Alternativer Brennstoff lässt Emissionen sinken

Altes Haus, moderne Heizung, neuer Energieträger

Deutsches Ingenieurblatt 9/2021
Energie, Umwelt, Betriebssicherheit
Objekte

Seit Bekanntwerden des Klimaschutzpakets der Bundesregierung stellen sich viele Menschen mit Ölheizung im Haus eine Frage: Was nun? Manche Meldungen erwecken den Eindruck, diese Heizkessel müssten 2026 abgeschafft werden – was jedoch nicht stimmt. Bestehende Ölheizungssysteme dürfen nach 2025 weiterhin betrieben werden. Es gibt kein Verbot – lediglich Modernisierungen sind an Auflagen gebunden. Auch wenn politische Diskussionen und verkürzte Medienberichte mitunter anderes suggerieren: Gebäude mit einer Öl-Brennwertheizung können durchaus die Klimaziele erreichen.

Deutschlandweit gibt es mehr als fünf Millionen Ölheizungen. Die meisten stehen in Ein- und Zweifamilienhäusern im außerstädtischen Raum. Keineswegs jedes dieser Gebäude lässt sich ohne Weiteres sofort auf eine rein erneuerbare Wärmeversorgung umstellen. Darüber hinaus liegen rund drei Millionen dieser Häuser abseits der Gas- und Wärmenetze. Dennoch können auch diese Gebäude die Klimaziele erreichen: schrittweise und unter Beibehaltung eines flüssigen Energieträgers. Möglich ist das durch den Einbau effizienter Brennwerttechnik und Maßnahmen zur Verbesserung der Gebäudedämmung, die Einbindung direkt verfügbarer erneuerbarer Energie – wie zum Beispiel Sonnenenergie durch Hybridtechnik – und den künftigen Einsatz treibhausgasreduzierter oder sogar treibhausgasneutraler flüssiger Brennstoffe. In Anbetracht der CO2-Bepreisung können sich Maßnahmen zur Verbrauchsminderung, neben dem wichtigen Klimaschutzaspekt, für Hauseigentümerinnen und -eigentümer auch als finanziell sinnvoll erweisen.

Ambitionierteres Vorgehen als bislang notwendig
Dass Häuser mit Ölheizung die Klimaziele meistern können und wie das erreicht werden kann, hat bereits 2019 eine Studie des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung (iTG) in Dresden gezeigt. Diese im Auftrag des Instituts für Wärme und Mobilität (IWO) vorgenommene Untersuchung verdeutlicht jedoch auch: Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, ist ein ambitionierteres Vorgehen als bislang notwendig. Dies umfasst insbesondere deutlich mehr Heizungsmodernisierungen und Maßnahmen an der Gebäudehülle sowie die Einbindung erneuerbaren Stroms in die Gebäudeenergieversorgung. Auch durch das Heben von Einsparpotenzialen mittels Digitalisierung im Gebäudebereich („Smart Home“) sowie brennstoffseitige Treibhausgas-Minderungsoptionen können Beiträge geleistet werden. Zusätzlich gewinnt, gerade für den Zeitraum nach 2030, der Einsatz treibhausgasreduzierter flüssiger Energieträger, die das fossile Heizöl zunehmend ersetzen, immer mehr an Bedeutung.

Flüssige Energieträger:
Leicht zu speichern und zu transportieren
Wer heute einen Heizöltank hat, verfügt über einen eigenen Energiespeicher im Haus, der zumeist über viele Jahre zuverlässig und problemlos seinen Dienst verrichtet und einen sicheren Energievorrat von typischerweise zwischen 10.000 und 50.000 Kilowattstunden beinhaltet. Denn flüssige Energieträger haben eine besonders hohe Energiedichte. Aus diesem Grund lassen sie sich auch ausgezeichnet transportieren und speichern. Dies ist im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele ein wichtiger, derzeit noch oft vernachlässigter Aspekt: Deutschland importiert momentan rund 70 Prozent seiner Energie. Der notwendige Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen wird diese Zahl in den kommenden Jahren zwar möglicherweise sinken lassen. Energieautark wird Deutschland jedoch nicht werden. Dafür ist das Verhältnis zwischen dem Energieverbrauch der dicht besiedelten Industrienation und den nationalen Möglichkeiten zur Gewinnung erneuerbaren Stroms zu ungünstig. Deswegen wird auch eine zunehmend klimaneutrale Gesellschaft hierzulande weiter auf Energie-Importe angewiesen sein.

