Honorarangebote unterhalb des Basishonorarsatzes der HOAI 2021 sind vom vergaberechtlichen Wettbewerb auszuschließen, außer, es liegt ein guter Grund vor. Gute Gründe wird es nur in atypischen Konstellationen geben, schließlich gelten die Tafelwerte per Gesetz im Normalfall als angemessen. Vergabestellen sollten den Wettbewerb von Anfang an kanalisieren, indem sie die anrechenbaren Kosten, Honorarzone, Leistungsphasenbewertung und Honorartafel der HOAI 2021 zwingend vorgeben. Unauskömmliche Angebote sind vergaberechtlich nicht zuschlagsfähig. Dieser Beitrag gibt Antworten auf acht Fragen.
Frage 1: Was ist heute ein angemessenes Honorar?
Antwort 1: § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG) lautet: „Bei der Bestimmung der Honorartafeln zur Honorarorientierung nach Satz 1 Nummer 2 ist zur Ermittlung angemessener Honorare den berechtigten Interessen der Ingenieure und Architekten und der zur Zahlung Verpflichteten Rechnung zu tragen. Diese sind an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung des Ingenieurs oder Architekten auszurichten.“
Das Gesetz gibt vor, dass die untergesetzlichen Honorartafeln der HOAI 2021 Honorarorientierungen für Vergabestellen sind, die angemessen sein müssen. Das ist so auch in § 2a Abs. 1 HOAI eingeflossen (nur ohne expliziten Angemessenheitsvorbehalt). Die HonoStockrartafeln sollen eine der Leistung der Planenden angemessene Vergütung aufzeigen. Die Honorartafeln bestehen als Honorarrahmen aus einem unteren Honorarsatz (Basishonorarsatz) und einem oberen Honorarsatz. Im Durchschnitt aller Planungsleistungen stellt damit der Mittelwert zwischen beiden Werten die Mitte des angemessenen Honorarrahmens dar. Der Basishonorarsatz ist folglich gerade eben noch angemessen.
Kurzgefasst: Der Mittelwert der Honorartafeln der HOAI 2021 stellt heute im Kern ein angemessenes Honorar dar!
Frage 2: Wie sollten heute Honorare angefragt werden?
Antwort 2: Die Begründung zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 ArchLG (BT-Ds. 19/21982) lautet: „Die Regelungen nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 dienen (…) der Transparenz der Honorarkalkulation und der Vergleichbarkeit verschiedener Angebote entsprechender Leistungen. So können die Auftraggeber in den Vergabeverfahren und den Vertragsvereinbarungen die Honorarermittlung nach den Grundlagen der HOAI vorgeben, sodass eine Transparenz und Vergleichbarkeit der Angebote hergestellt wird.“ Demnach können, so der Wille des Gesetzgebers, Vergabestellen heute Honorare so anfragen, dass sie die Parameter der HOAI vorgeben. Nach dem hierzu maßgeblichen § 6 HOAI sind das das Leistungsbild, die anrechenbaren Kosten, die Honorarzone und Honorartafel. Vergaberechtlich dürfen Vergabestellen zwingende Kalkulationsvorgaben machen, weil sie so für eine Chancengleichheit bei der Bewerbung sorgen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2012 – Verg 42/12). Die Honorarparameter der HOAI sind solche Kalkulationsvorgaben, sodass Vergabestellen vergleichbare Angebote erhalten. Dabei sollte der Mittelwert der zugehörigen Honorartafel vorgegeben werden, weil sich dann Zu- und Abschläge regelmäßig noch im Rahmen der als angemessen eingestuften Honorartafeln bewegen (siehe Antwort 1).
Kurzgefasst: Vergabestellen sollten zwecks Vergleichbarkeit die Parameter der HOAI zwingend vorgeben mit dem Mittelwert als Ausgangspunkt für Zu- und Abschläge!
Frage 3: Muss jedes Angebot gewertet
werden?
