Ein dichtes Labor

Forschungszentrum in Trockenbauweise

Deutsches Ingenieurblatt 03/2023
Hochbau
Bildung, Forschung und Kultur
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Forschung
Bauen im Bestand
Sanierung

Die Johannes-Gutenberg-Universität Mainz baut mit einer großen Sanierungsmaßnahme das Untergeschoss eines typischen, in System-Massivbauweise erstellten Gebäudes der 1970er-Jahre um und richtet dort Forschungsflächen für neurowissenschaftliche Grundlagenforschung ein. Hierzu gehören im Untergeschoss Experimentallabore sowie eine zentrale Versuchstierhaltung der Schutzstufen S1, S2 und SPF.

Der Ausbau erfolgt in Trockenbauweise mit zementgebundenen Leichtbeton-Bauplatten, die eine Spezialbeschichtung für Reinraum-Oberflächen erhalten. Die Durchführungen von Rohrleitungen werden durch ein Dichtungssystem gewährleistet, das dem besonderen Anforderungsprofil von Forschungseinrichtungen bis hin zur biologischen Schutzstufe 4 entspricht. Der geprüfte Systemaufbau entspricht den Anforderungen der im August 2018 erschienenen VDI-Richtlinie 2083, Blatt 19, und erfüllt die Anforderungen an die Raumdichtheit für alle sieben Dichtheitsklassen sowie alle internationalen Anforderungen an die Dichtheit für BSL-4-Labore.

In medizinischen Forschungszentren werden Fragestellungen aus allen Bereichen der Medizin mit den Methoden der biomedizinischen Laborforschung und mit Tierexperimenten untersucht. Oft wird dabei unter besonderen hygienischen Anforderungen gearbeitet. Besonders hoch ist der Hygiene-Standard in den sogenannten SPF-Tierhaltungen (specific pathogen free [deutsch: spezifisch pathogenfrei]), die frei sind von bestimmten Krankheitserregern (Pathogenen) wie Bakterien, Pilze oder Viren. Entsprechend sind diese Bereiche weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Mitarbeiter dürfen diesen keimarmen Bereich nur über Schleusen betreten und sich dort nur in entsprechender Schutzkleidung aufhalten, um eine Kontamination zu vermeiden. Damit beim Öffnen der Schleusen keine Keime von außen nach innen dringen können, herrscht zudem in SPF-Bereichen immer ein entsprechend gestaffelter höherer Luftdruck (Druckstufen). An Planung und Ausführung stellt dies hohe Anforderungen: Die Konstruktion muss absolut druck- und aerosoldicht ausgeführt werden, dauerhaft vor einer Besiedelung mit Mikroorganismen geschützt und nicht zuletzt hoch widerstandsfähig gegen Dekontaminations-maßnahmen mit gasförmigem Wasserstoffperoxid (H2O2) sowie anderen aggressiven Reinigungs- und Desinfektionsmitteln sein.

An der Universität Mainz wurde jetzt ein Altbestandsgebäude aus den 70er-Jahren saniert und gleichzeitig im Untergeschoss zu einer zentralen S1-, S2- und SPF-Tierhaltung umgebaut. Der Umbau erfolgte komplett in Trockenbauweise. Es kam dabei eine gemeinsam vom Trockenbau-Platten-Hersteller James Hardie Europe GmbH, dem Wandbeschichtungshersteller Rohde KG sowie dem Abdichtungsspezialisten RKD systems eG entwickelte Systemlösung zum Einsatz, die sich an der VDI-Richtlinie 2083 Blatt 19 orientiert, in der die Dichtheit von Containments beschrieben wird. Erfüllt werden die Anforderungen an die Raumdichtheit für alle sieben Dichtheitsklassen sowie alle internationalen Anforderungen an die Dichtheit für BSL-4-Labore (biosafety level 4). Dies sind Hochsicherheitslabore, in denen Krankheitserreger wie Ebola-, Marburg-, Lassa- oder Nipahviren sicher untersucht werden können.

Trockener Ausbau mit zementgebundenen Leichtbeton-Bauplatten

Nach vollständiger Entkernung werden im Untergeschoss des im typischen Stil der 70er-Jahre des 20. Jahrhunderts erstellten Betonbaus insgesamt 25 Räume in Druckstufenhaltung mit erhöhten Hygieneanforderungen eingerichtet. Für die Wandkonstruktionen kam eine zementgebundene Leichtbeton-Bauplatte zum Einsatz. Die beidseitig mit einem alkaliresistent beschichteten Glasfasergewebe armierten Platten mit Sandwichstruktur wurden speziell für Wand-, Decken- und Bodenkonstruktionen in Nassräumen mit dauerhafter und hoher Feuchtigkeit entwickelt. Sie können bei Innenanwendungen für Wand und Decke bis zur Wassereinwirkungsklasse W2-I (gemäß DIN 18534) eingesetzt werden.

