen und privaten Bauherren ausgelöst werden, haben messbare Skalierungseffekte und bewirken Folgeinvestitionen. Diese erheblichen zu erwartenden Multiplikatoreffekte lassen sich jedoch nur heben, wenn dauerhaft und konsequent die Rahmenbedingungen für mehr Investitionen geschaffen werden.
Bereits vor der Coronakrise gab es einen massiven Investitionsstau, vor allem auf kommunaler Ebene. Krisenbedingt wegbrechende Steuereinnahmen dürfen nicht zu einer weiteren Verzögerung beim dringend benötigten Bau oder bei der Sanierung von Infrastruktur und Hochbauprojekten führen. Angedachte Planungen sollten nicht verschoben und bereits begonnene Planungen zügig weitergeführt werden. Dabei müssen alle Möglichkeiten zur Planungsbeschleunigung genutzt werden. Investitionen der öffentlichen Hand, die den langfristigen Strukturwandel fördern und weitere Investitionen auslösen, wie etwa Wohnungs-, Krankenhaus- und Schulbau sowie öffentliche Investitionen in die physische und digitale Infrastruktur, sind zu priorisieren. Die geplanten Investitionen des Bundes in den Verkehrswegebau müssen in voller Höhe erhalten bleiben.
Weitergehende Maßnahmen sind:
- Investitionen
Bei der Überwindung der Coronakrise kann die Planungs- und Bauwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten. Voraussetzungen hierfür sind jedoch Maßnahmen, die einen hohen konjunkturellen Wirkeffekt durch die konsequente Umsetzung laufender, vorbereiteter und vorzuziehender Maßnahmen erwarten lassen. Hierzu zählen zum einen nachhaltige Investitionen in die Mobilitätswende sowie Investitionen in die digitale Infrastruktur.
- Vergabe
Die verlässliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen gewährleistet einen nachhaltigen Auftragsbestand. Dieser ist maßgeblich, damit während der Coronakrise Planungskapazitäten vorgehalten werden können, die in der Folge zur Bewältigung weiterhin bestehender Herausforderungen dringend benötigt werden. Bereits vor der Corona-Pandemie war die Personalsituation in vielen öffentlichen Verwaltungen angespannt. Hinzu kamen pandemiebedingte Personalausfälle. Dies führt dazu, dass öffentlichen Auftraggebern hier die notwendigen Kapazitäten fehlen, um eine kontinuierliche Auftragsvergabe sicherzustellen. Aus diesem Grund ist das Vergaberecht auch außerhalb der zur Bekämpfung der Pandemie notwendigen Beschaffungsmaßnahmen flexibler zu gestalten. Hierzu wäre es insbesondere hilfreich, wenn Planungsleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte ohne förmliche und zeitaufwändige bürokratische Vergabeverfahren und ohne die Einholung von mindestens drei Angeboten direkt vergeben werden könnten. Hierdurch würde gerade kleineren Verwaltungseinheiten eine erleichterte und zeitnahe Vergabe von Aufträgen ermöglicht, um kontinuierliche Planungsvergaben für die Zukunft sicherzustellen. Gerade für kleinere und mittelständische Ingenieurbüros würde eine solche Maßnahme eine deutliche Erleichterung der Arbeit ihrer Büros darstellen. Die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die des Aufwands für die Bearbeitung von Angeboten würden bei unterschwelligen Aufträgen zu erheblichen Kosteneinsparungen und Zeitgewinnen führen.
Für den Bereich oberhalb der EU-Schwellenwerte sollte die Bundesregierung eine Initiative bei der EU-Kommission für entsprechende Vergabeerleichterungen vorantreiben.
- Klimaschutz
Die Planungs- und Baubranche kann unter allen Wirtschaftszweigen einen deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Notwendig ist ein Programm für nachhaltiges Wirtschaften, Klimaschutz und den laufenden ökologischen Wandel. Der Ausbau bestehender KfW-Programme zur Förderung der energetischen Sanierung und die gesetzliche Erleichterung ganzheitlicher Modernisierungsansätze fördern Baumaßnahmen und verwirklichen gleichzeitig klimapolitische Ziele.
