In der Zeit der Bonner Republik sind, anders als bis heute vielfach kolportiert, durchaus mehrere architektonisch anspruchsvolle Bundesbauten von repräsentativem Charakter entstanden – nur wurden sie in der Öffentlichkeit selten wahrgenommen. Die Architekturhistorikerin Elisabeth Plessen hat nun erstmals die Bautätigkeit der Bonner Republik und deren Darstellung in den Medien umfassend untersucht. Kern des Werkes Bauten des Bundes 1949-1989. Zwischen Architekturkritik und zeitgenössischer Wahrnehmung ist die Analyse der Diskrepanz zwischen der Fülle an Bauten und der Wahrnehmung von nur einigen wenigen wie etwa dem Bonner Bundeshaus und dem Bundeskanzleramt oder wichtigen Kulturinstitutionen wie dem Haus der Geschichte oder von politisch bedeutenden Botschaftsbauten.
Diese jedoch wurden häufig von einem intensiven öffentlichen Diskurs begleitet, bei dem es zu einer Vermischung aus Architekturkritik und Grundsatzdiskussionen über die Darstellungsformen der „Demokratie als Bauherr“ kam. Der Diskurs war geprägt von der über den gesamten Zeitraum andauernden Suche nach einer neuen nationalen Identität. Architekturkritik an diesen Bundesbauten war somit meist zeitgenössische Gesellschaftskritik. Die sehr eigene Form der Kritik an ihnen veränderte sich zudem im Laufe der Zeit und lässt sich damit gleichzeitig als Spiegel der sich ändernden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit lesen.
Der Vergleich über die vier Jahrzehnte zeigt, wie Bundesbauten vielfach in Wechselspielen aus baulich umgesetzten Erwartungen gesellschaftlichen Selbstverständnisses und baukulturellen Ansprüchen entstanden, die bis heute für den demokratischen Neuanfang der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg stehen. Dies belegen auch die mehr als hundertfünfzig Bundesbauten, die im Katalogteil des Buches dokumentiert sind. Der erste grundlegende, unabhängige und nicht vom Bauherrn Bund veranlasste Gesamtüberblick bildet somit auch ein Stück bundesdeutscher Geschichte ab.
Diese wissenschaftliche Forschungsarbeit ist ein umfangreiches Standardwerk, das sich zugleich wie eine Mahnung an die aktuelle Politik liest, eine staatliche Immobilienstrategie wieder stärker mit baukulturellen Aspekten zu verknüpfen und Bundesbauten nicht als Umhausung von Verwaltungsaufgaben zu verstehen. Und es ist ein Plädoyer dafür, die Bauten der Bonner Republik als einzigartige Zeugnisse der Suche einer Nation nach ihrer Identität zu betrachten und sie in vertretbarem Rahmen für die Zukunft zu bewahren.
Elisabeth Plessen
Bauten des Bundes 1949–1989
Zwischen Architekturkritik und zeitgenössischer Wahrnehmung
erschienen Mai 2019 bei DOM Publishers, Berlin
Hardcover mit Schutzumschlag
235 x 300 mm, 675 Seiten 550 Abbildungen
ISBN 978-3-86922-518-0
98,- Euro
Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.dom-publishers.com
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