Antwort 3: Verfährt die Vergabestelle, wie in Antwort 2 empfohlen, sind Angebote, welche den zwingenden Kalkulationsvorgaben, also dem System (!) der HOAI, nicht genügen (Pauschalpreis, Stundenlohn nach Aufwand), auszuschließen. Angebote, die dem Kalkulationssystem der HOAI entsprechen, sind hingegen zu werten. Zwar führt die Begründung zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 ArchLG hierzu aus: „Pauschal oder nach Stundensätzen kalkulierte Angebote können auf der Grundlage der Systematik zur Ermittlung der Honorare der HOAI überprüft werden. Es kann aber nicht festgelegt werden, welches Honorar zum Schluss tatsächlich angeboten wird. Insbesondere Zu- oder Abschläge vom zunächst errechneten Honorar bleiben möglich.“ Damit wird allgemein einem Nebeneinander der HOAI als Kalkulationssystematik und anderen Abrechnungswegen das Wort geredet. Angebote sind zum Zeitpunkt der Vergabeentscheidung zwecks Auftragserteilung vergleichbar zu machen, was aber nach der o. g. Begründung zum ArchLG absehbar nicht möglich ist, da das Honorar am Schluss nicht festgelegt werden kann. Natürlich kann eine Vergabestelle eine eigene Wertung vornehmen, z. B. indem sie eine Parallelberechnung nach HOAI 2021 vornimmt und diese mit fixen Pauschalangeboten oder fixen Stundensatzangeboten vergleicht. Wie viele Stunden ein (langsamer) Planer aber abrechnet, weiß man erst am Schluss, und das ist dann ggfs. teuer. Pauschalangebote pauschalieren das Honorar für eine pauschale Leistung; ändert sich also etwas an der Leistung, wird um Anpassungen gestritten werden, bei unklaren Honoraranpassungsparametern. Das heißt: Eine Vergabeentscheidung bei unterschiedlichen Preissystemen verhindert eine Vergleichbarkeit der Angebote und führt leicht zu Streit. Bei Angeboten nach dem System der HOAI sind und bleiben dagegen Zu- und Abschläge aller Bieter vergleichbar.
Kurzgefasst: Angebote, die das einheitlich für alle vorgegebene Honorarsystem einhalten, sind vergleichbar und zu werten.
Frage 4: Wann ist eine Preisprüfung
angesagt?
Antwort 4: Vergaberechtlich ergibt sich die Preisprüfung bei Vergaben oberhalb des EU-Schwellenwerts für Planungsleistungen (zzt. 214.000,- € netto bei Kommunen und Ländern als Auftraggeber) aus § 60 VgV, unterhalb des Schwellenwerts aus § 44 UVgO (welcher sinngemäß dem § 60 VgV entspricht), soweit die UVgO inzwischen Landesrecht geworden ist (ansonsten: Verwaltungsvorschriften der Länder). § 60 Abs. 1 VgV regelt: „Erscheint der Preis (…) eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung.“ Bei Bau- oder Lieferleistungen kennt man eine sogenannte „Aufgreifschwelle“, bei der eine Preisprüfung angesagt ist. Diese Schwelle ist erreicht, wenn das niedrigste Angebot einen deutlichen Abstand von mindestens 10 % zum Zweitplatzierten hat; andere Rechtsprechung geht von 20 % aus. Da aber Erst- und Zweitplatzierte beide „extrem billig“ sein können, ohne sich derart voneinander zu unterscheiden, gibt es seit BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16, Rdn. 15, keine prozentuale Aufgreifschwelle als unverrückbare Untergrenze mehr. Es kommt also nicht zwingend auf bestimmte Prozentsätze an. Diese Entscheidung zur VOL/A wird wohl zukünftig auch auf Angebote über Planungsleistungen zu übertragen sein. Besser als bei VOL-Leistungen kann der Vergabepraktiker auf die als angemessen geltenden Tafelwerte der HOAI 2021 als Orientierung zugreifen. Honorare außerhalb des Rahmens der Honorartafeln sind dann unangemessen. Denn wenn (wie zur Frage 1 ausgeführt) die Tafelwerte der HOAI bereits lt. Gesetz der Leistung angemessen sind, sind Angebote unterhalb des Basishonorarsatzes also unangemessen oder in der Sprache des Vergaberechts ungewöhnlich niedrig, § 60 VgV.
Kurzgefasst: Unterschreiten Angebote den Basishonorarsatz der HOAI 2021, ist eine vergaberechtliche Prüfung nach § 60 VgV (§ 44 UVgO) angezeigt.
Frage 5: Wie erfolgt eine Preisprüfung?
Antwort 5: § 60 Abs. 2 VgV regelt die Preisprüfung wie folgt: „Der öffentliche Auftraggeber prüft die Zusammensetzung des Angebots und berücksichtigt die übermittelten Unterlagen. Die Prüfung kann insbesondere betreffen: 1. die Wirtschaftlichkeit (…) der Erbringung der Dienstleistung, 2. (…) die außergewöhnlich günstigen Bedingungen, über die das Unternehmen (…) bei der Erbringung der Dienstleistung verfügt, 3. die Besonderheiten der angebotenen (…) Dienstleistung (…).“ Demnach prüft die Vergabestelle das Angebot und fordert bei Bedarf Unterlagen an, welche zu einer Aufklärung beitragen. Der Anbietende hat also entweder gleich mit dem Angebot, sonst auf Anforderung aufzuklären, warum er die Leistung besonders günstig anbieten kann, warum für ihn außergewöhnlich günstige Bedingungen vorliegen oder ob es sonstige Besonderheiten gibt. Bei Planungsleistungen wird es eher selten gute Gründe für besonders niedrige Preise geben, weil die Kostenstrukturen bei allen Planenden – jedenfalls im Inland – ähnlich sind.