Importierte alternative flüssige Kraft- und Brennstoffe bieten die Möglichkeit, auf diesem Weg die künftige Versorgung mit klimaschonender beziehungsweise CO2-neutraler Energie zu sichern. Mittels solcher Future Fuels (dazu gehört, neben seinen Folgeprodukten, auch grüner Wasserstoff) kann zum Beispiel erneuerbare Energie aus Ländern eingeführt werden, in denen sich diese deutlich leichter als hierzulande gewinnen lässt. Mögliche Erzeugerländer für wasserstoffbasierte Energieträger haben die Studie „Internationale Aspekte einer Power-to-X-Roadmap“ des Weltenergierats Deutschland und jüngst den globalen „Power-to-X-Atlas“ des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE vorgelegt. Ziel ist ein globaler Power-to-X-Markt. Ökonomisch würde dieser eine internationale Win-win-Situation schaffen. In Europa könnten etwa 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze entstehen, wie zuletzt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in dem Gutachten „Synthetische Kraftstoffe: Potenziale für Europa“ festgestellt hat.

Während der Hochlauf eines globalen Power-to-X-Markts noch Zeit in Anspruch nimmt, sind fortschrittliche Biofuels bereits heute eine wichtige Lösung, um flüssige Energie zunehmend CO2-neutral einsetzen zu können. Umso wichtiger sind geeignete Rahmenbedingungen, um einen Markthochlauf und eine relevante Nachfrage nach solchen klimaschonenden Produkten zu forcieren – sowohl für solche aus inländischer Herstellung als auch für Importe.

Future Fuels ergänzen die Elektrifizierung
All diese Future Fuels sind nicht als Konkurrenz zu einer verstärkten Elektrifizierung zu sehen, sondern als Ergänzung. Stromanwendungen wie Batteriefahrzeuge oder Wärmepumpen werden künftig eine zunehmend größere Rolle für den Klimaschutz spielen. Doch sie können nicht sofort und überall zum Einsatz kommen – gerade dort, wo ihnen technische oder finanzielle Hürden entgegenstehen, ist der Einsatz von Future Fuels eine Lösungsmöglichkeit im Sinn des Klimaschutzes.

Die Anwendungstechnologie selbst ist nicht die entscheidende Herausforderung, denn die Emissionen kommen aus den Energieträgern – aus dem aktuellen Strommix ebenso wie aus heutigen Kraft- und Brennstoffen. Deshalb müssen diese Energieträger CO2-neutral werden.

Dies gilt auch für den Gebäudebereich. Wie die genannte Studie des iTG Dresden gezeigt hat, ist eine Reduktion des Brennstoffbedarfs dabei eine entscheidende Voraussetzung für den Einsatz alternativer Brennstoffe.

Zahlreiche Tests zeigen Praxistauglichkeit
Dass dies funktioniert, zeigen Praxistests, die das IWO in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Hauseigentümern begleitet hat.

Von 2017 bis Juli 2021 wurden dabei bereits 133.000 Liter treibhausgasreduziertes Heizöl an fast 40 Ein- und Zweifamilienhäuser ausgeliefert und dabei unterschiedliche Mischungsverhältnisse geprüft. Der Betrieb erwies sich dabei als ebenso zuverlässig wie mit klassischem Heizöl. Zum Einsatz kamen und kommen dabei vor allem paraffinische Brennstoffe aus hydrierten Reststoffen, sogenannte abfallbasierte Biobrennstoffe der zweiten Generation, deren Herstellung nicht in Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau steht.

Bei 21 Heizungsanlagen, die über mindestens zwei Heizperioden mit alternativem Brennstoff betrieben werden, handelt es sich um eine gemeinsame Aktion mit verschiedenen Heizgeräte- und Tankherstellern, die im Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie (BDH) organisiert sind. Dabei kommt eine Brennstoffkombination zum Einsatz, die zu 26 Prozent hydrierte Reststoffe wie Altfette oder Pflanzen- und Holzabfälle sowie sieben Prozent veresterte Bioöle, Fatty Acid Methyl Ester, kurz: Fame enthält. Sollte sich auch diese Kombination in der Praxis bewähren, würde das die Bandbreite an ölheizungsgeeigneten, treibhausgasreduzierten flüssigen Energieträgern erweitern. Zudem soll damit auch der regulatorische Rahmen für den Einsatz im Wärmemarkt vorbereitet werden. Der Praxistest ist eng vernetzt mit einem länderübergreifenden Projekt des europäischen Dachverbands der Heizungsindustrie EHI (Association of the European Heating Industry) und des europäischen Heizölverbands Eurofuel.

