Zehn lange Jahre nach Veröffentlichung der DIN 276-1:2008-12 ist die DIN 276 im Dezember 2018 neu erschienen (DIN 276:2018-12) und ersetzt ab sofort gleich drei bekannte Normen:
- DIN 276-1:2008-12 Kosten im Bauwesen – Teil 1: Hochbau
- DIN 276-4:2009-09 Kosten im Bauwesen – Teil 4: Ingenieurbau
- DIN 277-3:2005-04 Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau – Teil 3: Mengen und Bezugseinheiten
So ist die neue DIN 276 eine Zusammenführung von Hochbau, Ingenieurbau und Infrastrukturanlagen sowie der Mengen- und Einheiten-Tabellen der DIN 277-3.
Dabei dient die DIN 276:2018-12 im Bauwesen zur Ermittlung der Projektkosten sowie als Grundlage der Honorarberechnung nach HOAI für Architekten und Ingenieure.
Prinzipiell ist die DIN 276 nicht nur maßgeblich für eine einheitliche Systematik der Kostenplanung, sondern darüber hinaus auch für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) entscheidend.
Berechtigt sind nach so langer Wartezeit sicherlich die Fragen, ob mit den Änderungen der Norm tatsächlich auch wesentliche Neuerungen einhergehen, sowie ihre Verbindlichkeit.
Von den vorgenommenen Änderungen im Jahr 2018 sind sowohl die Kostenplanung als auch die einzelnen Kosten-gruppen betroffen. Insbesondere die Zusammenfassung von DIN 276-1 (Hochbau) und DIN 276-4 (Ingenieurbau) wurde von einem Großteil der Anwender gewünscht, um ein einheitliches Kostenplanungssystem realisieren zu können. Dabei wurde die Neufassung auf alle Planungsbereiche des Bauwesens erweitert, insbesondere auch für die Kostenplanung von Freianlagen und Verkehrsanlagen.
Hervorzuheben sind ferner die Modifikationen in den Kostengruppen 300 und 400 (einheitliche Kostengliederung für Hochbauten, Ingenieurbauten und Infrastrukturanlagen) sowie in der Kostengruppe 500 (Erstreckung auf Außenanlagen von Bauwerken sowie auf Freiflächen, die selbstständig und unabhängig von Bauwerken sind).
Tatsächlich neu sind ein Literaturverzeichnis, insbesondere mit dem wichtigen Verweis auf die DIN 18205 „Bedarfsplanung im Bauwesen“, sowie eine normative Verweisung in Abschnitt 2 auf die DIN 277-1 „Grundfläche und Rauminhalte im Bauwesen – Teil 1: Hochbau“ als auch auf die DIN 18960 „Nutzungskosten in Hochbau“.
Hervorzuheben ist die Neuerung, dass mit der Neufassung der DIN 276 eine weitere Kostenermittlungsstufe zwischen der Kostenberechnung und dem Kostenanschlag eingeführt wurde, die als „Kostenvoranschlag“ bezeichnet wird. Dazu gehören die „bepreisten Leistungsverzeichnisse“ im Sinne der entsprechenden Grundleistungen der Leistungsphase 6 in den verschiedenen Leistungsbildern der geltenden HOAI. Diese Änderung wird gemeinhin als sinnvolle Ergänzung zur Kostenermittlung verstanden.
Außerdem wurden die Ausarbeitungstiefen für Kostenschätzung und Kostenberechnung um jeweils eine Stufe angehoben, um dem aktuellen Stand der anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen.
Die veränderten Kostengruppen im Überblick
Neu
- 352 Deckenöffnungen
- 355 Elementierte Deckenkonstruktionen
- 370 ff. Infrastrukturanlagen
- 386 Orientierungs- und Informationssysteme
- 484 Kabel, Leitungen und Verlegesysteme
Entfallen
- 484 Raumautomationssysteme
- 576 Begrünung unterbauter Flächen
Verschoben
- „KG 352 Deckenbeläge“ wurde zu 353 Deckenbeläge
- „KG 326 Bauwerksabdichtungen“ wurde zu 325 Abdichtungen und Bekleidungen
Verändert
- Die alten Kostengruppenreihen „KG 730 Architekten- und Ingenieurleistungen“ und „KG 740 Gutachten und Beratung“ wurden neu gemischt und in „KG 730 Objektplanung“ und „KG 740 Fachplanung“ aufgeteilt
Umbenannt
- 334 Außenwandöffnungen (zuvor: Außentüren und -fenster)
- 344 Innenwandöffnungen (zuvor: Innentüren und -fenster)
- 570 Vegetationsflächen (zuvor: Pflanz- und Saatflächen)
Integriert
- „KG 322 Flachgründungen“ und „KG 324 Unterböden und Bodenplatten“ wurden zusammengeführt zur neuen „KG 322 Flachgründungen und Bodenplatten“.
