OLG Karlsruhe, Urteil vom 31.06.2001 – Az. 17 U 140/99 (Leitsatz): Eine – ansonsten ordnungsmäßige, insbesondere den Regeln der Baukunst und Technik entsprechende, genehmigungsfähige, vollständige und in sich stimmige – planerische Leistung eines Architekten ist nicht schon dann mangelhaft, wenn die „optimale“ Planungslösung nicht erreicht ist. Angesichts der Vielschichtigkeit des planerischen Vorgangs ist regelmäßig schon nicht objektiv feststellbar, welche von mehreren in Betracht kommenden Planungsalternativen „optimal“ ist. Geschuldet wird deshalb lediglich eine durchschnittlich brauchbare, sachgerechte Planung. Erst bei Verfehlen dieser Qualität ist die Planung mangelhaft im Sinne des § 633 BGB.
Vorab: Der Planer schuldet grundsätzlich das, was sein Auftraggeber bestellt hat. Zielvorgaben wie Kosten, Termine oder technische Anforderungen muss er einhalten und auf bestehende Probleme hinweisen. Die Planung muss genehmigungsfähig sein und die anerkannten Regeln der Technik einhalten, soweit diese geschuldet sind. Bestehen jedoch durch den Bauherrn keine besonderen Anforderungen oder sind verschiedene Anforderungen in Ausgleich zu bringen, so schuldet der Planer aus verschiedenen Varianten nicht die Bestmögliche. Geschuldet ist regelmäßig nicht „das Optimum“, sondern (vereinfacht) eine durchschnittlich brauchbare Lösung.
In seiner Entscheidung stellt das OLG klar, dass funktionseingeschränkte Lösungen nicht brauchbar, also mangelhaft sind (im Urteil eine Fensteranordnung) und zu Schadensersatzforderungen führen können. Bei Renditeobjekten sind Planende zur Optimierung der Nutzbarkeit verpflichtet, denn darin liegt erkennbar das Interesse des Auftraggebers. Aber auch dies bedeutet nicht, dass es nur eine einzige oder gar eine richtige Lösung gäbe. In der Regel wird es mehrere, wenn nicht sogar eine Vielzahl möglicher Lösungsvarianten geben, welche innerhalb des Spannungsfeldes zwischen Gegebenheiten und Anforderungen vertretbar sind. Ohne Belang ist, ob der Auftraggeber, nachträglich betrachtet, doch lieber eine andere Variante gehabt hätte.
Frage 1: Eine Ingenieurin: Ich habe ein Neubauprojekt in einer teuren innerstädtischen Lage im Auftrag und dabei, wie bisher immer, die Sanitärinstallation als Vorwandinstallation geplant. Nun kommt der Bauherr mit einer Schadensersatzforderung von 30.000 €, weil eine Führung der Leitungen in der Wand, statt als Vorwandinstallation 3 m² Bodenfläche eingespart hätte. Zu Recht?
Antwort: Nein, die Ingenieurin hat keinen Mangel zu vertreten, weil sie das geplant hat, was üblich ist. Genau der hier vorgetragene Sachverhalt hatte auch das vorab besprochene OLG Karlsruhe zu entscheiden. Dort wurde vorgetragen, man hätte 11 m² sparen können, wenn man die Rohrleitungen in die Wand (die dort wohl nur 11,5 cm stark waren!) eingebracht hätte. Sachverständig unterstützt, kam das OLG zu dem Ergebnis, man hätte weniger als 2 m² sparen können, was als geringfügig und damit vernachlässigbar bewertet wurde.
Hier werden Optimierungswünsche überzogen. Eine Vorwandinstallation ist heute nicht nur technisch üblich, sie erfüllt vielmehr die heute vorauszusetzenden optischen Ansprüche. Heute möchte doch niemand mehr auf einen vorgebauten Spülkasten im WC blicken! Genau das sah das OLG Karlsruhe auch vor mehr als 20 Jahren schon so.
