Für mehr Energieeffizienz und Nutzungskomfort
Solarthermieanlagen werden in Gebäuden zur Unterstützung der konventionellen Heizung und für die Warmwasserbereitung genutzt. Einmal installiert, verursachen die Anlagen nur noch minimale laufende Kosten und tragen über ihre gesamte Lebensdauer deutlich zur Senkung der Energiekosten bei. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass alle Komponenten sachgemäß installiert wurden, damit das System richtig funktionieren kann.
Das ist aber in der Praxis nicht immer der Fall, wie Experten von TÜV SÜD bei einer Prüfung feststellen mussten: Bei der Installation waren Vor- und Rücklaufsensor vertauscht worden. Weil aber der Heizkessel ansprang und für Wärme sorgte und es keine Vergleichswerte gab, fiel der Fehler dem Facility Management nicht auf. Über zehn Jahre lang war die Anlage faktisch wirkungslos. Das Beispiel zeigt, dass die Technische Gebäudeausrüstung (TGA) eine gute Planung, fachgerechte Integration und wirksame Überwachung benötigt.
Fehlerhäufigkeit steigt
Schlagworte wie Building Information Modeling (BIM), Smart Building oder Smart Grid stehen beispielhaft für die Möglichkeiten, die durch die zunehmende Digitalisierung der Infrastruktur entstehen.
Dabei inhaltlich und kapazitiv nachzukommen und das benötigte technische Know-how schnell aufzubauen, wird zur wachsenden Herausforderung für Bauherren, Architekten und TGA-Fachplaner. Als Folge kann es bei der Umsetzung von Maßnahmen zu Fehlern kommen. Und immer mehr GA-Systeme liefern nicht das gewünschte Ergebnis.
Welche Mängel zeigen sich, wenn man die Systeme unter die Lupe nimmt? Das können beispielsweise die Anlagen der Raumautomation für die Klimatisierung und die Belüftung sein, die zu viel Energie verbrauchen und hohe Betriebskosten verursachen. Oder es sind Mängel, welche die Funktionalität oder den Komfort der GA-Systeme betreffen. Mangels geeigneter Instrumente zur Messung und Überprüfung werden die Fehler oft erst spät im Gebäudebetrieb bemerkt – mit weitreichenden Folgen für die Betriebskosten: Zu den bereits kostspieligen Auswirkungen der schlechten Anlagenleistung im zurückliegenden Betriebszeitraum addieren sich dann noch die Kosten für die Optimierung der GA-Systeme.
EU-Richtlinie als Effizienztreiber
Auf die Technik komplett zu verzichten, ist aber auch nicht zielführend. Denn allein für den Bereich Energieeffizienz – einem wesentlichen Treiber der GA – steigen die verbindlichen regulatorischen Vorgaben stetig, wie aktuell mit der EU-Richtlinie Energy Performance of Buildings Directive (EPBD). Sie wird voraussichtlich dieses Jahr in deutsches Recht umgesetzt und verlangt einheitliche Energieeffizienzstandards bis zum Jahr 2030. In Bezug auf die GA sind einige Zielvorgaben schon bis 2025 umzusetzen. Dazu zählt beispielsweise, dass GA-Systeme den Energieverbrauch fortwährend überwachen, protokollieren und analysieren sowie dessen Anpassung ermöglichen müssen. Aber auch, dass die Anlagen fähig sind, Effizienzverluste zu identifizieren und das Facility Management über mögliche Optimierungen zu informieren.
Diese Entwicklung bei den regulatorischen Vorgaben verleiht der Planung, Integration und Überwachung der TGA ein zusätzliches Gewicht: Optimal funktionierende und wirtschaftlich arbeitende GA-Systeme werden zum wesentlichen Faktor für den langfristigen Werterhalt von Gebäuden und wichtigen Kriterium bei Vermietung oder Verkauf. Die GA sollte deshalb nicht als belastender Kostenblock empfunden werden, der per Gesetz auferlegt wird. Im Gegenteil: Bezogen auf den Lebenszyklus eines Gebäudes, amortisieren sich die Investitionen bereits nach kurzer Zeit.
Klimaziele erreichen – GA wird zum Enabler
Die EU soll im Jahr 2050 klimaneutral sein. Das ist erklärtes Ziel des europäischen grünen Deals der EU-Kommission vom 11. Dezember 2019. Klar ist jetzt schon: Der Gebäudesektor ist einer der wesentlichen Hebel, dieses Ziel zu erreichen. Denn 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs fällt in Gebäuden an – und der Gebäudesektor verursacht mehr als 30 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes. Vor diesem Hintergrund kommt der GA eine Schlüsselrolle zu – vor allem hinsichtlich der Energieeffizienz. Dazu ein Beispiel, das den Effekt aufzeigt: Gemäß DIN V 18599-11 beziehungsweise DIN EN 15232 spart ein vollautomatisiertes Bürogebäude (Automationsklasse A) gegenüber einem geringer automatisierten Referenzgebäude (Automationsklasse C) 30 Prozent Wärmeenergie und 13 Prozent Strom. Es lohnt sich also in jedem Fall, angemessen in eine umfassende und gut durchdachte GA zu investieren.