- „KG 571 Oberbodenarbeiten“ wurde integriert in „KG 572 Vegetationstechnische Bodenbearbeitung“. Diese wird nunmehr als neue „KG 571 Vegetationstechnische Bodenbearbeitung“ geführt.
Entspricht DIN 276:2018-12 den anerkannten Regeln der Technik?
Gemeinhin mag die Einschätzung bestehen, dass eine aktuelle DIN-Norm automatisch auch den anerkannten Regeln der Technik entspreche, somit also Deckungsgleichheit bezüglich dieser Punkte herrsche. Verlangt der Auftraggeber dann die Ausführung nach den anerkannten Regeln der Technik (was der Regelfall ist), so hält man sich an entsprechende DIN-Normen und wähnt sich in Sicherheit, veröffentlicht doch das Deutsche Institut für Normung konstant entsprechende Vorgaben auf hohem technischen Niveau. Häufig ist diese Annahme auch zutreffend, jedoch sollte sich der Anwender stets der zum maßgeblichen Zeitpunkt anerkannten Regeln der Technik versichern. So stellen DIN-Normen generell nur Empfehlungen dar und besitzen keinen eigenen Rechtscharakter, vergleichbar mit beispielsweise einem Gesetz. „Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (…) Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben.“ [1]
Ob etwas den anerkannten Regeln der Technik entspricht oder nicht, bedingen mehrere Faktoren: „Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreis, der für die Anwendung der betroffenen Regeln maßgeblich, nach dem neusten Erkenntnisstand vorgebildeter Techniker, durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.“ [2]
Zusammengefasst liegen die anerkannten Regeln der Technik folglich vor, wenn:
1. es theoretisch richtig ist,
2. es sich in der Praxis bewährt,
3. es bei den beteiligten Verkehrskreisen allgemein bekannt und beachtet wird. [3]
Die theoretische Richtigkeit der DIN 276:2018-12 stellt bereits die erste Herausforderung dar. So vereinfacht die neue Gliederung der Kostengruppen wohl häufig die Kostenermittlung. Ob jedoch sämtliche Änderungen der Kostengruppen untereinander auch wissenschaftlich korrekt sind, ist bislang nicht hinlänglich nachgewiesen.
Von einer Bewährung in der Praxis kann bislang nicht die Rede sein. Dazu müsste sie zumindest gängige Anwendung finden, was aufgrund des Veröffentlichungszeitpunkts noch zu verneinen ist.
Ebenso steht es um Bekanntheitsgrad und Beachtung durch die entsprechenden Verwender.
Entspricht DIN 276:2018-12 den anerkannten Regeln der Technik?
Gemeinhin mag die Einschätzung bestehen, dass eine aktuelle DIN-Norm automatisch auch den anerkannten Regeln der Technik entspreche, somit also Deckungsgleichheit bezüglich dieser Punkte herrsche. Verlangt der Auftraggeber dann die Ausführung nach den anerkannten Regeln der Technik (was der Regelfall ist), so hält man sich an entsprechende DIN-Normen und wähnt sich in Sicherheit, veröffentlicht doch das Deutsche Institut für Normung konstant entsprechende Vorgaben auf hohem technischen Niveau. Häufig ist diese Annahme auch zutreffend, jedoch sollte sich der Anwender stets der zum maßgeblichen Zeitpunkt anerkannten Regeln der Technik versichern. So stellen DIN-Normen generell nur Empfehlungen dar und besitzen keinen eigenen Rechtscharakter, vergleichbar mit beispielsweise einem Gesetz. „Die DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (…) Maßgebend ist nicht, welche DIN-Norm gilt, sondern ob die Bauausführung zur Zeit der Abnahme den anerkannten Regeln der Technik entspricht. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben.“ [1]
Ob etwas den anerkannten Regeln der Technik entspricht oder nicht, bedingen mehrere Faktoren: „Anerkannte Regeln der Technik sind diejenigen Regeln für den Entwurf und die Ausführung baulicher Anlagen, die in der technischen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt sind und feststehen sowie insbesondere in dem Kreis, der für die Anwendung der betroffenen Regeln maßgeblich, nach dem neusten Erkenntnisstand vorgebildeter Techniker, durchweg bekannt und aufgrund fortdauernder praktischer Erfahrung als technisch geeignet, angemessen und notwendig anerkannt sind.“ [2]
Zusammengefasst liegen die anerkannten Regeln der Technik folglich vor, wenn:
- es theoretisch richtig ist,
- es sich in der Praxis bewährt,
- es bei den beteiligten Verkehrskreisen allgemein bekannt und beachtet wird. [3]
Die theoretische Richtigkeit der DIN 276:2018-12 stellt bereits die erste Herausforderung dar. So vereinfacht die neue Gliederung der Kostengruppen wohl häufig die Kostenermittlung. Ob jedoch sämtliche Änderungen der Kostengruppen untereinander auch wissenschaftlich korrekt sind, ist bislang nicht hinlänglich nachgewiesen.
