Schlussendlich waren es noch neun Nonnen, die das 38.000 m² große Areal der 1899 gegründeten Abtei St. Gertrud in der Nähe von Passau bewohnten und bewirtschafteten.
Das Klosterareal besteht dabei aus verschiedenen Gebäuden: zunächst das ehemalige Schloss der Grafen von Joner von 1897, das bereits in frühen Jahren als Klosterschule bzw. Kindergarten genutzt wurde und der Hauptbau von Anfang des 20. Jahrhunderts. Hier gestaltete der Münchner Architekt Johann Rieperdinger neue Hauptgebäude als dreigeschossige Dreiflügelanlage mit Statteldach. Vorbilder waren unter anderem die romanischen Klosterbauten von Cluny und Hiraus bzw. das Benediktinerkloster St. Gabriel in Prag. Weitere Ausbauten folgten in den 1950er Jahren mit dem Bau einer Kirche und weiteren Neubauten in den 1970er und 1980er Jahren. Da das Kloster eigene Produkte, z. B. Hostien, Nudeln und Decken herstellte und landwirtschaftlich tätig war, kamen hier entsprechende Räumlichkeiten und Ökonomiebauten hinzu.
Die landwirtschaftlichen Tätigkeiten bzw. die Werkstätten wurden nach und nach eingestellt und auch die Schwesternzahl ging aufgrund von Überalterung und ausbleibenden Nachwuchs zurück. So dachte die Gemeinschaft schon länger über die Nutzung der leerstehenden Räume und des Gartens nach – ebenso über den Fortbestand des angrenzenden Kindergartens St. Gertrud. 2004 kam es zu einer zufälligen Begegnung zwischen der Äbtissin des Klosters und Hans Lindner, Gründer der Lindner Group aus Arnstorf. Jahre später war dieses Gespräch Grundstock für eine wesentliche Entscheidung über die Zukunft des Klosters. Gemeinsam mit der Hans Lindner Stiftung, die mit dem Mehrgenerationenhaus Parkwohnstift Arnstorf bereits ein ähnliches Haus betreibt, entwickelte man ein neues Konzept: In den ehemaligen Klosterräumen sollten Appartements für Betreutes Wohnen, eine Tagespflege, ein ambulanter Pflegedienst und eben eine Kindertagesstätte entstehen. Für die Schwesterngemeinschaft waren eigene Räume angedacht, um den Konvent weiterzuführen.
Neustart 2018: Das Kloster wird zum Parkwohnstift Tettenweis
Im Mai 2018 startete die Lindner Group mit den umfangreichen Sanierungsarbeiten, beginnend mit der Erneuerung des Abwassersystems, dem statischen Abriss und der Gebäudeentkernung. Als erster Bauabschnitt folgte zunächst das Hauptgebäude. Hier war die eigentliche Abtei mit klostertypischen Kreuzgang und Kirche sowie Produktionsräume für wirtschaftliche Tätigkeiten der Schwestern untergebracht. Das „Joner-Schlösschen“ und ein Erweiterungsbau aus den 1980er Jahren sollten folgen. Das Hauptgebäude gliedert sich ebenfalls in verschiedene Bestandsbauten und bildet im Ensemble eine geschlossene Innenhofsituation: Der Altbau 1, der Trakt zur Straße hin, stammt aus den Jahren 1902/1903 und wird heute als öffentlicher Bereich sowie für Gewerbe und Praxen genutzt. Das angegliederte Kloster-Café im Altbau 2 mit Terrasse im Innenhof steht ebenso der Nachbarschaft und Gästen aus der Urlaubs- und Kurregion niederbayrisches Bäderdreieck offen. Zum weitläufigen Garten hin kam in den 1970er ein Neubau hinzu. Der Kirchentrakt stammt wiederrum aus den 1950er Jahren.
Brandschutz und Denkmalschutz unter einem Dach
Da viele verschiedene Bauabschnitte und diverse Renovierungsmaßnahmen im Laufe der Jahrzehnte vollzogen wurden, waren der Zustand der Bausubstanz und der entsprechende Sanierungsbedarf sehr unterschiedlich. Auch gab es seitens des Denkmalschutzamtes Vorgaben für die Umbaumaßnahmen. Da es aber der Leitung des Parkwohnstifts, den Schwestern und der Familie Lindner besonders wichtig war, die Prachträume und das besondere Ambiete des Klosters zu erhalten, konnte in vielen Punkten von vornherein ein guter Konsens gefunden werden. So blieben beispielsweise die massiven Eichentüren erhalten, genauso wie die Steinböden mit Ornamentfliesen.