Neben der Unempfindlichkeit bei starker Feuchtebeanspruchung ist das Panel diffusionsfähig (Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl von μ= 56) und resistent gegen Schimmelpilzbefall. Die große Stabilität ermöglicht in einlagiger Beplankung stark belastbare Konstruktionen, die auch Anforderungen bezüglich Über- bzw. Unterdruck, also der Luftdichtigkeit, gerecht werden. Die Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien wie H2O2, Chlor (Cl) oder gegen das als Flächendesinfektionsmittel eingesetzte Formaldehyd (CH2O) ermöglicht daneben auch die Verarbeitung für Wände und Decken mit erhöhten Hygieneanforderungen. Die verwendete Bauplatte ist zudem nicht brennbar (Baustoffklasse A1). In zweilagiger Verarbeitung wird die Brandschutzklasse F120 erreicht.

Sämtliche Wände wurden grundsätzlich mit einer doppelten Lage von zweimal 12,5 mm beplankt. Dabei wurden raumhohe Plattenformate eingesetzt. Die Montage erfolgte konventionell auf einer Unterkonstruktion aus CW-Ständerprofilen und UW-Anschlussprofilen ohne Vorbohren. Der Achsabstand betrug maximal 62,5 cm.

Die Verarbeitung erfolgte auf entsprechend geeigneten Metallprofilen nach DIN EN 14195 sowie mit Befestigungsmitteln, die den Anforderungen an den Korrosionsschutz entsprachen. Spezielle Schrauben mit einer entsprechenden Spezialbeschichtung kamen hier zum Einsatz. Die geforderte Korrosionsbeständigkeit wurde in umfangreichen Tests im Salzsprühnebel bestätigt. Eine optimierte Gewindeergonomie sorgt zudem für das schnelle Eindringen ohne aufwändiges Vorbohren und garantiert sicheren Halt in der Unterkonstruktion. Der Schraubenkopf ließ sich außerdem gut in der Platte versenken. Die Platten der unteren Lage wurden stumpf gestoßen, die der oberen Lage verklebt.

Wandbeschichtungslösung für Reinräume

Die fertiggestellten Flächen erhielten eine Spezialbeschichtung, die speziell für Reinraum-Oberflächen entwickelt wurde. Diese gewährleistet einen dauerhaften Schutz gegen Besiedelung mit Mikro-Organismen und bietet eine hohe Chemikalienbeständigkeit.
Das eingesetzte Wandbeschichtungssystem besteht aus einer Kombination aus Glasfaserarmierung mit Spachtelung und einer besonders widerstandsfähigen 2-Komponenten-PU-Beschichtung. Zunächst trugen die Verarbeiter auf den vorbereiteten Untergrund aus Bauplatten einen zum System gehörenden Kleber auf. Das in dieser Beschichtung enthaltene Silber verhindert die Besiedelung mit Mikro-Organismen oder auch MRSA-Keimen.

Innovatives Dichtungssystem

Alle relevanten Containmentschnittstellen der Wände, Türen, Böden, Autoklaven, Schleusen und Installationen der technischen Gebäudeausrüstung wurden im RKD-System den baulichen Gegebenheiten vor Ort angepasst konfektioniert und so eine zuverlässige Containmentbarriere errichtet. Im geprüften Systemaufbau in Verbindung mit dem Beschichtungssystem entsteht aufgrund kraft- und stoffschlüssiger Verbindung beider Systeme zueinander eine schnittstellenfreie Versiegelung der Räume – wie aus einem Guss. Auch der direkte Verbund mit den verwendeten Platten ist mechanisch hochfest und dauerelastisch zugleich hergestellt worden. Es werden dabei zulassungskonform alle Brandschutzanforderungen an Leitungsdurchführungen mit eine Feuerwiderstandsklasse bis F90 erreicht. Eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung beim deutschen Institut für Bautechnik für den verwendeten dämmschichtbildenden Baustoff ist eine wichtige Grundlage für das modular aufgebaute Dichtungssystem.

Der Baustoff wird in drei Aggregatzuständen (feste Formteile, pastöse Spachtelmasse und flüssige Vergussmasse) miteinander kombiniert vor Ort eingepasst bzw. adaptiert. Das eingebaute System sichert zuverlässig die jeweiligen Schutzziele bis hin zur biologischen Schutzstufe 4 i.V.m. den erhöhten Hygieneanforderungen, Druckkaskaden, der chemischen Beständigkeit und des Brandschutzes. Das System wird zur Validier- und für Revisionierbarkeit mit einem Raum- und Schottbuch dokumentiert und der Nutzer entsprechend für z. B. Nachbelegungen eingewiesen.

Fazit

Der im Zuge einer Sanierung erfolgte Ausbau von SPF-Tierhaltung in einem Bestandsgebäude der Universität Mainz zeigt, dass eine Trockenbauweise auch in hochsensiblen Forschungsbereichen genutzt werden kann.

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