Frage 2: Ein Ingenieur: Ich habe in der Entwurfs- und Ausführungsplanung einen Verbau für ein Bauwerk geplant und entsprechend Vertrag bisher nach Kostenberechnung abgerechnet. Nun kommt das ausführende Unternehmen mit einem Sondervorschlag, welcher 30 % weniger kostet. Mein Auftraggeber meint, nun wäre auch mein Honorar rückwirkend auf der Grundlage der Kosten des Sondervorschlags abzurechnen. Ist das richtig?
Antwort: Auf Nachfrage erläutert der Ingenieur, dass nur ein Unternehmen einen Sondervorschlag gemacht hätte, der deshalb günstiger sei, weil er den Verbau nicht rückverankert, sondern mit Aussteifungen anbietet. Dadurch ergeben sich nachvollziehbare geringere Kosten beim Verbau, das Arbeiten innerhalb der Baugrube gestaltet sich jedoch schwieriger. Hier hat also das ausführende Unternehmen insoweit eine eigene Optimierung vorgenommen, dass es einen einfacheren Verbau gegenüber einem aufwändigeren Bauen in der verbauten Baugrube gegeneinander abgewogen hat und sich für den einfacheren Verbau entschieden hat. Schon allein, dass nur ein Unternehmen diesen Sondervorschlag macht, zeigt, dass der Ingenieur offensichtlich eine wirtschaftlich optimierte Lösung geplant hat. Hätten alle ausführenden Unternehmen denselben Sondervorschlag gemacht, oder vielleicht sogar Bedenken angemeldet, hätte man den Sachverhalt nochmal genauer prüfen müssen. So hat das ausführende Unternehmen für sich entschieden, eine andere für seinen Bauablauf optimierte Lösung zu wählen. Damit ist die Leistung des Ingenieurs nicht erkennbar mit einem Mangel behaftet und damit die ursprüngliche Kostenberechnung auch weiter Grundlage für die Honorarermittlung. Ein Mangel liegt also nicht schon dann vor, wenn in der Nachschau eine für ein ausführendes Unternehmen preiswertere Lösung erkennbar geworden ist.
Frage 3: Eine Auftraggeberin: Ich bin neu in ein laufendes Projekt zur Sanierung einer Klinik eingestiegen und kenne mich mit den Abläufen eines Krankenhauses gut aus. Ich habe mir die Ausführungsplanung intensiv angesehen und stelle nun fest, dass die Abläufe gerade in der Notaufnahme nicht optimal sind? Ich habe die Planenden aufgefordert die Planung zu ändern. Diese kommen jetzt mit einem Nachtrag auf mich zu. Muss ich das akzeptieren, obwohl die bisherige Lösung nicht optimal war?
Antwort: Auf Nachfrage erläutert die Auftraggeberin, dass die bisher geplante Lösung tatsächlich „nur“ suboptimal sei. Dann gilt auch hier, dass im Zuge einer länger laufenden Planung neue Erkenntnisse entstehen können (z. B. durch neue Ideen), die eine bessere Lösung für einen Teilbereich aufzeigen. Möglicherweise ist im vorliegenden Fall tatsächlich eine bessere Lösung für die Notaufnahme erkennbar, diese könnte dann aber wiederum Nachteile in der Bautechnik oder Haustechnik an anderer Stelle mit sich bringen. Das alles muss zwingend neu und vollständig durchdacht werden, stellt also eine neue Planungsaufgabe dar, die dann auch zu vergüten ist. Soweit die erste Planung keinen Mangel aufweist, vielmehr nur suboptimal in einem Teilbereich des Krankenhausbetriebs ist, sind Änderungswünsche Wünsche der Auftraggeberin im Sinne von § 650b Abs. 1 BGB, welche gesondert zu vergüten sind.