Von einer Bewährung in der Praxis kann bislang nicht die Rede sein. Dazu müsste sie zumindest gängige Anwendung finden, was aufgrund des Veröffentlichungszeitpunkts noch zu verneinen ist.
Ebenso steht es um Bekanntheitsgrad und Beachtung durch die entsprechenden Verwender.
Zum jetzigen Zeitpunkt stellt die DIN 276:2018-12 keine anerkannte Regel der Technik dar, muss sie dafür doch alle drei genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllen.
Haftung des Architekten bei fehlerhafter Baukostenplanung
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Punkt ist das Haftungsrisiko des Architekten. So muss sich im Rahmen der Neufassung von DIN 276:2018-12 die Frage stellen, ob durch ihre Anwendung möglichweise Änderungen hinsichtlich der Haftung für fehlerhafte Baukostenplanung eintreten. Diese Sorgen sind aktuell für den gesetzlichen Regelfall unbegründet. Gemeinhin gilt weiterhin § 4 Abs. 1 S. 3 HOAI, der noch nicht an die DIN 276:2018-12 angepasst wurde, sodass vorerst zumindest die gewohnten Haftungsmaßstäbe unberührt bleiben. Die Anwendung der DIN 276:2018-12 wird ohne Nennung in der HOAI nur eine untergeordnete Rolle spielen. So bleibt ohne entsprechende Aktualisierung der HOAI aufgrund der expliziten Nennung in § 4 HOAI die DIN 276-1: 2008-12 maßgeblich für die Kostenermittlung.
Die Haftungsmaßstäbe drohen sich nur dann zu verschieben, sollte die DIN 276:2018-12 individualvertraglich vereinbart werden, wobei in diesen Fällen wiederum zu klären sein wird, inwieweit beispielsweise Teilanwendungen oder auch Ausschlüsse zulässig sind. Der ständigen Kostenkontrolle gem. § 34 HOAI i. V. m. Anlage 10 bleibt der Architekt ausgesetzt. Ausgehend von dem jeweiligen Verbindlichkeitsgrad seiner Kostenabrede hat er weiterhin grundsätzlich zu beachten, dass die „Kostenermittlung umso genauer und sorgfältiger sein muss, je weiter das Bauvorhaben fortgeschritten ist.“[4]
So kann festgehalten werden, dass trotz der gestiegenen Anforderungen an die Kostenplanung bislang keine Auswirkungen auf die preisrechtlichen Regelungen der HOAI entstanden sind. Die Anforderungen bei Grundleistungen als Honorartatbestand nach HOAI bleiben unverändert. Bis die Neufassung der DIN 276 in die Honorarregelungen der HOAI übernommen wird, ist auch im Rahmen der Ermittlung der anrechenbaren Kosten die bisherige DIN 276-1:2008-12 weiterhin anzuwenden. Ausnahmen existieren jedoch aufgrund gesonderter Regelungen, wie z. B. beim Straßen- oder Brückenbau, durch öffentliche Auftraggeber.
Grundsätzlich ist dringend zu empfehlen, vor Vertragsschluss von Architekten- und Ingenieurverträgen eindeutig zu vereinbaren, welche Fassung der DIN 276 für die Kostenplanung des konkreten Bauvorhabens und für die Abrechnung des Honorars als Referenz dient.
[1] BGH, Urteil vom 14.05.1998 – VII ZR 184/97.
[2] OLG Bamberg 20.11.1998 – 6 U 19/98; Kniffka in Kniffka, ibrOK Bau VertrR, § 633, Rn. 32; Steffen in Leinemann/Kues, BGB-BauvertragsR, § 633, Rn. 36 ff.
[3] Steffen in Leinemann/Kues, BGB-BauvertragsR, § 633, Rn. 37.
[4] Werner in Werner/Pastor, Der Bauprozess, Rn. 2278 ff.