Die Holzfenster mit Sprossen wurden nach Originalplänen nachgebaut, die neueingesetzten Gauben mussten in einem bräunlichen Bronzeton gestaltet werden. Die bisherig signalrote Fassade mit weißen Faschen wurde allerdings im Sinne des Denkmalschutzes wieder in den ursprünglichen Sandton geändert. Auch in den repräsentativen Räumen wie dem Festsaal, der „Guten Stube“, dem Musikraum und zum Teil im zweiten Obergeschoss waren schützenswerte Holzböden vorzufinden. Genauso wie verschiedene historische Holzdecken, ebenfalls z. B. im Festsaal im ersten Obergeschoss. Die Beurteilung als denkmalgeschützte Ausstattung hatte natürlich Auswirkung auf die nötigen Brandschutzmaßnahmen. Diese mussten so konzipiert werden, dass die Erhaltung der Böden bzw. Decken ohne Beeinträchtigung für Substanz und Erscheinungsbild möglich war.
Für die baulichen Brandschutzmaßnahmen arbeitete Lindner eng mit der GiB Gesellschaft für innovative Bautechnologie mbH zusammen. Im Zuge der Öffnungen am Gebäude wurden die verschiedenen Bestandsdecken von der GiB untersucht und ein Deckenplan erstellt. Darüber hinaus entwickelte die GiB für die Brandschutzsanierung der historischen Geschossdecken in Holzbauweise Ertüchtigungsmaßnahmen um die baurechtlichen Forderungen für den Brandschutz gewährleisten zu können. So wurden zum Beispiel Schachtdurchführungen durch die Holzbalkendecken mit Laibungen in F 90 ausgeführt, kombiniert mit einem Trockenestrich von NORIT. Ziel war es, die höchstmöglichen Feuerwiderstandsklassen, jedoch mindestens in der Qualität von F 30 - B zu erreichen – in vielen Abschnitten sogar bis F 90 - B oder F 90 - A. Dank der Kombination von zahlreichen baulichen Rettungswegen mit einer kleingliedrigen Rauch- bzw. Brandmeldeanlage und Früherkennungssystem sowie der abschottenden Wirkung von diversen Trennwänden in allen Stockwerken kann sichergestellt werden, dass ein Brand frühzeitig erkannt wird und entsprechende Maßnahmen zur Evakuierung des Gebäudes bzw. Brandbekämpfung eingeleitet werden.
Das Parkwohnstift verfügt dabei über fünf Brandabschnitte, wobei sich die Abschnitte eins bis vier im selben Gebäude befinden und über die Stockwerke nicht verspringen. Da in dem historischen Gebäude bzw. in den Kreuzgängen keine Brandwände nachgerüstet werden konnten, wurde eine brandschutztechnische Abtrennung durch zahlreiche Trennwände in F 90 - A sowie durch Treppenraumwände in Brandwandqualität gelöst. Eine historische Holztreppe konnte im Original bestehen bleiben, da zwei unterschiedliche bauliche Rettungswege vorhanden sind.
Alt und Neu: Komplettausbau durch die Lindner Group
Die Wohnungstüren stammen gemeinsam mit weiteren Schreiner- bzw. Tischlerleistungen aus eigener Fertigung der Lindner Group, genauso alle Leuchten von der Lindner Leuchtenfabrik. Bei der Sanierung der Bodensysteme, z. B. bei der Niveauangleichung setzte man ebenfalls auf Lindner Produkte: auf die nicht brennbare NORIT-Schüttungen (NORIT-Trockenschüttung und NORIT Gebundene Schüttung) bzw. auf NORIT-Trockenestrich. Trockenbau kam natürlich auch bei der Modernisierung der Wände und Decken zum Einsatz. Neben den Senioren-Wohnungen und Konventräumen für die Schwestern in den oberen Geschossen gestaltete man ebenso die öffentlichen Räume im Erdgeschoss sowie den Kirchentrakt neu. Neben Brandschutzertüchtigungen und Elektroinstallationen war hier z. B. auch der Einbau einer neuen Sakristei in Trockenbauweise gewünscht.