Frage 4: Ein Auftraggeber: Mein Architekt hat mir vorgeschlagen die Kinderzimmer im Erdgeschoss vorzusehen, ich fand das vor zwei Jahren auch eine gute Idee und wir erhielten dafür eine Baugenehmigung. Wegen der bis vor kurzem hohen Baukosten hatte ich die weitere Planung zurückgestellt. Nun wollte ich von ihm die Ausführungsplanung und dabei die Kinderzimmer doch lieber im Dachgeschoss untergebracht haben, weil die Kinder nun größer und lauter sind. Er will für die nun zu ändernden Grundrisse eine zusätzliche Vergütung. Hat er Recht, oder hätte er uns nicht von Anfang an dahingehend beraten müssen, dass es bei älteren Kindern besser ist, diese unterm Dach unterzubringen?
Antwort: Hier liegt ein Fall von Änderungen des Bedarfs des Auftraggebers über die Zeit vor. Zum Zeitpunkt der Vor- und Entwurfsplanung hatte der Auftraggeber eher kleinere Kinder im Blick, nach mehreren Jahren, nun ältere Kinder. Das sich aber die Bedürfnisse über die Zeit verändern, ist Planenden nicht anzulasten. Sie haben die Pflicht zu Beginn der Planung den Bedarf abzufragen (als Teilleistung lit. a) in allen Leistungsbildern der Objekt- und Fachplanung der HOAI) und daraufhin eine Planung den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechend zu entwickeln. Ändern sich, wie hier, über die Zeit die Anforderungen des Auftraggebers, geht dies zu Lasten des Auftraggebers. Nichts anderes gilt auch bei Großprojekten, die von vornherein auf längere Zeit angelegt sind. Ändern sich die Wünsche des Auftraggebers, sind auch das Fälle, die, wie bei Frage 3, dem § 650p Abs. 1 BGB zuzuordnen sind und berechtigt einen Nachtrag zur Folge haben. Das gilt sogar uneingeschränkt auch dann, wenn sich z. B. bei langlaufenden Projekten während der Planungszeit die Normen ändern (ausführlich Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 01-02/2012, S. 56).
Frage 5: Eine Auftraggeberin: Bei meinem Grundstück gab es eine unter Denkmalschutz stehende Stützwand, die insbesondere wegen des Baumbewuchses als einsturzgefährdet bewertet wurde. Der Planer und der Baugrundgutachter haben Lösungen vorgeschlagen, die alle so um die 200.000 € kosten sollten, in dem die Bäume gefällt werden, die Wand zusammen mit dem Wurzelwerk entfernt und mit denselben Steinen wieder aufgebaut wird. Das war mir viel zu viel Geld. Also habe ich dem bisherigen Planungsteam gekündigt und einen anderen Planer beauftragt. Dieser hatte in der Tat dann die geniale Idee nur die Bäume zu fällen und die losen Steine wieder einzusetzen und sonst nichts zu tun. Er konnte mir zwar nicht garantieren, dass das ewig hält, aber es kostete nur ein Bruchteil. Jedenfalls war das Denkmalamt sehr zufrieden mit der Lösung. Ich möchte die erste Planung nun eigentlich nicht bezahlen, sie war mir ja viel zu teuer und für mich nicht verwertbar. Bin ich da im Recht?