Schritt für Schritt vorgehen
Für das strukturierte Vorgehen beim Aufbau von GA-Systemen können Prüforganisationen unabhängige Orientierungshilfen an die Hand geben. Der TÜV SÜD hat dafür den „Handlungsleitfaden Gebäudeautomation“ erstellt. Dieser enthält eine achtstufige Schritt-für-Schritt-Anleitung (Bild 1) und ist im Internet als White Paper unter www.tuvsud.com/gebaeudeautomation kostenlos verfügbar.
Ein Beispiel aus dem Handlungsleitfaden: Die qualitätsgesicherte Planung der GA beginnt damit, Ziele zu definieren und auch die Art sowie den Umfang von Beauftragungen festzulegen. Dazu müssen zunächst die zu erbringenden Leistungen definiert werden. Denn bestimmte Leistungen werden in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) explizit benannt, andere wiederum sind in dieser nicht enthalten. Trotzdem kann es sich lohnen, Leistungen außerhalb der HOAI auszuwählen und zu beauftragen. Dazu zählt zum Beispiel die Integrationsplanung – mit der ein Fachplaner beauftragt werden sollte, um die Qualität der Integration der GA sicherzustellen.
Für optimale Funktion und Effizienz sorgen
Damit die GA-Systeme so arbeiten wie gewünscht, ist die Überprüfung der Funktionen und der Effizienz unerlässlich. Diese Aufgaben übernimmt das Technische Monitoring (TMon). Das Überwachungstool vergleicht die Soll-Werte mit den Ist-Werten der TGA und überprüft systematisch alle Leistungsmerkmale und die Wirtschaftlichkeit der Anlagen. Der TÜV SÜD hat dafür die sogenannte test box (Bild 2) entwickelt, die alle Daten aus dem GA-Netzwerk aufzeichnet und in einem digitalen Prüfstand bewertet. In bestimmten Fällen ist es sinnvoll, das TMon über längere Zeiträume einzusetzen. Dem Prüfpersonal wird so eine verlässliche Datenbasis zur Verfügung gestellt, die den Ist-Zustand der GA-Systeme umfassend abbildet. Schwachpunkte und fehlerhafte Funktionen sind klar zu identifizieren, mit dem Ziel, die Leistungen der GA-Systeme zu optimieren und gegebenenfalls auch nutzerorientiert anzupassen.
Veraltete TGA auf neuesten Stand gebracht
Das folgende Beispiel aus der Praxis beschreibt das Vorgehen der Optimierung von GA-Systemen: Ein Finanzdienstleister hat TÜV SÜD beauftragt, die veraltete TGA eines Gebäudes mit über 100 Büros zu optimieren und zukunftsfähig zu machen.
Das Gebäude befindet sich im Rhein-Main-Gebiet. Es wird gerade vollständig saniert. Bei den GA-Systemen ergibt sich folgende Ausgangslage: Eine viel zu träge Raumautomation kann nicht den gewünschten Komfort bieten. Deshalb stehen die Raumautomation und die Kälteanlagen des Bürogebäudes unter Beobachtung. Dazu kommt, dass die vorhandene Lüftungstechnik nicht optimal funktioniert. Luftmengen fehlen, was bewirkt, dass die Luftqualität in den Büroräumen unzureichend ist. Ebenso unter Beobachtung stehen die drei Kältemaschinen mit ihren vier Rückkühlwerken und der Kälteverteilung. Hier hat der Betreiber das Zusammenspiel durch die zum Beispiel zu hohen Taktraten beanstandet.
Zur Optimierung der GA-Systeme setzen die Experten von TÜV SÜD das TMon ein. Die test box sammelt die relevanten Daten im GA-Netzwerk, die im digitalen Prüfstand bewertet werden. Alle zwei Wochen werden die Ergebnisse mit den Beteiligten abgeglichen. Detailanalysen zum Ist-Zustand der GA-Systeme sind damit möglich. Auf Basis der Ergebnisse werden die Systeme des Bürogebäudes aktuell auf den neuesten Stand gebracht.
Die Optimierung der TGA in dem Bürogebäude ist ein Pilotprojekt. Auf Basis dessen sollen einheitliche Standards für die Zukunft von tausenden Büroräumen und den wesentlichen technischen Anlagen des Finanzdienstleisters entwickelt und festgelegt werden. Diese Standards sollen auch in anderen Gebäuden und an weiteren Standorten des Kunden zugrunde gelegt werden und bei dort geplanten GA-Projekten zur Anwendung kommen.
Über den Autor
Patrick Lützel ist Dipl.-Ing. (FH) der Elektrotechnik. Seit 2016 ist er bei der TÜV SÜD Industrie Service GmbH im Geschäftsfeld Elektro- und Gebäudetechnik tätig und leitet den Bereich Systemengineering Gebäudeautomation. Hier arbeitet er unter anderem an der Bewertung und Qualifizierung vernetzter Infrastruktur (Smart Building) und wirkt auch in Gremien und Branchenverbänden mit.
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Dipl.-Ing. (FH) Patrick Lützel
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