„Man kann auch mit Salz Straßen bauen!" Diese Beobachtung notiert TU-Professor Mike Schlaich am 28. April 2022 in sein Tagebuch – Tag 45 seiner Bauingenieur-Safari quer durch den afrikanischen Kontinent, auf der er untersucht: Wie baut man in den Ländern Afrikas?
1,3 Milliarden Menschen – dreimal Europa
Nach Prognosen der „World Population Prospects 2024" der Vereinten Nationen wird die Bevölkerung Afrikas bis 2050 um 1,3 Milliarden Menschen wachsen. Aktuell leben etwa 1,48 Milliarden Menschen in Afrika. „Diese 1,3 Milliarden Menschen werden Wohnungen brauchen, Schulen, Krankenhäuser, Straßen, Brücken, Eisenbahnen, müssen mit Energie versorgt werden, benötigen Zugang zu sauberem Wasser. 1,3 Milliarden Menschen sind das Dreifache der EU-Bevölkerung. Das heißt die gesamte Infrastruktur Europas müsste in den kommenden 25 Jahren in Afrika dreimal neu gebaut werden", sagt Mike Schlaich. Bereits jetzt fehlt diese Infrastruktur für Millionen Menschen. In der Wüste Bayuda im Sudan beobachtet er, wie sich Menschen aus einem Brunnenloch mit Eseln und aus Ziegenhäuten zusammengenähten Säcken mit Trinkwasser versorgen. „Nur sieben Prozent der Bevölkerung haben in Sudan Wasser- und Abwasseranschluss ... und laut UNICEF verfügen in diesem Land nur 53 Prozent der ländlichen Haushalte über Zugang zu Trinkwasserquellen, die innerhalb von 30 Minuten zu Fuß erreichbar sind."
Regionale Bedingungen – regionale Lösungen?
Sein Buch „Bauen in Afrika", erschienen im DOM publisher-Verlag, basiert auf seinem Tagebuch während des sechsmonatigen Forschungssemesters 2022. Er untersuchte das Bauingenieurwesen in Forschung, Lehre und Praxis in zwölf Ländern des südlichen und östlichen Afrikas, analysierte Brücken, Straßen, Gebäude und Wohnhäuser. Seine Kernfragen: Existiert ein landeseigener Bauingenieur-Ansatz, der auf den regionalen Bedingungen (Geografie, Klima, Materialien, Bautraditionen) basiert? Wie bereitet man sich auf das prognostizierte Bevölkerungswachstum vor? Wie werden Nachhaltigkeitsfragen behandelt?
China baut, was gebraucht wird
„Bauen in Afrika" gliedert sich in drei Kapitel: Die Einleitung behandelt Afrikas Baugeschichte. Im zweiten Kapitel „Tagebuch" dokumentiert er ausgewählte Stationen seiner Bauingenieur-Safari: die Makerere-Universität in Uganda, wo das Bauingenieurwesen mit Kunst und Design eine Hochschule bildet, die Labore der University of Pretoria, die Felsenkirchen von Lalibela in Äthiopien, Bibliotheken, Gehöfte der Maasai und Brücken – darunter Afrikas längste Hängebrücke in Mosambik.
Viele der untersuchten Brücken stammen aus der Kolonialzeit. Neue Brücken werden häufig von chinesischen Firmen gebaut. China reagiert damit auf den Infrastrukturbedarf der zwölf Länder. Wo Straßen und Schienen existieren, bestätigen Weltbank-Daten einen höheren Lebensstandard. Die chinesischen Brücken entsprechen jedoch nicht den Kriterien für Nachhaltigkeit und ressourcenschonendes Bauen. Zum Nairobi Expressway notiert er: „Beim Blick auf die Brücke kann ich mich nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier mindestens ein Opfer gegeben hat: die Baukultur."
Sprung über das fossile Zeitalter
Das dritte Kapitel enthält seine "Überlegungen" zur Zukunft des Bauens, gegliedert in sieben Themen: Universitäten, Solarenergie, Beton, Brückenbau, Straßen und Schienen, China sowie Wohnungsbau. Afrika könnte durch die verfügbare Sonnenenergie das fossile Zeitalter überspringen. Seine Analyse zeigt Möglichkeiten, wie Beton zum Baustoff für Afrikas Zukunft werden könnte. Als Brückenbauexperte diskutiert er auch Alternativen zum konventionellen Brückenbau.
Mike Schlaich, Bauen in Afrika. Cape to Cairo in 150 Tagen: Erfahrungen eines Ingenieurs, Verlag DOM publisher 2024, 240 Seiten, 330 Abbildungen, ISBN 978-3-86922-790-0, 38,00 Euro