Antwort: Auf Nachfrage bestätigt die Auftraggeberin, dass der neue Planer für die bestehenbleibende Wand keine weitere Garantie übernahm, es allerdings für wahrscheinlich erachtete, dass diese noch lange stabil stehen bleiben dürfte, weil sie so schon über 100 Jahre stand. Das zeigt, dass hier zwei Alternativen betrachtet worden sind, mit völlig verschiedenen technischen Sicherheiten. Während der erste Planer, wohl auch zusammen mit den Baugrundgutachter, eine auf Dauer sichere Lösung entwickelt hat, nämlich den Abbruch und Neuaufbau, hat der zweite Planer eine einfache Sanierung geplant und dabei seine Gewährleistung eingeschränkt. Dass die Auftraggeberin geringere Sicherheiten mit niedrigeren Kosten, gegenüber höheren Sicherheiten mit höheren Kosten akzeptiert, macht die erste Planung nicht mangelhaft. Bricht nämlich die Wand doch nach wenigen Jahren zusammen, bleibt für den zweiten Planer zu hoffen, dass er ausreichend auf diese zusätzlichen Risiken hingewiesen hat (dazu ausführlich Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 07-08/2020, S. 44). Jedenfalls muss die Auftraggeberin die erste Planung bezahlen. Sie hat nun den Vorteil sich zwischen zwei alternativen Planungen entscheiden zu können und entscheidet sich dafür die hohen Baukosten zu ersparen und erkauft sich dies durch ein höheres Risiko ein. Nichts anderes wäre passiert, wenn sie das erste Planerteam zusätzlich mit der Planung dieser nun gefundenen einfacheren Lösung beauftragt hätte. Auch dann hätte sie für zwei alternative Planungen bezahlen müssen (ausführlich zum Unterschied zwischen Varianten und Alternativen bei Kalte/Wiesner im Deutschen Ingenieurblatt 05/2008, S. 52).
Frage 6: Eine Ingenieurin kommt intern auf ihren Chef zu. Ingenieurin: „Chef, in unserem QM-Leitbild steht: Wir liefern unseren Kunden die beste Lösung.“ Chef: „Stimmt!“. Ingenieurin: „Beim Projekt in der Stadt A, ist mir Gestern beim Sport eine Lösung eingefallen, die viel besser ist als die von mir bisher Geplante. Wir sind aber unmittelbar vor Baubeginn. Unserem Leitbild folgend, müsste ich die Ausschreibung stoppen und alles bis zum Entwurf hin ändern. Was soll ich tun?“ Chef nach kurzer aber intensiver Überlegung: „Wir ändern unser Leitbild. Es lautet ab jetzt: Wir liefern unseren Kunden eine optimierte Lösung! Und machen Sie in Zukunft nicht so viel Sport.“
Antwort: Hier hat der Chef präzise und wohl erstmalig den Unterschied zwischen einer optimalen und einer optimierten Lösung erkannt.
Fazit
Auch höchstrichterlich ist entschieden, dass Planende zwar im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung wirtschaftlich-finanzielle Gesichtspunkte ihrer Auftraggebenden zu beachten haben (BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 72/87), dabei jedoch nicht unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten "so kostengünstig wie möglich" zu bauen haben (BGH, Urteil vom 23. November 1972 – VII ZR 197/71). Sollen Planende das Optimum planen, wäre zudem vorab vertraglich zu definieren, welche Aspekte zu optimieren wären, nämlich Herstellungs-, Betriebs-, Jahres-, Lebenszyklus- oder ökologisch bilanzierte Kosten und welche Sicherheiten bei fachlichen und monetären Gesichtspunkten gewünscht sind. Bei der Planung von Bauwerken gibt es nämlich regelmäßig mehrere Lösungen, bei denen sich von vornherein nicht feststellen lässt, was am Ende optimal ist. Auch die für Bauwerke typischerweise langen Planungs- und Erstellungszeiten lassen in der Rückschau immer wieder bessere Lösungen erkennen. Planende können also nicht mehr leisten als ihre Planung zu optimieren, Auftraggebende können ohne weiteres nur eine durchschnittlich brauchbare mangelfreie Lösung fordern.
Peter Kalte
Dipl.-Ing., öffentlich bestellter und vereidigter Honorarsachverständiger, zertifizierter Mediator, Beisitzer der Vergabekammern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Geschäftsführer der GHV Gütestelle Honorar- und Vergaberecht e. V., www.ghv-guetestelle.de.
Alexander Petschulat
Dr., Justiziar, Beisitzer der Vergabekammer Westfalen, Leiter Rechtsreferat Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, www.ikbaunrw.de.