Kurzgefasst: Die Vergabestelle prüft die Begründung des Anbietenden!
Frage 6: Wozu erfolgt (aus Sicht der Vergabestelle) eine Preisprüfung?
Antwort 6: Der BGH hat im zuvor bereits genannten Beschluss in Rdn. 21 folgende klare Antwort gegeben: „Die Regelungen über den möglichen Ausschluss von ungewöhnlich niedrigen Angeboten und die damit korrespondierende Prüfungspflicht basieren auf dem Erfahrungswissen, dass niedrige Preise für die öffentlichen Belange von einem bestimmten Niveau an nicht mehr von Nutzen sein, sondern diese umgekehrt sogar gefährden können, weil sie das gesteigerte Risiko einer (…) nicht einwandfreien (…) Erbringung der nachgefragten Dienstleistung und damit einer im Ergebnis unwirtschaftlichen Beschaffung bergen. Geschützt wird dementsprechend in erster Linie das haushaltsrechtlich begründete Interesse des Auftraggebers und der Öffentlichkeit an der jeweils wirtschaftlichsten Beschaffung.“ Ergänzend lautet Rdn. 29: „Öffentliche Interessen sind in schützenswerter Weise auch dadurch gefährdet, dass der betreffende Anbieter in Anbetracht des zu niedrigen Preises versuchen könnte, sich des Auftrags so unaufwändig wie möglich und insoweit auch nicht vertragsgerecht zu entledigen, durch möglichst viele Nachträge Kompensation zu erhalten oder die Ressourcen seines Unternehmens auf besser bezahlte Aufträge zu verlagern, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Kurzgefasst: Die Preisprüfung schützt die Vergabestelle vor schlechter Leistung.
Frage 7: Muss eine Preisprüfung erfolgen?
Antwort 7: Auch hier hilft ein Blick in den vorgenannten Beschluss des BGH. In der bereits zitierten Rdn. 21 stellt der BGH klar, dass die Vergabestelle eine Prüfungspflicht hat. Aus Sicht des Anbietenden besteht allerdings auch ein Recht auf Prüfung, ohne sofort ausgeschlossen zu werden. Dazu führt der BGH in Rdn. 22 aus: „Geschützt wird darüber hinaus (…) das Interesse des betreffenden Anbieters am Auftrag insofern, als er, dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs vergleichbar, verlangen kann, dass sein Angebot nicht ohne den Versuch der vorherigen Aufklärung der aufgekommenen Fragen und Ausräumung entstandener Bedenken aus der Wertung genommen wird.“ Der Anbietende hat also einen Anspruch auf eine Prüfung. Der BGH hat zudem in Rdn. 20 hervorgehoben, dass sogar jeder Bieter ein Recht auf Preisprüfung hat.
Kurzgefasst: Ja!
Frage 8: Sind Angebote unterhalb der HOAI-Tafelwerte auszuschließen?
Antwort 8: Hier kommt es auf das Ergebnis der Preisprüfung an. Kann der Anbietende sein Angebot mit guten Gründen, die für die Vergabestelle nachvollziehbar sind, erläutern, scheidet ein Ausschluss aus. Ansonsten regelt § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV: „Kann der öffentliche Auftraggeber nach der Prüfung gemäß den Absätzen 1 und 2 die geringe Höhe des angebotenen Preises (…) nicht zufriedenstellend aufklären, darf er den Zuschlag auf dieses Angebot ablehnen.“ Die Vergabestelle „darf“ also das Angebot ablehnen. Zu diesem „dürfen“ hat der BGH im genannten Beschluss in Rdn. 31 ausgeführt: „Dem Auftraggeber ist hierbei ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Verwendung des Verbs „dürfen“ in § 60 Abs. 3 VgV ist nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags ist vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären kann. (…).“ Demnach hat die Vergabestelle praktisch keine andere Option mehr, als das Angebot auszuschließen.
Kurzgefasst: Es kommt auf den Einzelfall an. Gibt es gute Gründe, ist das Angebot anzunehmen, sonst auszuschließen.
Fazit
Die HOAI 2021 spiegelt mit ihren Honorartafeln insgesamt angemessene Honorare wider. Damit stellt der Mittelwert innerhalb der Tafel das angemessene Honorar dar. Bei Honoraranfragen sollten Vergabestellen die Parameter der HOAI zwingend vorgeben. Preisprüfungen sind erforderlich, wenn der Basishonorarsatz unterschritten wird. Ohne gute Gründe sind Angebote unterhalb des Basishonorarsatzes zum Schutz der Auftraggebenden und konkurrierender Wettbewerber als unauskömmlich auszuschließen (so auch bereits eine prominent geäußerte Literatur-meinung).