Pilotinitiative future:fuels@work gestartet
Ein weiteres IWO-Projekt ist die branchenübergreifende Pilotinitiative „future:fuels@work“. An dieser beteiligen sich führende Hersteller von Heizgeräten, Tanksystemen und Komponenten ebenso wie Marktpartner aus dem Bereich Tankservice und Heizölhandel. Mit „future:fuels@ work“ können sich Hauseigentümer, aber auch Fachleute, insbesondere das Heizungs- und Schornsteinfegerhandwerk, von der Praxistauglichkeit alternativer Brennstoffe praxisnah überzeugen.

Der Vorteil für die von der Jury ausgewählten Hauseigentümer: Mit „future:fuels@work“ gibt es als erste Tankfüllung eine treibhausgasreduzierte Mischung aus einer nahezu CO2-neutralen Brennstoff-Komponente (Anteil: 33 Prozent) und Premium-Heizöl (Anteil: 67 Prozent) – und das zum Vorzugspreis. Berechnet wird der bundesweite Niedrigstpreis von Heizöl der vergangenen zwölf Monate ab Bestellzeitpunkt gemäß dem Onlineportal tecson.de. Den Mehrpreis für den neuen innovativen Brennstoff trägt die Initiative.

Einsatz von fortschrittlichen Biofuels und E-Fuels
Um künftige Klimaschutzziele erreichen zu können, muss der Anteil der treibhausgasneutralen Heizölkomponente langfristig auf 100 Prozent ansteigen. Heizungstechnisch ist das auch machbar. Beispielsweise wirbt ein erster Hersteller bereits damit, dass einer seiner Öl-Brennwertkessel ab Werk auch mit 100 Prozent paraffinischem Heizöl betrieben werden kann. Das IWO hat sich innerhalb der Pilotinitiative future:fuels@work für einen sanften Einstieg entschieden. Dies gewährleistet das Einhalten der normalen Heizölnorm.

Die nahezu treibhausgasneutrale Komponente des Brennstoffs wird auch hier aus biobasierten Reststoffen gewonnen. Geplant ist in einer späteren Phase zudem die Beimischung von synthetischen Brennstoffen auf Basis von Power-to-X-Produkten, das heißt, mit erneuerbar erzeugtem Strom hergestelltem grünen Wasserstoff und recyceltem CO2, sogenannten E-Fuels. Begleitet wird die Initiative von Informations- und Schulungsaktivitäten, die auch den Demoeinsatz von alternativem Heizöl in Ausbildungseinrichtungen vorsehen.

Erste Objekte wurden bereits betankt
Eines der ersten Objekte, die innerhalb der Pilotinitiative „future:fuels@work“ mit alternativem Brennstoff versorgt wurden, ist das Haus der Familie Seidel in der niedersächsischen Gemeinde Wedemark. Vor rund fünf Jahren hat die Familie das 1963 gebaute rund 160 Quadratmeter große Haus gekauft. Seitdem bringt sie es nach und nach auf den neuesten Stand und plant auch für die Zukunft weitere energetische Sanierungsmaßnahmen. Jetzt waren die Heizung und die Tankanlage an der Reihe.

Familie Seidel hat sich erfolgreich um eine Teilnahme beworben und als erste Tankfüllung nach der Modernisierung das „grünere“ Heizöl zum Vorzugspreis geliefert bekommen. Dadurch spart die Familie ab sofort: Die neue Heizung reduziert den Brennstoffbedarf und somit Kosten und CO2-Emissionen. Die Future Fuels im ebenfalls modernisierten Tank reduzieren den CO2-Ausstoß zusätzlich um weitere 25 Prozent. Die nahezu treibhausgasneutrale Komponente des Brennstoffs wird in diesem Fall aus biobasierten Reststoffen wie Altfetten oder Pflanzen- und Holzabfällen gewonnen. Auf einem Vordach des Hauses ist bereits eine Photovoltaikanlage installiert, die mit 2,5 Kilowatt Spitzenleistung rund 2.500 Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr produziert. Geplant ist eine Erweiterung der Anlage. Außerdem soll die Fassade des Hauses nachträglich gedämmt werden und auch der Austausch von veralteten Fenstern und der Eingangstür ist vorgesehen.

Das IWO sucht auch weiterhin nach Haushalten, die eine Modernisierung mit Öl-Brennwerttechnik planen oder gerade umsetzen – und im Anschluss daran treibhausgasreduziertes Heizöl einsetzen möchten. Mehr Informationen dazu sind online unter www.zukunftsheizen.de zu finden.

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