Es war im Spätsommer 1945. Die Oberrealschule in Michelstadt (das heutige Gymnasium) war von amerikanischen Streitkräften besetzt, und die Kinder freuten sich über ausgiebige Ferien. Die Jungs spielten von morgens bis abends Fußball. Eine Mutter hatte genug von der Faulenzerei und fand für ihren Sohn eine nützlichere Tätigkeit – Kühe hüten. Bis weit in den Herbst hinein führte der elfjährige Junge seine Herde auf saftige Wiesen entlang der Mümling. Neben seinem Lohn nahm er in seinen Erinnerungen an diese für ihn sehr schöne Zeit noch etwas mit: seine Faszination für Bauwerke, angeregt durch den Anblick des mächtigen Himbächel-Viadukts im Hessischen Odenwald. Jahrzehnte später veröffentlichte der Hütejunge von einst ein Buch über das Himbächel-Viadukt, das ihn bis ins hohe Alter begeisterte.
Zu diesem Zeitpunkt war Dr.-Ing. Karl Heinrich Schwinn schon lange im In- und Ausland ein geschätzter Fachmann. Zeit seines Lebens hat sich der Beratende Ingenieur unermüdlich für die Belange der Ingenieure eingesetzt. Er war Initiator und Gründungspräsident der 1998 ins Leben gerufenen Hamburgischen Ingenieurkammer-Bau. Dieses Amt übte er zehn Jahre lang aus und war auch anschließend noch als Ehrenpräsident sehr aktiv. In seiner Zeit als Präsident der Bundesingenieurkammer von 2000 bis 2008 hat er maßgeblich zur Entwicklung der BIngK und insbesondere auch ihrer Öffentlichkeitsarbeit beigetragen. Das Jahrbuch der Ingenieurbaukunst in Deutschland, die Reihe der Historischen Wahrzeichen, der Deutsche Brückenbaupreis– sie alle gehen auf die Initiative von Dr. Schwinn zurück. Als Vizepräsident des European Council of Engineers Chambers engagierte er sich auch auf internationaler Ebene für die deutschen Ingenieure. Er war Mitbegründer und bis Ende 2000 geschäftsführender Gesellschafter des renommierten Hamburger Ingenieurbüros für Grundbau, Bodenmechanik und Umwelttechnik (IGB), für das er unter anderem auch in Afrika tätig war. Bei seinem Ausscheiden als BIngK-Präsident erzählte er, dass bei der Einweihung eines von ihm geplanten Staubeckens in Niger ihn der Stammeshäuptling mit den Worten ehrte: „Das ist der Mann, der uns das Wasser brachte“.
Für sein jahrzehntelanges berufspolitisches Engagement wurde Karl Heinrich Schwinn am 23. Juni 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, am 6. November 2008 erhielt er die Ehrenmedaille der Bundesingenieurkammer.
Es war Herbst, als die Bundesingenieurkammer und die Hamburgische Ingenieurkammer-Bau mit großer Trauer mitteilen mussten, dass ihr ehemaliger Präsident am 5.September 2014 in Hamburg unerwartet verstorben ist. Die Beerdigung fand am 19. September 2014 im engsten Familienkreis statt. Der in Hessen geborene Bauingenieur wurde 80 Jahre alt, und sein Tod hinterlässt bei vielen Menschen, die ihn kennenlernen durften, eine große Lücke. Durch seine verbindliche, zielorientierte und dabei stets verlässliche Art hat er sich herausragende und bleibende Verdienste für die Sache der Ingenieure in Hamburg und der gesamten Bundesrepublik erworben.
Dr.-Ing. Karl Heinrich Schwinn wird vielen von uns als warmherziger, aufmerksamer, interessierter und engagierter Mensch in Erinnerung bleiben. Er war ein großartiges Vorbild.
Susanne Scherf
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