Zusätzlich zu der Sanierung des Altbestandes wurden drei neue Appartementbungalows mit jeweils vier Einheiten errichtet, um hier das Angebot an altersgerechte Wohnungen im Parkwohnstift zu erweitern. Zu den modernen Annehmlichkeiten zählt eine energieeffiziente NORIT-Fußbodenheizung. Im selben Zuge wurden die Räume des alten Schlosses und des Erweiterungsbaus erneuert und in eine moderne Kindertagesstätte sowie eine behindertenfreundliche Tagespflegeeinrichtung umgestaltet. Die Parkett-, Fliesen-, Maler- und Tischlerarbeiten sowie Elektroinstallationen und Einbauten rund um Heizung, Lüftung, Sanitär wurden von Lindner ausgeführt bzw. als Nachunternehmergewerke koordiniert.
Der Umbau des Klosters Tettenweis in das Mehrgenerationenhaus Tettenweis wurde 2021 abgeschlossen. Die ersten Bewohner haben ihr neues Heim bereits bezogen und füllen das Gebäude genauso wie die Kindertagesstätte mit Leben.
Interview mit Manfred Reiter, Projektleiter bei Lindner, und dem Brandschutzbeauftragten Hannes Schmirali
Was waren die größten Herausforderungen bei der Sanierung und Umnutzung des Klosters Tettenweis?
Manfred Reiter: Schwer zu sagen, denn das Objekt hatte beinahe jeden Tag eine neue Herausforderung versteckt. Dazu gehörten unerwarteter Wassereinbruch beim Tieferlegen des Bodens, die bauteilübergreifenden Höhenunterschiede, welche bis 18 Zentimeter betrugen, die statischen Maßnahmen die notwendig waren, um neue Aufzüge im Gebäude einzubauen, oder auch den Plan bei der neuen Großküche umzusetzen.
Welche Erfahrungswerte aus anderen Bauprojekten der Lindner Group haben sich auf dieses Projekt übertragen lassen?
M. R.: Kurz zusammengefasst: Beinahe alles, was man in unserem Job so macht – sei es beim Brandschutz oder beim Schallschutz. Lösungen zu finden oder jemanden zu kennen, der weiterhelfen kann. All‘ das hängt mit Erfahrung zusammen. Nur so kann ein solches Projekt gelingen.
Wie haben der Ort und vor allem seine Baukultur in den Entwurf hineingespielt?
M. R.: In allem! Das ist allein daran schon zu erkennen, dass das Denkmalamt auf die ursprüngliche Schlichtheit der Fassade bestanden hat. Nun da auch die Klostermauer zur Straße teilweise abgetragen wurde, kommt das ehemalige Kloster Tettenweis für alle besser zur Geltung. Dem Gebäude neuen Glanz zu verleihen und in Verbindung mit dem Ort Tettenweis zu bringen, wurde vollumfänglich umgesetzt, auch wenn es nun unter dem neuen Namen „Parkwohnstift“ geführt wird.
Was macht den Brandschutz in einem Baudenkmal so besonders?
Hannes Schmirali: Das Besondere an Bestandsgebäuden höheren Alters ist, dass sie in einer Zeit errichtet wurden, in der der Brandschutz noch keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Das Ziel einer Sanierung dieser Gebäude ist es, den vorhandenen geschützten historischen Bestand in seinem Erscheinungsbild möglichst unverändert und ohne Beeinträchtigung zu erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Brandschutzplanung Maßnahmen umfassen, die individuell auf den konkreten Denkmalbestand abgestimmt und denkmalgerecht sind. Die konzeptionellen und planerischen Möglichkeiten sind, anders als bei Neubauten, in erster Linie durch den erhaltenswerten und zum Teil denkmalgeschützten Bestand vorgegeben. Neben den durch die beabsichtigte Nutzungsänderung eintretenden Änderungen gilt es vor allem, auch die bestehende Gebäudestruktur, Konstruktionen, Ausstattung und historische Nutzung zu beachten. Trotzdem musste im Zuge der Sanierung und Umnutzung des Gebäudes der Brandschutz auf den heutigen Stand angepasst werden, damit die derzeit gültigen Schutzziele aus der geltenden Bauordnung erfüllt werden. Während des Rückbaus traten dabei verschiedenste bauliche Situationen auf, welche nicht durch standardmäßige Konstruktionen ertüchtigt werden konnten, sondern für jede Situation eine eigene Sonderkonstruktion entwickelt und abgestimmt werden musste.