Bei der energetischen Sanierung von Wohngebäuden erfordert das ambitionierte Ziel der Bundesregierung, den Gebäudebestand bis 2050 nahezu klimaneutral zu gestalten, umfassende und aufeinander abgestimmte Maßnahmen.
Die aktuellen und künftigen gesetzlichen Anforderungen an die Energieeffizienz von Gebäuden sind aus Sicht der Planungswirtschaft jedoch nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Hier sind klare und verlässliche Rahmenvorgaben notwendig. Gerade die Wirtschaftlichkeit der durchzuführenden Maßnahmen und die einzuhaltenden Standards spielen eine wesentliche Rolle für die Akzeptanz der Bauherren und die Inanspruchnahme von Förderprogrammen. Schärfere Anforderungen wurden bisher und werden weiterhin durch den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verhindert. Durch die Beschränkung der Bewertung der Wirtschaftlichkeit auf das Verhältnis zwischen Investition und Einspareffekt werden die Folgekosten der Klimaveränderungen nicht mit einbezogen. Dies ist ein Bewertungsfehler, der dringend korrigiert werden muss.
Darüber hinaus ist es notwendig:
- die Förderlandschaft im Gebäudesektor deutlich zu vereinfachen und zu entbürokratisieren,
- zur Erreichung eines im Jahr 2050 weitgehend klimaneutralen Gebäudebestands einen massiven und raschen Umbau des Gebäudebestands in Richtung des „KfW 40 – Standards“ besser zu befördern,
- mit der CO2-Bepreisung eine spürbare Lenkungswirkung zu entfalten.
Prozesse beschleunigen und die Digitalisierung voranbringen
Den freiberuflichen Ingenieurinnen und Ingenieuren gelingt es derzeit meist noch, die Folgen der Corona-Krise abzufangen. Allerdings ist jetzt schon abzusehen, dass coronabedingte Herausforderungen wie sinkende Einnahmen erst verzögert auftreten. Daher ist es wichtig, heute schon die Auswirkungen auf die Zukunft im Blick zu haben. Planungskapazitäten, die kurz- und mittelfristig wegbrechen, haben Auswirkungen auf wichtige und dringend benötigte Infrastruktur- und Hochbauprojekte von morgen. Daher müssen Aufträge – insbesondere der öffentlichen Hand – trotz Coronakrise konsequent weiter ausgelöst werden und Fördermaßnahmen der öffentlichen Hand auch mittel- bis langfristig verfügbar sein. Die Funktionsfähigkeit der Bauverwaltungen muss dauerhaft gewährleistet bleiben. Notwendige und aus Gründen der Qualitätssicherung erforderliche Wettbewerbs- und Partizipationsverfahren müssen auch digital umsetzbar und auch über die Coronakrise hinaus digital möglich sein. Weitere verfahrensbeschleunigende Maßnahmen sind unter Wahrung der besonderen mittelständischen Strukturen der deutschen Planungs- und Bauwirtschaft zu begrüßen. Bewährte Methoden zur Qualitätssicherung dürfen dabei aber nicht außer Acht gelassen werden.
Digitalisierung
Die Digitalisierung in Deutschland muss umgehend massiv und konzertiert vorangebracht werden. Der Ausbau der Breitbandnetze muss oberste Priorität haben. Behörden und Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung müssen – sofern noch nicht geschehen – in die Lage versetzt werden, digital zu agieren. Hierzu gehört neben der Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel auch die Qualifizierung des Personals auf allen Ebenen. Auch die Träger der Wertschöpfungskette Bau bedürfen für eine konsequente Digitalisierung der Planungs- und Bauprozesse zielgerichteter Fort- und Weiterbildungsangebote mit einem hohen Qualitätsanspruch etwa über die Einrichtungen der Ingenieurkammern und -verbände. Hierfür sind geeignete Förderungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Fazit
Die deutsche Planungs- und Bauwirtschaft braucht vor allem eine Förderung und Stabilisierung der privaten und öffentlichen Aufträge sowie die Schaffung geeigneter innovativer und nachhaltig wirkender Rahmenbedingungen. Dies wirkt sich unmittelbar positiv auf die Planungs- und Bauwirtschaft aus.Daher ist bereits heute auch an morgen zu denken: Zukunft sicher geplant!