Leserbrief zum Beitrag „Flüssigabdichtungen – Verwendbar für alles und jedes“ von Dipl.- Ing. Norbert Swensson in der DIB-Ausgabe 5/2018, S. 42.
Es ist mir als angestelltem Bausachverständigen eines deutschen Versicherers ein Bedürfnis, einige Punkte aus der Veröffentlichung kritisch zu hinterfragen und einiges „gerade“ zu rücken. Zunächst einmal halte ich es für Bedenklich, dass der Kollege Norbert Swensson seine Umfrage als repräsentativ bewertet. Dazu müsste er nicht nur Sachverständige für Schäden an Gebäuden, sondern auch weiterer Berufsgruppen wie Planer, Bauüberwacher, Bauwerksabdichter sowie Hersteller befragen. Ich denke auch, dass eine Beteiligung von 25 % der Angeschriebenen nicht ausreicht, um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten, allenfalls kann man hieran eine Tendenz erkennen. Zudem sollten auch nicht „lediglich“ rund 1.000, sondern eher mehrere 10.000 Personen aus den genannten Fachkreisen einbezogen werden.
Man bedenke, dass Sachverständige meist nur dann beteiligt werden, wenn ein Schaden und/oder Mangel vorliegt. Sie kennen aus diesem Grund meist nur die negativen Beispiele. Desweiteren gründet der Beitrag nicht auf einer statistisch repräsentativen Erhebung. Die Umfrage wurde suggestiv mit einer Hilfestellung für die Befragten durchgeführt. Die Fragestellung hätte jedoch vielmehr ergebnisoffen sein müssen. In Bezug auf das eigentliche Thema im Artikel verweise ich auf eine Veröffentlichung des AIBau innerhalb einer umfangreichen Forschung, die mit dem Abschlussbericht Februar 2015 „Dauerhaftigkeit von Übergängen zwischen flüssigen und bahnenförmigen Abdichtungen am Beispiel genutzter und nicht genutzterFlachdächer“ endet (WEBINFO 183).
Aus Sicht des Unterzeichners haben sich Flüssigkunststoffe in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchaus bewährt, gerade auch für komplexe und schwer zugängliche Bereiche wie z. B. Terrassen- und Balkontüren. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass jedes Projekt anders ist und selbstverständlich sämtliche Randbedingungen abgefragt und bei der Planung entsprechend berücksichtigt werden müssen. Flüssigkunststoffe sind natürlich kein Allheilmittel und auch nicht für jeden Anwendungszweck und jede Situation geeignet. Übergänge zwischen KMB (heute PMBC) und Beton werden bereits seit Jahrzehnten erfolgreich ausgeführt. Warum das hier nun in Frage gestellt wird, wo es endlich Einzug ins Regelwerk efunden hat, ist mehr als unverständlich. Wohlgemerkt, ich stelle hier nicht die eils sehr industrielastige Zusammenstellung der DIN-Ausschüsse und das Zustandekommen in Frage. Mir geht es hier ausschließlich um die Geeignetheit der angesprochenen Produkte und Verfahren und damit um die Planungssicherheit der Architekten un Ingenieure.
Warum mich die Aussagen des Kollegen Swensson zu diesen Zeilen veranlassen, liegt darin begründet, dass hierdurch eine gewisse Unsicherheit nicht nur unter Planern und Ausführenden, sondern auch bei Sachverständigen stattfindet, die der Sache, das geschuldete, mängelfreie Werk herzustellen, schadet.
Es wird langjährig erfolgreich ausgeführten Verfahren und Produkten, deren Eignung zudem wissenschaftlich untersucht und nachgewiesen ist, die Anerkennung abgesprochen. Und das zu einem Zeitpunkt, da diese Verfahren/ Produkte Einzug in das Regelwerk gefunden haben. Eine Begründung oder gar einen Nachweis für seine Aussagen liefert er nicht, weder objektiv noch repräsentativ.
Schaden fügt er damit vor allem den betroffenen Bauherren zu, die möglicherweise aufgrund seiner Aussagen und Veröffentlichungen in einen langjährigen und unnötigen Rechtsstreit gezogen werden.
Die Arbeit auf Seiten der Versicherer wird dadurch auch nicht einfacher, ganz im Gegenteil. Der eine oder andere könnte sogar zu dem Schluss kommen, seinem Kunden die Deckung zu versagen, da er laut Swensson ja nicht die anerkannten Regeln der Technik angewandt hat. Damit ist niemandem geholfen. Architekten und Ingenieure könnten in Zukunft als ähnlich hoch risikobehaftet betrachtet werden, wie das bei Hebammen bereits der Fall ist.
Zu guter Letzt sei daran erinnert, dass DINNormen immer nur einen Mindeststandard wiedergeben und jedes Vorhaben im Rahmen von Planung und Ausführung auf die jeweilige Situation hin überprüft und hinterfragt werden muss.
Dabei hat der Planer „den Auftraggeber über die Risikolage und Bandbreite technischer Lösungsmöglichkeiten aufzuklären, Vorteile und Nachteile darzustellen, auf den Einfluss bezüglich der Nutzungsdauer und Dauerhaftigkeit der Maßnahme aufmerksam zu machen und damit letztlich den Auftraggeber zur Entscheidung zu ermutigen“ (Prof. Dr. jur. Gerd Motzke).
Weder DIN-Normen, Merkblätter noch Herstellerangaben entbinden den Planer vom eigenen Denken, Handeln und Hinterfragen. Dies gilt im Übrigen auch für Sachverständige.
Dipl.-Ing. Guido Conrads
Eine Replik von Norbert Swensson zu diesem Leserbrief steht als WEBINFO 184 zur Verfügung.